Der EU-Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, hat sich selbst demontiert. Seine rechten Äußerungen führten zu seinem Austritt im Bundesvorstand und zum Bruch mit der EU-Fraktion der ID. Wie geht es jetzt weiter mit der AfD und den rechten Parteien in Europa?
Gut zwei Wochen vor der Europawahl überschlagen sich die Negativ-Meldungen über die AfD. Strafrechtliche Ermittlungen, eine umstrittene SS-Äußerung des Spitzenkandidaten und schließlich der Ausschluss aus der ID-Fraktion im Europaparlament überschatten den Wahlkampf. Droht der Partei ein schlechtes Abschneiden beim ersten großen Stimmungstest des Wahljahres 2024? Und wie werden sich die rechten Parteien in Europa zukünftig aufstellen?
Das wird Maximilian Krah vorgeworfen
Maximilian Krah provoziert seit Jahren mit EU-feindlichen und völkisch-nationalistischen Thesen, trotzdem wurde er im Sommer zum Spitzenkandidat gewählt. In Bedrängnis geriet Krah im März, als in Medienberichten Vorwürfe der Bestechlichkeit gegen mehrere Europa-Politiker im Zusammenhang mit Auftritten bei einer pro-russischen Internetseite erhoben wurden. Krah sagte, für die Interviews kein Geld erhalten zu haben.
Im April wurde Krahs langjähriger Mitarbeiter Jian G. wegen des Verdachts der Spionage für China verhaftet. Die Vorwürfe wogen so schwer, dass die Parteiführung den Spitzenkandidaten für einige Tage aus der Schusslinie zog und ihn damit öffentlich anzählte. Später durchsuchte die Bundesanwaltschaft Krahs Büro im Brüsseler Europaparlament, dem er seit 2019 angehört.
Auslöser der akuten Krise war ein Interview Krahs mit der italienischen Zeitung "La Repubblica" und der "Financial Times". Krah wurde nach der nationalsozialistischen SS gefragt. Die sogenannte Schutzstaffel Adolf Hitlers bewachte und verwaltete unter anderem die Konzentrationslager und war maßgeblich für Kriegsverbrechen verantwortlich. Krah sagte in dem Interview: "Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war." Auf die Frage, ob die SS Kriegsverbrecher seien, antwortete er: "Es gab sicherlich einen hohen Prozentsatz an Kriminellen, aber nicht alle waren kriminell."
Konsequenz war Bruch der ID-Fraktion mit der AfD im EU-Parlament. Anschließend wurde bekannt, dass Krah laut Parteispitze bis auf Weiteres alle Wahlkampfauftritte unterlassen solle. Er reagierte selbst auf die Aufforderung und sagte, er verzichte selbst auf weitere Wahlkampfauftritte und trete als Mitglied des Bundesvorstands zurück. Der 47-jährige Sachse verpackte das in die poetische Botschaft: "Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Ich nehme zur Kenntnis, dass sachliche und differenzierte Aussagen von mir als Vorwand missbraucht werden, um unserer Partei zu schaden. Das Letzte, was wir derzeit brauchen, ist eine Debatte um mich."
Zweite Baustelle: Ermittlungen gegen Petr Bystron
Auch gegen den Listenzweiten und Bundestagsabgeordneten Petr Bystron stehen Vorwürfe im Raum – und zwar der Geldannahme aus Russland. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern und Geldwäsche und durchsuchten seine Büros im Bundestag sowie Privaträume.
Die AfD-Führung forderte Bystron auf, keinen Wahlkampf mehr zu machen. Später gab er genau das bekannt, berief sich aber auf familiäre Gründe. Seine Entscheidung habe mit der Aufforderung der Parteichefs nichts zu tun. Wie lange er sich zurückziehe, ließ er offen. Die restlichen beiden Wochen führt die AfD also ihren Wahlkampf ohne die ersten beiden Kandidaten auf der Liste. Die Wahlliste kann jedoch nicht mehr geändert werden – wer am 9. Juni AfD wählt, wählt also weiterhin Krah und Bystron.
Umfragewerte der AfD brechen ein
Die Affären scheinen auch einen Teil der Wählerschaft umzustimmen. Stand die AfD zu Jahresbeginn noch in bundesweiten Umfragen bei mehr als 20 Prozent, rutschte sie in der Zwischenzeit auf 15 bis 18 Prozent ab. Die jüngsten Äußerungen Krahs sind dabei noch nicht berücksichtigt. Zu dem Sinken in den Umfragen beigetragen haben dürfte auch das Potsdamer Treffen von Rechtsextremisten, an dem auch AfD-Politiker teilgenommen hatten.
Ähnlich schneidet die AfD auch bei Umfragen zur Europawahl ab, die aber als schwieriger vorauszusagen gilt. Trotzdem kann die AfD mit einem Zugewinn gegenüber dem Ergebnis von elf Prozent aus dem Jahr 2019 rechnen – und damit mit einer größeren Delegation als bisher. Ob die Probleme mit den EU-Kandidaten auch Einfluss auf die Landtagswahlen im Osten haben wird, zeigt sich wohl erst in den kommenden Monaten. Auch für die Parteichefs könnte es eng werden. Ende Juni steht der Bundesparteitag in Essen an. Dort wird auch der Vorstand gewählt.
Wie geht es in Europa weiter?
Als Konsequenz zur Krah-Aussage zur SS gingen nach dem Rassemblement National (RN) auch andere ID-Parteien auf Distanz und schlossen die AfD aus der Fraktion aus. Die österreichische FPÖ stimmte dagegen. Die AfD-Delegation versuchte noch, die Entscheidung abzuwenden und forderte vergeblich, lediglich Krah auszuschließen. Völlig unklar ist nun, wie es für die Partei im Europaparlament weitergeht. Die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla zeigten sich in einem Statement "zuversichtlich, auch in der neuen Legislaturperiode verlässliche Partner an unserer Seite zu haben."
Dennoch rechnen Experten bei der Europawahl Anfang Juni mit einem Rechtsruck. Das Rechtsaußenlager muss sich allerdings neu sortieren, nach dem AfD-Ausschluss am Donnerstag. Die ID-Fraktion schrumpft mit dem Ausschluss der AfD auf 50 Abgeordnete, Umfragen prognostizieren ihr für die Wahlen allerdings deutliche Zugewinne vor allem aus Frankreich. Die zweite Rechtsfraktion im Europaparlament bildet die Gruppe der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), die den Umfragen zufolge mit 84 Sitzen rechnen kann – ein Zugewinn um 16 Abgeordnete.
In der EKR-Fraktion sitzen derzeit unter anderem die rechtsextreme spanische Partei Vox, die Partei der ultrarechten italienischen Regierungschefin
Nach dem Bruch Le Pens mit der AfD scheint eine Annäherung zu den EKR-Parteien möglich. Le Pen sprach am Sonntag bei einer Veranstaltung der spanischen Vox in Madrid, zu der auch Meloni und der ungarische Präsident Viktor Orban zugeschaltet waren.
Meloni erklärte in einem Fernsehinterview zudem, sie wolle rechte Parteien in Europa "vereinen" und "die Linken in die Opposition schicken". Wie sich das Rechtsaußenlager im Europaparlament nach der Wahl sortiert, ist unklar – eine neu zusammengesetzte Fraktion könnte zu den drei stärksten Kräften im Parlament zählen.
Von einer Mehrheit sind die Rechten trotz der erwarteten Zugewinne zwar noch weit entfernt. In der aktuellen Legislaturperiode stimmten Abgeordnete der EVP, in der auch CDU und CSU sitzen, allerdings bereits mehrfach mit Rechtsaußen, etwa gegen schärfere Umwelt- und Verkehrsvorschriften. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schließt für den Fall ihrer Wiederwahl eine Zusammenarbeit mit der AfD aus – nicht aber mit den Abgeordneten von Meloni und Co. (afp/dpa/the)
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