Steuerversprechen an die Wählerinnen und Wähler gehören zu einem Wahlprogramm wie das Amen in der Kirche. Doch laut dem Ökonomen Marcel Fratzscher wecken die Parteien im Wahlkampf völlig überzogene Erwartungen.
Ökonom Marcel Fratzscher hat die Parteien für die in ihren Wahlprogrammen versprochenen Steuererleichterungen kritisiert. "Was mich schockiert, ist, dass die Parteien die Wähler und die Wählerinnen hinters Licht führen wollen", sagte der Präsident des Deutschen Institus für Wirtschaftsforschung (DIW) in einem Interview der "Augsburger Allgemeinen".
Die Parteien würden sich mit Wahlversprechen überbieten und den Wählerinnen und Wählern "nicht die Wahrheit" zutrauen. Zwar seien unrealistische Wahlkampfversprechen auch in der Vergangenheit normal gewesen, aber laut Fratzscher "noch nie so extrem war wie jetzt."
Die FDP würde in ihrem Programm etwa 138 Milliarden Euro an Steuererleichterungen, "zum größten Teil für die Topverdiener" versprechen. "Die CDU ruft 99 Milliarden auf, ebenfalls größtenteils für die Topverdiener. SPD und Grüne stellen Entlastung von 30 Milliarden und 48 Milliarden in das Schaufenster."
Diese Summen seien "kein Pappenstiel" und derzeit nicht finanzierbar. "Das ist das, was ich mit hinters Licht führen meine", so Fratzscher.
Milliarden an Investitionen pro Jahr notwendig
Es sei unredlich, den Bürgerinnen und Bürgern verkaufen zu wollen "macht Euch keine Sorgen, Steuererhöhungen gibt es nicht. Hier sind riesige Steuererleichterungen für die Spitzenverdiener und Unternehmen. Und übrigens wollen wir auch mehr Geld für Bildung und Infrastruktur ausgeben und dabei die Schuldenbremse einhalten."
Als Begründung verwies der Ökonom darauf, dass Deutschland laut Berechnungen des Bundesverband der Deutschen Industrie "in den nächsten Jahren jedes Jahr zusätzliche Investitionen von 40 Milliarden Euro in Straßen, Schienen, Brücken und Schulen" brauche.
Dazu würden jedes Jahr zusätzliche 30 Milliarden für die Bundeswehr benötigt. "Diese großen Beträge können nicht aus den laufenden Ausgaben herausgespart werden."
Fratzscher: Deutschland war noch nie ein Niedrigsteuerland
Steuersenkungen seien nicht per se falsch, aber sie würden nicht ausreichen, so der Ökonom weiter. Deutschlands wirtschaftliche Misere liege nicht daran, dass die "Unternehmenssteuern oder die Einkommenssteuern zu hoch sind. (…) Wir haben heute geringere Unternehmens- und Einkommenssteuern als vor 25 Jahren."
Auch in der Vergangenheit sei Deutschland noch nie ein Niedrigsteuerland gewesen, "trotzdem legte die Wirtschaft ordentlich zu".
Problematischer als die Steuern seien für die Unternehmen die Themen "Regulierung und Bürokratie". Beides lasse sich nicht einfach lösen, weil dazu "Kommunen, Länder, Bund und Europa" gefragt seien. "Dennoch muss man da ran." (thp)
Verwendete Quellen:
- Augsburger Allgemeine: "Sich immer wieder unsere Stärken bewusst zu machen, ist die halbe Miete"
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