Im Wahljahr hofft die SPD, ihr werde eine Wende gelingen, wie sie einst ihrem Spitzenkandidaten gelang. Denn bis er Mitte 20 war, sah es nicht so aus, als würde Martin Schulz große Erfolge einfahren.

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Über Martin Schulz heißt es, dass er jeden Abend die politischen Ereignisse und Erkenntnisse des Tages in ein Tagebuch notiert. Wenn das stimmt, dürfte er in diesem Jahr schon viel zu schreiben gehabt haben.

Ende Januar präsentierte ihn Sigmar Gabriel als zukünftigen Kanzlerkandidaten und SPD-Vorsitzenden. Was folgte war eine ungeahnte Welle der Euphorie – so hoch wie kurz.

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Innerhalb kurzer Zeit legten die Sozialdemokraten auf über 30 Prozent zu. Am 19. März wählten ihn die Delegierten beim Parteitag mit fast beängstigenden 100 Prozent zum Vorsitzenden. Es sah so aus, als würde ihn die Euphoriewelle bis ins Kanzleramt tragen.

Drei Landtagswahlen später hat sich Ernüchterung breit gemacht. Und noch immer fragen sich viele: Wer ist Martin Schulz? Wofür steht er?

Vom Alkoholiker zum Kanzlerkandidaten

Zu aller erst steht Schulz für sich selbst: Seine Person und sein Lebensweg prägen die "Marke Schulz". Aufgewachsen ist der Sohn einer Hausfrau mit CDU-Parteibuch und eines Polizisten im deutsch-belgisch-niederländischen Dreiländereck.

Die Stadt Würselen bei Aachen, die sich seit Jahresbeginn vor Journalisten kaum retten kann, bezeichnet er auf seiner Homepage als seinen "absoluten Lebensmittelpunkt".

Als Jugendlicher und junger Erwachsener musste Schulz Rückschläge einstecken. Die Schule brach er vor dem Abitur ab, aus einer erhofften Fußballer-Karriere wurde wegen einer Meniskus-Verletzung nichts. Mit Anfang 20 war Schulz alkoholabhängig.

Dass er nicht schon in frühen Jahren eine Musterkarriere hinlegte, wird ihm inzwischen aber eher als Vorteil ausgelegt: Ein Lebensweg mit Brüchen kommt beim Wähler an.

Mit 24 schwor Schulz, der inzwischen Buchhändler und SPD-Mitglied geworden war, dem Alkohol ab. Mit 31 wurde er Bürgermeister von Würselen, 1994 gelang ihm der Sprung ins Europäische Parlament.

Den 17. Januar 2012 bezeichnet Schulz als einen der prägendsten Tage in seinem Leben: Er wurde zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt – ein Amt, das ihn auch bundes- und europaweit bekannt machte.

Europa ist für Schulz, der fünf Fremdsprachen beherrscht, eine Herzensangelegenheit. Aber was noch? Die angebliche Profillosigkeit des 61-Jährigen ist der Hauptkritikpunkt seiner politischen Gegner.

Martin Schulz gilt als Pragmatiker

Schulz ist Mitglied im Seeheimer Kreis, in dem sich der konservative Flügel der SPD organisiert. Er gilt als Pragmatiker, der lieber schwer verdauliche Lösungen sucht als Ideologie hochzuhalten. Als EU-Politiker hat er zum Beispiel immer das umstrittene europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA verteidigt.

Trotzdem hat der Kanzlerkandidat auch den linken Flügel der Partei hinter sich, denn Schulz hat das Soziale als zentrales Thema entdeckt.

In den Wahlkampf geht er unter anderem mit dem Versprechen, die Agenda 2010 seines Freundes Gerhard Schröder zu reformieren.

Anstrengung für "die hart arbeitenden Menschen"

In einem Interview sagte er einmal, links zu sein, bedeute für ihn, "das Leben der hart arbeitenden Menschen, die sich an Regeln halten, jeden Tag ein Stück besser zu machen".

Die "hart arbeitenden Menschen" kommen in seinen Reden häufig vor. Soziale Themen dürften für ihn auch deshalb eine zentrale Rolle spielen, weil er sich damit von der CDU absetzen kann.

Denn bei umstrittenen Fragen, die der christdemokratischen Kanzlerin zu schaffen machen – etwa die Flüchtlings- und die Eurokrise – steht er eigentlich auf der gleichen Seite wie Angela Merkel.

Schulz hat keine Regierungserfahrung und Wahlen bisher nur in Würselen gewonnen. Aber er gilt als Mann, der sowohl mit Präsidenten Klartext reden als auch mit dem Wähler von nebenan ein Pläuschchen halten kann.

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