- Neben der Bundestagswahl haben die Menschen Berlin am Sonntag das Abgeordnetenhaus sowie die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt.
- Letzten Hochrechnungen zufolge liegt die SPD knapp vor den Grünen.
- Die vor der Wahl favorisierte SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey kann damit womöglich Regierende Bürgermeisterin werden.
Bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin liegt die SPD mit Spitzenkandidatin Franziska Giffey in letzten Hochrechnungen von RBB und ZDF übereinstimmend vorne. Laut ZDF-Hochrechnung kommt die SPD auf 22,4 Prozent und hat damit einen Prozentpunkt Vorsprung auf die Grünen. In der RBB-Hochrechnung erreicht die SPD 22,7 Prozent, die Grünen kommen auf 21,4 Prozent. Die CDU erzielt laut den beiden Hochrechnungen mit weniger als 17 Prozent ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Abgeordnetenhauswahl in Berlin.
Für die Grünen wäre ein Wahlsieg eine historische Zäsur gewesen. Darauf gewettet hatten kurz vor der Wahl wohl die wenigsten, lag die Partei doch seit Wochen in den Umfragen mehr oder weniger deutlich hinter der SPD. Am Sonntagabend gab es dann Jubel und strahlende Gesichter bei der Öko-Partei angesichts ihres vorhergesagten besten Berliner Ergebnisses aller Zeiten. Spitzenkandidatin Jarasch, eine studierte Philosophin, sprach von einer "Klimawahl", die Grünen wollten nun mehr Verantwortung im neuen Berliner Senat.
Doch auch Giffey lächelte am Wahlabend. Die 43-Jährige, die im November 2020 zur Parteichefin und später auch zur Spitzenkandidatin gekürt wurde, galt der Hauptstadt-SPD als Hoffnungsträgerin. Hauptsache stärkste Partei und das Rote Rathaus verteidigen, lautete die Devise. Und wenn überhaupt jemandem, trauten die Hauptstadt-Sozis im Umfragedauertief das der politischen Senkrechtstarterin zu.
SPD kann schwaches Ergebnis der letzten Abgeordnetenhauswahl kaum verbessern
Doch so richtig zündete der Giffey-Turbo nicht, zumal ihr die lange schwelenden Plagiatsaffäre zu schaffen machte, in deren Zuge sie im Mai als Bundesministerin zurücktrat und im Juni ihren Doktortitel verlor. Einerseits gelang es der SPD, aus dem Umfragetal der letzten Jahre herauszukommen und Werte um 15 Prozent hinter sich zu lassen. Auf der anderen Seite ist das in den Hochrechnungen vorausgesagte Ergebnis von 22 oder 23 Prozent nur geringfügig besser als das von 2016 (21,6 Prozent), welches als schlechtestes für die Berliner Sozialdemokratie nach dem Krieg gilt. Und das trotz des positiven Bundestrends mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.
Am Ende dürfte das Giffey und der gesamten Hauptstadt-SPD egal sein, so lange sie nur vor den Grünen liegt und das Rathaus verteidigen kann. Das dürfte auch entscheidend für mögliche Koalitionsoptionen sein. Würden die Grünen die Wahl gewinnen, dürfte ihre Spitzenfrau Jarasch ein grün-rot-rotes Bündnis schmieden wollen - also eine Neuauflage der bisherigen Koalition unter neuer Führung. Kommt Giffey zum Zug, könnte es hingegen komplizierter werden.
Denn diese bekannte sich im Gegensatz zu den beiden anderen Partnern nicht zu einer Fortsetzung, ließ im Wahlkampf eine Koalitionsaussage offen und attackierte gar Grüne und Linke in der Verkehrs- oder Wohnungspolitik scharf. Rechnerisch reichte es nach den Zahlen am Abend auch für eine Koalition von SPD, CDU und FDP. Andererseits schien zeitweise sogar Rot-Grün ohne die Linke möglich.
Doch nicht nur der Wahlabend entwickelte sich in Berlin zum Krimi. Etliche Pannen, fehlende Stimmzettel in manchen Wahllokalen und lange Warteschlangen den ganzen Tag über warfen die Frage auf, ob der Superwahltag mit insgesamt vier Abstimmungen gut genug vorbereitet wurde. Denn neben der Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl standen auch die Wahl der zwölf Bezirksparlamente und ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen an.
Die Folge war ein Novum: Selbst eine oder eineinhalb Stunden nach offizieller Schließung der Wahllokale konnten mancherorts noch Wartende, die sich bis kurz vor 18 Uhr eingefunden hatten, ihr Stimmen abgeben. Während sie auf ihren Handys schon Prognosen, Hochrechnungen und erste Wahlanalysen lesen konnten. (dpa/mko)
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