In sozialen Netzwerken kursiert ein Video von einer Flucht aus einem fahrenden Bus. Angeblich soll es Menschen aus Afrika zeigen, die in Deutschland vor ihrer Abschiebung flüchten. Doch die Aufnahme ist nicht in Deutschland, sondern in Algerien entstanden.

Aus einem fahrenden Bus springen mehrere Menschen durch ein zerbrochenes Fenster und rennen davon – angeblich flüchten sie vor ihrer Abschiebung aus Deutschland. Das zumindest behaupten Beiträge in sozialen Netzwerken, die ein Video des Vorfalls verbreiten. Die Behauptung kursiert international, etwa in Großbritannien und den USA. Mehr als 22 Millionen Aufrufe hat ein englischsprachiger Beitrag auf Facebook.

Die Behauptungen zum Video variieren teils leicht: Mal ist die Rede davon, bei den Personen im Bus handele es sich um in Deutschland lebende Menschen aus Ghana. Woanders heißt es, der Bus sei unterwegs zu einem – nicht konkreter genannten – deutschen Flughafen, um die Personen abzuschieben.

Doch das Video hat keinen Bezug zu Deutschland, wie Medienberichte und weitere Details wie eine Wohnsiedlung im Hintergrund zeigen: Der Aufnahmeort ist Algier, die Hauptstadt Algeriens.

Facebook Video zeigt angeblich Afrikaner bei der Flucht aus Deutschland
In diesem Facebook-Beitrag wird behauptet, das Video zeige "Afrikaner" bei der Flucht vor ihrer Abschiebung aus Deutschland. Das Video wurde mehr als 22 Millionen Mal aufgerufen. Einen Bezug zu Deutschland hat es jedoch nicht. © Quelle: Facebook; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck

Video laut Medienberichten in Algerien aufgenommen

Mit einer Bilder-Rückwärtssuche bei Google findet sich das Video bereits Anfang Juli auf arabischsprachigen Webseiten, die als Aufnahmeort Algerien angeben. Auf den Webseiten heißt es, das Video habe sich in sozialen Netzwerken in Algerien verbreitet. Verlinkt ist dort ein Twitter-Beitrag vom 2. Juli. Aus dem Arabischen übersetzt steht dort: "Algerien. Eine Gruppe illegaler Einwanderer floh vor ihrer Abschiebung aus den Sahel- und Sahara-Staaten."

Daneben gibt es weitere Hinweise, die zeigen, dass das Video tatsächlich aus Algerien stammt.

Wohnsiedlung und Autokennzeichen sprechen für Algerien als Aufnahmeort

Bei Sekunde drei des Videos ist an einem der Gebäude im Hintergrund die Beschriftung "AADL" zu erkennen.

Gelbes Auto-Kennzeichen belegt Algerien als Entstehungsort des Videos.
"AADL" heißen mehrere Wohnsiedlungen in der Nähe der algerischen Hauptstadt Algier. Das gelbe Auto-Kennzeichen ist ebenfalls ein Hinweis, der für Algerien als Entstehungsort des Videos spricht. © Twitter; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck

Dabei handelt es sich um den Namen mehrerer Wohnsiedlungen in Rahmania, einem Vorort von Algier – wie ein Abgleich bei Google Maps zeigt.

Ein weiteres Indiz dafür, dass die Aufnahme aus Algerien stammt, ist ein Autokennzeichen, das im Video zu erkennen ist. Es entspricht den algerischen Vorgaben für Kennzeichen: Die Schilder sind am Heck gelb grundiert und bestehen ausschließlich aus Zahlen.

Dass mit Videos – die angeblich in Deutschland entstanden sein sollen – Stimmung gegen Migrantinnen und Migranten gemacht wird, passiert regelmäßig: Zum Jahreswechsel etwa wurde ein Video aus Hongkong fälschlicherweise als Silvester-Randale in Berlin verbreitet.

Ein anderes Video, das angeblich die Verwüstung eines Klassenzimmers an einer deutschen Schule zeigen sollte, stammte in Wirklichkeit aus Brasilien.

Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Artikels stand, das Autokennzeichen sei ebenfalls ein Beweis dafür, dass das Video nicht aus Deutschland stammt. Korrekt ist, dass das gelbe Auto-Kennzeichen den in Algerien gebräuchlichen Autokennzeichen entspricht, was, in Verbindung mit den anderen genannten Hinweisen, ebenfalls für Algerien als Entstehungsort des Videos spricht.

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