- Vor 25 Jahren einigten sich die damaligen Finanzminister der Europäischen Union in Verona auf ein europäisches Währungssystem.
- Federführend mit dabei: Der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU).
- Im Interview blickt er auf zermürbende Verhandlungen, Streitigkeiten um den Namen der neuen Währung und ein eventuelles Scheitern der gesamten Idee zurück.
Am 13. April 1996 - also vor 25 Jahren - einigten sich die EU-Finanzminister in Verona auf ein neues europäisches Währungssystem. Knapp drei Jahre später wurde der Euro als Buchungswährung eingeführt. Wie blicken Sie heute zurück?
Theo Waigel: Es ist eine absolute Erfolgsgeschichte, denn Europa spielt mit dem Euro in der Währungswelt eine Rolle. Die globale Finanzordnung ist nicht mehr nur durch den Dollar bestimmt, wie es früher der Fall war, denn der Euro liegt ansonsten vor allen anderen Währungen der Welt. Er hat Europa eine gefährliche Zersplitterung bei der Finanzkrise erspart und auch jetzt in der Pandemie wäre es ohne den Euro zu unglaublichen Turbulenzen mit permanenten Auf- und Abwertungen und protektionistischen Maßnahmen gekommen. Der Außenwert gegenüber dem Dollar erinnert an die besten Zeiten der D-Mark.
War diese Erfolgsgeschichte für Sie schon vor 25 Jahren absehbar?
Der Euro war keine Sturzgeburt, sondern hatte eine jahrzehntelange Vorbereitungszeit mit allen Höhen und Tiefen. Die ersten Ideen einer gemeinsamen Währung gab es schon kurz nach dem Krieg. Bereits 1946 hat der erste Vorsitzende der CSU, Josef Müller, gesagt, man brauche eine gemeinsame Währung, weil Länder mit gemeinsamer Währung keinen Krieg gegeneinander führen werden. Die Idee ist dann mit dem Werner-Plan zur Währungsunion und dem Europäischen Währungssystem unter Giscard D’Estaing und Helmut Schmidt weiter gereift. Den endgültigen Entscheidungen zur Wirtschafts- und Währungsunion ging außerdem der Drei-Stufen-Plan von Jacques Delors voraus und letztlich die schwierige Frage, wer mitmacht und wer nicht. Ich habe immer den Standpunkt vertreten, dass die Kriterien den Zeitplan bestimmen und nicht der Zeitplan die Kriterien. Der Euro hatte also mit seiner endgültigen Verabschiedung 1998 eine Vorlaufzeit von mehr als 20 Jahren.
Stand denn jemals ein Scheitern im Raum?
Durchaus. Es gab viele Streitpunkte: Geht eine gemeinsame Währung mit Italien und Belgien angesichts des hohen Schuldenstands beider Länder? Wer wird erster Präsident der europäischen Zentralbank? Allein zu dieser Frage wurde zehn Stunden mit Frankreichs damaligem Präsidenten Jacques Chirac gestritten, der eine Teilung der Amtszeit erreichen wollte. Wenn die teilnehmenden Länder nicht 3,0 Prozent beim Staatskreditkriterium erreicht hätten, hätte ich eine gemeinsame Währung nicht mitgemacht. Das hätte auch Deutschland mit der ungeheuren Last der Wiedervereinigung treffen können. Es gab auch gewaltige Auseinandersetzungen in puncto Realignments, also den Neufestsetzungen der Wechselkurse. 1993 war kurzfristig der französische Franc stabiler als die deutsche D-Mark und der französische Finanzminister kam auf die aberwitzige Idee, Deutschland sollte aus dem Währungssystem ausscheiden und die Franzosen würden die Führung übernehmen. Wir haben uns immer eine Hintertür offengehalten – die Bestimmung der Paritäten untereinander konnte nur einstimmig geregelt werden. Wenn wir nicht mitgemacht hätten, wäre es nicht zur Währungsunion gekommen.
"Die Namensgebung der Währung – mein Gott, was war das für ein Drama"
Die Verhandlungen waren also zäh?
Ja, und ich hatte mir das Rauchen schon abgewöhnt! Auch die Namensgebung der Währung – mein Gott, was war das für ein Drama. Die Franzosen wollten den Namen "ECU" – in Erinnerung an französische Münzen aus dem Mittelalter. Für uns inakzeptabel! Dann geisterte der Vorschlag "Franken" umher, aber da fühlte Spaniens Ministerpräsident Felipe González sich an Diktator Franco erinnert. Ich kam dann auf die Idee "Euro". Jacques Chirac wollte eine Volksabstimmung über die Namen abhalten, aber als wir ihm verklickert haben, dass keine Chance auf "ECU" besteht, gab er sich geschlagen. Zwar hat der damalige luxemburgische Premierminister Jean Claude Juncker noch kritisiert, "Euro" klinge nicht erotisch – aber ich habe ihm gesagt, Hauptsache "eurotisch"! Mit der einstimmigen Beschlussfassung 1995 im Europäischen Rat war der Name Euro geboren.
Was hat Sie bei all der Dramatik durchhalten lassen?
Ganz einfach: Ich war von der Idee überzeugt. Ich habe am Anfang zwar nicht gedacht, dass ich in der ganzen Zeit Finanzminister bleiben würde und hatte eher vermutet, es würde jemand nach mir machen, aber je mehr ich mich mit dem Gedanken beschäftigte, desto klarer wurde mir: Es ist richtig und notwendig, Europa spielt nur eine Rolle in der Welt, wenn es währungspolitisch geeint ist.
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