Sie sind schwer bewaffnet und wurden unter härtesten Bedingungen ausgebildet: In Frankreich waren vergangene Woche Spezialeinheiten im Einsatz, um die Geiselnahmen nahe und in Paris zu beenden. Auch in Deutschland gibt es hoch spezialisierte Gruppen für den Fall besonderer Bedrohungslagen. Welche Spezialtrupps würden in einem vergleichbaren Fall hierzulande eingesetzt?

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Um gegen Terroristen vorzugehen, können sowohl Franzosen als auch Deutsche auf verschiedene Eliteeinheiten zurückgreifen. Die Aufnahmekriterien der Spezialkräfte sind streng, nur die wenigsten werden in den Kreis der Top-Terrorismusbekämpfer aufgenommen. Wir stellen die wichtigsten Sondertrupps beider Länder vor.

Frankreichs Spezialeinheiten

RAID steht für "Recherche, Assistance, Intervention, Dissuasion", auf Deutsch: "Fahndung, Unterstützung, Eingriff, Abschreckung". RAID besteht aus etwa 60 Personen. Neben vier Eingreifteams zu je zehn Elite-Polizisten gibt es noch eine Führungseinheit sowie eine Spezialeinheit für besondere Operationen. Zum Aufgabenbereich zählen etwa die Erstürmung entführter Flugzeuge sowie die psychologische Begleitung der Einsätze durch Verhandlungsführung sowie der Schutz ausländischer Staatsbesucher. Die meisten Einsätze werden jedoch im Verborgenen ausgeführt.

GIGN bedeutet "Groupe d'Intervention de la Gendarmerie Nationale", übersetzt also: "Eingreiftruppe der französischen Gendarmerie". Rund 90 Mitglieder gehören dieser Spezialeinheit an. Zwei 15-Mann-Teams sind auf Einsätze im Küstenraum sowie auf See spezialisiert, ebenso viele für den Luftraum. Zusätzlich gibt es ein Logistikteam, ein vier Mann starkes Aufklärungsteam und ein eigener kleiner Geheimdienst. Nur etwa zehn Prozent der Anwärter überstehen das harte Aufnahmeverfahren. Hauptaufgaben sind die Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus in Inland, vor allem im ländlichen Bereich.

GIPN heißt "Groupes d'Intervention de la Police Nationale", zu Deutsch: "Eingreiftruppen der nationalen Polizei". Diese sind in größeren französischen Städten – außer Paris – und in mehreren französischen Überseegebieten verortet. Auch hier darf nur mitmachen, wer fünf Dienstjahre als Polizist vorweisen kann und nicht älter als Mitte dreißig ist. GIPN wird aktiv bei Meutereien in Gefängnissen, Geiselnahmen oder anderen schweren Kriminalfällen.

BRI steht für "Brigade de recherche et d'intervention". Die "Aufklärungs- und Eingreiftruppe" untersteht dem Innenministerium und wird aktiv bei schweren Raubüberfällen und Geiselnahmen. Außerdem sind die etwa 70 rekrutierten Mitglieder zuständig für das Sammeln und Archivieren von Informationen über die organisierte Kriminalität in Frankreich.

GSG9 oder KSK: Anti-Terrormaßnahmen je nach Lagesituation

Auch in Deutschland kommen bei einem vergleichbaren Ausnahmezustand wie im Nachbarland Frankreich oder konkret bei Flugzeugentführungen und Sprengstoffanschlägen verschiedene Anti-Terroreinheiten zum Einsatz.

Wer wäre bei uns in einem solchen Fall zuständig?

In erster Linie würde in einer Situation wie in Frankreich hierzulande nicht etwa das Militär, sondern die Polizei aktiv. Und zwar aufgrund der föderalen Struktur diejenige Einheit, die in den betroffenen Bundesländern generell zuständig ist. Anders ausgedrückt, Schutzmaßnahmen sind in erster Linie Ländersache.

Während eines Inlandeinsatzes nicht infrage kommt das Kommando Spezialkräfte (KSK). Dieses wurde nach einer Rettung gefangengenommener Mitarbeiter der Deutschen Welle 1994 durch belgische Fallschirmspringer in der ruandischen Hauptstadt Kigali gegründet, weil Deutschland bis dato selbst nicht über derartig ausgebildetes Personal verfügte. Zum Aufgabenspektrum des KSK gehört also die Rettung gefangener deutscher Staatsbürger im Ausland oder die Festsetzung von Kriegsverbrechern in Krisengebieten.

Welche Einheiten kommen zum Einsatz?

Die Polizeien aller Bundesländer verfügen selbst über mindestens ein Spezialeinsatzkommando (SEK) oder ein Mobiles Einsatzkommando (MEK). In den meisten Bundesländern unterstehen die SEK mittlerweile den Landeskriminalämter (LKA), wobei die Struktur der SEK sich länderspezifisch unterscheiden. Die Ausbildung von SEK-Beamten umfasst neben Terrorismusbekämpfung vor allem Methoden zur Geiselbefreiung. Darüber hinaus kommen sie auch präventiv zum Einsatz, etwa bei Besuchen ausländischer Staatsgäste, oder helfen operativ bei regulären Polizeiaufgaben. Ausgerüstet sind die SEK allerdings eher militärisch als polizeilich.

Daneben stellt die Grenzschutztruppe 9 der Bundespolizei (GSG9) ein weitere deutsche Anti-Terroreinheit dar. Gegründet wurde die GSG9 als Reaktion auf die Erfahrungen beim Überfall eines Terrorkommandos auf die israelische Olympiamannschaft während der Olympischen Spiele in München 1972. Die Spezialeinheit würde in einem wiederkehrenden ähnlichen Fall die Polizeien der Ländern unterstützen.

Wie sind die Abläufe und wer koordiniert sich mit wem?

Da es sich in Ausnahmesituationen um ein Zusammenspiel mehrerer der genannten Sicherheitsbehörden handelt und je nach Lagebild und Örtlichkeit – Flughafen, Einkaufszentrum, Botschaft oder religiöse Einrichtung – unterschiedliche Kräfte gebraucht werden, lässt sich das Vorgehen eher schwer allgemein darstellen. In der Regel bestimmt aber der Landesinnenminister oder Innensenator nach kurzer Krisensitzung, wann ein SEK zum Einsatz kommt. Im Fall eines erhöhten Kräftebedarfs, einer längeren Einsatzdauer oder notwendiger einheitlicher Führung etwa bei verschiedenen Zuständigkeiten wird eine Besondere Aufbauorganisation (BAO) eingerichtet. Die BAO hilft, die verschiedenen Sicherheitsbehörden unterstellten Bereiche Ermittlungen, Fahndungsmaßnahmen und Schutzmaßnahmen besser zu verzahnen.

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