Edathy gegen Hartmann, Ziercke und Oppermann – die Kinderporno-Affäre um den ehemaligen SPD-Abgeordneten ist nach einem Tag im Untersuchungssauschuss noch verworrener als zuvor. Wer wusste was und wann? Ein Überblick über die Streitpunkte.

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Der eine wirft dem anderen vor, alles gewusst zu haben – der Beschuldigte wiederum streitet die Vorwürfe ab: Die Affäre um Sebastian Edathy spitzt sich immer mehr zu einem Politkrimi zu. Mittlerweile geht es nicht mehr nur darum, wer wann von den Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten wusste und ihn gewarnt haben könnte. Stattdessen steht noch eine andere Frage im Raum: Wer lügt? Aber von Anfang an.

Am Donnerstag befasste sich der Untersuchungsausschuss des Bundestages mit der sogenannten Edathy-Affäre. Dem SPD-Politiker wird vorgeworfen, Kinderpornos im Internet gekauft zu haben. Die Vorwürfe kosteten nicht nur Edathy den Job, der im Februar 2014 sein Bundestagsmandat niederlegte. Eine Woche später trat auch Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zurück, da er im Oktober 2013 als Innenminister die SPD-Parteispitze über den Pornografie-Verdacht informiert hatte.

Edathy bekannte sich am Donnerstag dazu, Material nackter Jugendlicher erworben zu haben – aber Reue zeigte er nicht. "Es war sicherlich falsch, diese Filme zu bestellen, das will ich gerne einräumen. Aber es war legal", sagte er. Bekannt wurde der Fall, als Edathys Name auf der Liste eines kanadischen Porno-Händlers auftauchte.

Edathy betont, sein Fraktionskollege Hartmann habe ihn informiert

Dabei ist der Kinderporno-Verdacht nur eine Hälfte der Affäre. Vor allem fragte sich der Untersuchungsausschuss: Wer wusste was zu welchem Zeitpunkt? Schon Ende 2013 als die Vorwürfe gegen Edathy laut wurden – SPD und Union verhandelten gerade über eine Koalition –, tauchte bald ein Gerücht auf: Jemand könnte den Politiker gewarnt haben.

Und genau das sei auch geschehen, betonte Edathy am Donnerstag. Sein Fraktionskollege Michael Hartmann habe ihn informiert und auf dem Laufenden gehalten, wo sich seine Akte gerade befinde. Für Hartmann sei das nicht schwer gewesen, schließlich habe er seine Infos direkt vom damaligen Präsidenten des Bundeskriminalamts (und SPD-Mitglied) Jörg Ziercke bekommen, so Edathy. Als Beweis legte er zwölf Seiten mit SMS zwischen ihm und Hartmann vor. Auch eine eidesstattliche Versicherung gibt Edathy ab.

Es ist eine schwere Anschuldigung gegen Hartmann und Ziercke. Denn Strafvereitelung ist keine Bagatelle, das Gesetz sieht dafür eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor. Will sich Edathy rächen? Den Einwand jedenfalls wies er von sich.

Hartmann streitet Edathys Vorwürfe vehement ab

Ganz anders klang Hartmanns Version der Affäre. Im Ausschuss drehte der SPD-Politiker den Spieß um und griff Edathy selbst an. "Er hatte Alkoholprobleme", sagte Hartmann – sie seien nie befreundet gewesen. Die Vorwürfe stritt er ab: Nie habe er mit Edathy über den Kinderporno-Verdacht gesprochen, stets nur über den dessen Gesundheit. Zu den SMS blieb Hartmann vage, er könne sich an keine von ihnen erinnern. Und auch von BKA-Mann Ziercke habe er keine Infos erhalten.

Die Mitglieder im Ausschuss überzeugte das wenig. Besonders irritierte sie die Ansicht, dass Edathy auch keinen anderen Informanten gehabt habe. Denn zu diesem Thema hatte Hartmann geschwiegen, als der Innenausschuss des Bundestages – in dem er selbst Mitglied war – den Fall aufklären wollte. Seine Erklärung: Er habe nicht gedacht, damit weiterhelfen zu können. Am Ende des Tages stand Aussage gegen Aussage.

Welche Rolle spielt Fraktionschef Oppermann?

Aber Edathy belastet noch einen weiteren SPD-Politiker: Fraktionschef Thomas Oppermann. Der habe Hartmann im Dezember 2013 erläutert, wie ein möglicher Suizid Edathys zu kommentieren sei. Oppermann hingegen sagte dem "Spiegel", die Vorwürfe seien "völlig absurd". Ebenso wies er die Anschuldigung zurück, dass sein Büroleiter über den Fall informiert gewesen sei. "Ich habe mein Wissen über Edathy keinem meiner Mitarbeiter anvertraut."

Die Wirren der Affäre zerren bereits an der Glaubwürdigkeit der SPD. Zwar ist sich Oppermann sicher: "Ich bin auch in einem Jahr noch Fraktionschef." Für CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach allerdings belastet der Fall das Vertrauen, um in der Koalition zusammenzuarbeiten. "Dieses Vertrauen ist ein gutes Stück weit abhanden gekommen", sagte Bosbach dem "Deutschlandfunk". Sollte sich irgendwann bewahrheiten, dass SPD-Politiker tatsächlich Hinweise des BKAs erhielten und weiterleiteten, könnte es das Ansehen der Partei merklich erschüttern.

Um Schaden abzuwenden, sollte den Sozialdemokraten also besonders daran liegen, die gegenseitigen Angriffe ihrer Mitglieder schnell aufzuklären. Bis dahin lautet die Frage weiter: Wer lügt?

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