Die großen Sozialverbände haben sich enttäuscht von der Pflegereform gezeigt, die der Bundestag am Freitag verabschieden soll. Lobenswert sei zwar das Ziel, die häusliche Pflege zu stärken; das vorliegende Gesetz werde aber kaum zu einer spürbaren Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen beitragen - so der Tenor der am Donnerstag geäußerten Kritik. "Die Reform ist noch weit entfernt von einer echten Verbesserung", erklärte etwa die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele.

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Zwar sei das zuletzt noch in den Gesetzentwurf aufgenommene Modell eines Entlastungsbudgets für die Kurzzeit- und Verhinderungspflege richtig, erklärte Bentele. Generell sei die Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aber "eine Niete für die Nächstenpflege". Die Wartezeit zur Einführung des Entlastungsbudgets zum 1. Juli 2025 sei "viel zu lang".

Bentele beklagte zudem, dass mit der Reform immer noch kein Online-Portal für bundesweit freie Pflegeplätze eingeführt werde. Auch dass das Pflegegeld für die häusliche Pflege lediglich um 4,5 Prozent angehoben werde, sei "angesichts der hohen Inflation nicht richtig".

Der Sozialverband SoVD wies vor allem auf steigende finanzielle Belastungen für Beitragszahler hin. "Das Gesetz bringt vor allem eines: eine gepfefferte Beitragssatzanhebung", kritisierte SoVD-Chefin Michaela Engelmeier. "Die überfälligen kostenentlastenden Maßnahmen aus Steuermitteln bleiben aber aus." Rentnerinnen und Rentner treffe die Beitragserhöhung "besonders hart, denn sie müssen seit Jahren den vollen Beitragssatz zur Pflegeversicherung selbst tragen".

Auch die Krankenkassen äußerten sich enttäuscht. Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, erklärte: "Das Motiv, die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen in den eigenen vier Wänden zu stärken, ist grundsätzlich zu begrüßen." Die geplante Erhöhung des Pflegegelds um 4,5 Prozent reiche aber nicht aus. "So werden ambulante Pflegeleistungen sukzessive entwertet." Damit werde die Pflege- und Unterstützungsbereitschaft der pflegenden Angehörigen "aufs Spiel gesetzt".

Der Dachverband der Betriebskrankenkassen erklärte, die Reform bringe "leichte Verbesserungen für pflegende Angehörige und Pflegekräfte", von einer "nachhaltigen und stabilen Finanzierung der Pflegeversicherung" könne aber weiterhin keine Rede sein. Die Koalition müsse "die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die derzeit die Pflegeversicherung trägt, dauerhaft mit Steuermitteln unterstützen", forderte die Vorständin des BKK Dachverbands, Anne-Kathrin Klemm.

Der Bundestag stimmt am Freitag abschließend über eine Reform der Pflegeversicherung ab, die pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen entlasten soll. Menschen, die Pflegebedürftige zuhause betreuen, bekommen zum Jahreswechsel 4,5 Prozent mehr Pflegegeld. Ein so genanntes Entlastungsbudget soll zudem die häusliche Verhinderungs- und Kurzzeitpflege erleichtern. Der allgemeine Beitragssatz zur Pflegeversicherung soll am 1. Juli von 3,05 Prozent des Bruttolohns auf 3,4 Prozent steigen.  © AFP

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