Die Deutsche Marine übernimmt in der Ostsee für die nächsten vier Jahre eine Führungsrolle für die Nato. Dazu nahm in Rostock ein neues Hauptquartier offiziell seine Arbeit auf.
Angesichts der Spannungen mit Russland baut die Nato ihre Präsenz im Ostseeraum aus: Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) weihte am Montag das neue taktische Hauptquartier des Bündnisses in Rostock ein, von wo aus die Lage im Ostseeraum überwacht und die Marineaktivitäten der Verbündeten organisiert werden sollen. Die Sicherheit im Ostseeraum werde inzwischen "nahezu täglich durch Russland herausgefordert", sagte Pistorius.
Für die maritime Sicherheit und den Schutz der Nato-Ostflanke sei das Hauptquartier "von unschätzbarem Wert", sagte der Minister in Rostock. "Es führt in Frieden, Krise und Krieg die Operation von Seestreitkräften." Das Hauptquartier wird durch den deutschen Admiral Stephan Haisch geführt – für zunächst vier Jahre. Danach soll das Kommando mit Polen und Schweden rotieren.
Zudem baue Russland seine Ostsee-Exklave Kaliningrad zur "schwer bewaffneten Bastion" aus – "mit hunderten Raketen, die auf die Hauptstädte Europas gerichtet werden und diese auch erreichen können", warnte der Minister.
Pistorius: "Müssen sicherstellen, dass Putin damit nicht durchkommt"
Im Ostseeraum stehen sich die Nato und Russland, das die Nato zum Feind erklärt hat, unmittelbar gegenüber. Der Beitritt Schwedens und Finnlands zur Nato nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat das Gewicht des Bündnisses in der Region zum Ärger Russlands weiter erhöht. Regelmäßig kommt es hier zu Zwischenfällen.
Pistorius verwies in seiner Festrede in Rostock darauf, dass sich die "russische Aggression" unterschiedlich manifestiere – etwa in hybriden oder Cyber-Attacken. Derartige Angriffe sollten "die Trennlinie zwischen Krieg und Frieden verwischen", sagte er. "Sie zielen darauf ab, die europäische Sicherheit zu destabilisieren, das Vertrauen zu untergraben und Einfluss zu gewinnen."
"Wir müssen sicherstellen, dass Putin damit nicht durchkommt", sagte Pistorius mit Blick auf den russischen Präsidenten. "Wir müssen uns verteidigen und alles tun, um unsere Partner an der Ostflanke der Nato zu unterstützen."
Neben Deutschland sind nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums noch elf weitere Nationen personell am Hauptquartier "CTF Baltic" beteiligt: Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Lettland, Litauen, Niederlande, Polen und Schweden. Deutschland hatte das Kommando zum 1. Oktober übernommen.
Soldatinnen und Soldaten aus diesen und weiteren Partnerländern sollen laut Ministerium 60 multinationale Dienstposten von insgesamt 180 Posten im Hauptquartier in Friedenszeiten besetzen. Im Krisen- und Konfliktfall könne der Stab auf bis zu 240 Dienstposten aufwachsen.
Stationierung von ausländischen Truppen sorgt für Diskussionen
Die Präsenz der ausländischen Soldatinnen und Soldaten sorgte bereits im Vorfeld für Debatten, weil im sogenannten Zwei-plus-vier-Vertrag, mit dem 1990 die deutsche Vereinigung international besiegelt wurde, die Stationierung von "Streitkräften anderer Staaten" auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ausgeschlossen wird.
Die Linkspartei griff diesen Punkt am Montag auf: Der Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag, Sören Pellmann, erklärte: "Alle Verantwortungsträger sind aufgerufen, sich an die Festlegungen des Zwei-plus-vier-Vertrags zu halten, wonach weder atomwaffenfähige Raketen noch ausländische Truppen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stationiert werden dürfen."
Pistorius betonte in Rostock, bei der Nato-Einrichtung handle es sich im Kern um ein "deutsches Hauptquartier, an dem sich Partner beteiligen". Mit der Übernahme des Kommandos zeige Deutschland seine Verantwortung als eine führende Nation in der Ostsee, sagte er weiter.
Die Ostsee sei "ein wichtiger Korridor für den Handel, die militärische Mobilität und die Energiesicherheit", sagte Pistorius. Sie sei ein "strategisches Gebiet von großer geopolitischer Bedeutung" und stehe "an vorderster Stelle in unserer kollektiven Verteidigung gegen aufkommende Bedrohungen". (dpa/afp/bearbeitet von thp) © AFP
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