Das Sicherheitspaket, über das am Freitag im Bundestag abgestimmt werden soll, sorgt in den Fraktionen von SPD und Grünen für Unruhe. Wackelt die Mehrheit? Die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen geben sich entspannt.
Eine Drohung hat Katja Mast in den Worten des Bundeskanzlers während der Fraktionssitzung der SPD nicht wahrgenommen. Das macht die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion in einem Pressegespräch deutlich. Vorangegangen waren Medienberichte, Kanzler
Konkret geht es um das sogenannte Sicherheitspaket, das am Freitag im Bundestag beschlossen werden soll. Zumindest, wenn es nach dem Willen der Regierung geht.
Wie der "Spiegel" zuerst berichtete, soll das Gesetz innerhalb der Fraktion der Sozialdemokraten für Furore gesorgt haben. Bundeskanzler Scholz ermahnte die eigenen Abgeordneten mit deutlichen Worten zur Zustimmung. Notfalls, so berichten es demnach Abgeordnete, werde der Kanzler "von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen", wenn die eigene Mehrheit der Koalition in Gefahr gerät. Manch einer will darin die Drohung verstanden haben, der Kanzler könnte die Vertrauensfrage stellen, falls seine Fraktion nicht spurt.
SPD-Generalsekretär weist Spekulationen um Vertrauensfrage zurück
Ein Eindruck, den der designierte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch in der ARD-Sendung "Maischberger" entschieden zurückwies. Auch im Umfeld des Kanzlers hieß es, eine solche Interpretation sei "etwas übertrieben“. Scholz habe eher an die Fraktionsregel erinnern wollen, dass man intern diskutiere und dann geschlossen abstimme für das, was die Mehrheit wolle.
So ordnet es auch Katja Mast ein. Scholz habe vielmehr das Sicherheitspaket in die gesamte Migrationspolitik der Regierung eingeordnet: Mit dem neuen Einwanderungsrecht hat es die Ampel Fachkräften aus dem Ausland einfacher gemacht, in Deutschland anzukommen – auf der anderen Seite müsse irreguläre Migration besser gesteuert werden. "Der Bundeskanzler hat deutlich gemacht, dass wir als SPD-Fraktion gemeinsam stehen und handeln."
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin spricht im Zusammenhang mit der Fraktionssitzung von einer "lebhaften Debatte". Sie stellt außerdem klar: Die Anzahl derer, die in einer Probeabstimmung gegen das Gesetz gestimmt hätten, sei überschaubar gewesen.
Der reguläre Ablauf sieht vor, dass sich Genossen, die entgegen dem Beschluss der Fraktion nicht für das Gesetz stimmen wollen, vorher Mast über ihre Entscheidung informieren. Bislang hätte sich niemand bei ihr gemeldet, sagt sie.
Jusos werben bei Abgeordneten für Ablehnung
Die Ampel-Fraktionen hatten zwar das Sicherheitspaket bereits überarbeitet und wesentliche Punkte entschärft. Dennoch schrieben die Jusos alle SPD-Abgeordneten an und warben für eine Ablehnung. "Vor allem die weiterhin vorgesehenen Kürzungen von Sozialleistungen unter dem Existenzminimum für bestimmte Schutzsuchende sind weiterhin abzulehnen. Eine 'Brot, Bett und Seife'-Politik ist eine Politik gegen die Menschenwürde und darf nicht durch Sozialdemokrat*innen beschlossen werden", heißt es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Schreiben. Auch Sozialdemokraten von der Parteibasis hatten sich bereits in einem offenen Brief gegen das Vorhaben gewandt.
Juso-Chef Philipp Türmer warf Kanzler Scholz vor, seine Kritiker unter Druck zu setzen. "Ich hoffe, dass sich niemand, der gegen das Paket stimmen will, davon einschüchtern lässt, und kann nur allen sagen: Lasst euch nicht unterkriegen", sagte er dem Magazin "Stern". Er sei froh, dass es in der Fraktion Widerstand gegen dieses Paket gebe. "Das Paket geht in die völlig falsche Richtung."
Grüne rechnen mit großer Mehrheit
Auch in der Fraktion der Grünen sorgt das geplante Gesetz für Unruhe. Die Partei hat bisher alle Asylrechtsverschärfungen der Koalition mitgetragen – allerdings sind manche Aspekte des Sicherheitspakets gerade für den linken Flügel schwer zu verdauen.
Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, gab sich am Mittwoch trotzdem gelassen. Man sei "sehr froh“, dass das Sicherheitspaket in dieser Woche verabschiedet werden kann. Bei der SPD-Fraktionssitzung sei sie natürlich dabei gewesen. Allerdings könne sie sagen: "Ganz so hoch her ging es bei uns nicht.“
Die Grünen verweisen unter anderem auf letzte Änderungen am Paket. Sachverständige hatten bei einer Anhörung auf Stellen im Gesetz hingewiesen, die gegen das Grundgesetz oder europäische Regeln verstoßen könnten. Diese Stellen habe man ausgeräumt. Mihalic räumt ein, dass es auch manche Mitglieder ihrer Fraktion Bauchschmerzen haben. Trotzdem sagt sie zur Abstimmung am Freitag voraus: "Eine übergroße Mehrheit wird dem Sicherheitspaket zustimmen, weil wir viel erreicht haben.“
Wenig turbulent ging es wohl bei den Liberalen zu, die Fraktion hat sich am Dienstag für das Maßnahmenpaket ausgesprochen – und sich darüber hinaus offen für weitere Maßnahmen gezeigt, die den Zuzug von Menschen begrenzen sollen.
Am Freitag wird über das Gesetz im Bundestag namentlich abgestimmt, die Mehrheit dürfte kaum gefährdet sein.
Verwendete Quellen
- Besuch der Pressegespräche von Katja Mast und Irene Mihalic
- dpa
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