Der Attentäter von Halle war ein Videospiel-Junkie. Horst Seehofer will deshalb die "Gamerszene" genauer beobachten, weil er dort viele potenzielle Täter vermutet. Die Kritik folgt prompt.

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Nach dem Terroranschlag von Halle hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit Äußerungen zu Computerspiel-Plattformen im Internet eine Kontroverse in sozialen Medien ausgelöst. "Das Problem ist sehr hoch. Viele von den Tätern oder den potenziellen Tätern kommen aus der Gamerszene", sagte er der ARD. Die Sendung "Bericht aus Berlin" verbreitete einen entsprechenden Auszug aus einem Video-Interview mit dem Minister per Twitter.

Der rechtsextremistische Attentäter von Halle hat vor der Tat einen Ablaufplan veröffentlicht, der wie eine verschriftlichte Version eines Computerspiels wirkt. Nach Einschätzung von Sicherheitsbehörden nutzen Extremisten unterschiedlicher Couleur auch Gaming-Plattformen. Da der Austausch oft ohne Moderation erfolgt, bieten sich einige dieser Foren für Kommunikation unterhalb des Radars der Behörden an.

"Manche nehmen sich Simulationen geradezu zum Vorbild", sagte Seehofer. "Man muss genau hinschauen, ob es noch ein Computerspiel ist, eine Simulation oder eine verdeckte Planung für einen Anschlag. Und deshalb müssen wir die Gamerszene stärker in den Blick nehmen."

Bundesinnenministerium will Zugang zu verschlüsselten Messenger-Diensten

Neben dem Zugang zu verschlüsselten Messenger-Diensten wie Telegram oder Signal hat das Bundesinnenministerium bei seinen Überlegungen für eine Reform des Verfassungsschutzgesetzes auch diese Foren im Blick. Der Entwurf für die Gesetzesnovelle ist aktuell noch Gegenstand von Diskussionen zwischen dem Innenressort und dem Justizministerium, das eine Ausweitung der Befugnisse mit einem Mehr an parlamentarischer Kontrolle verbinden will.

Täter von Halle gesteht rechtsextremistisches Motiv

Der Todesschütze von Halle hat die Tat gestanden und auch ein rechtsextremistisches, antisemitisches Motiv bestätigt. Wie die dpa erfuhr, sagte der 27-Jährige beim Ermittlungsrichter des BGH ausführlich aus. © ProSiebenSat.1

Kritik an Seehofer: Ablenkung vom Rechtsextremismus

Der Interview-Auszug löste auf Twitter Spott und Kritik aus. Nutzer schrieben, Seehofer lenke mit seiner Wortmeldung vom Problem des Rechtsextremismus ab und stelle Gamer unter Generalverdacht. "Die Neunzigerjahre haben angerufen und wollen ihre Killerspiel-Debatte zurück. Ernsthaft: Digitaler Rechtsextremismus ist ein riesen Problem", kommentierte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Vielmehr gehe es um die Kommunikation auf bestimmten Plattformen.

Der Autor Mario Sixtus stimmte auf Twitter zu, dass man über Gamer reden müsse, die rechte Attentäter feierten. Er schrieb aber: "Wenn ausgerechnet dieser Innenminister den Fokus auf die Gamerszene lenken will, ist es mindestens naheliegend, anzunehmen, er tut das, um die Rechtsextremen auf der Straße und in den Salons weiterhin genauso totschweigen zu können wie bisher."

Künast: "In Ruhe auf das Problem schauen"

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast mahnte zur Besonnenheit: "Wir sollten mal in Ruhe auf das Problem schauen. Und genau hin sehen. Und uns nicht über das Wort Gamerszene von Seehofer in die Irre leiten lassen. Um die geht es nämlich nicht."

Felix Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Game, erklärte: "Eigentlich müsste jedem längst klar sein: So wenig wie man Filme oder Bücher für Hass und Gewalt verantwortlich machen kann, so wenig sind Games und ihre Community hierfür die Ursache. Stattdessen haben wir in Deutschland ein beängstigendes Problem mit Rechtsextremismus." (dpa/sap)

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