- In Schleswig-Holstein bilden CDU und Grüne wie in NRW die neue Landesregierung.
- Daniel Günther (CDU) soll am Mittwoch erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden.
- Manche Entscheidungen von Schwarz-Grün sorgen schon jetzt für Kritik.
Was hat Justiz mit Gesundheit zu tun? Auf den ersten Blick nicht so viel – trotzdem sind in der künftigen schwarz-grünen Landesregierung von Schleswig-Holstein beide Bereiche in einem Ministerium angesiedelt. Das sorgte in der Opposition für Verwunderung, die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli beispielsweise nannte es "gänzlich absurd".
"Gerade in der Coronakrise hat sich gezeigt, dass es wichtig ist, auch entsprechende juristische Expertise zu haben", erklärte Max Schmachtenberg, Pressesprecher und stellvertretender Landesgeschäftsführer der CDU, laut des Fachportals "Apotheke Adhoc". Der Hintergrund der Ministeriumsaufteilung ist dem Bericht zufolge, dass die Partei unbedingt die Zuständigkeit für Gesundheit wollte. "Im Ressort Landwirtschaft hätte das nicht so gut gepasst", sagte Schmachtenberg.
In genau diesem Ministerium gibt es eine weitere umstrittene Entscheidung: Landwirtschaft und Umwelt werden wieder getrennt. "Die CDU hatte nach ihrem klaren Sieg (...) auf Druck aus der konservativen Bauernschaft Anspruch auf das Agrarressort erhoben und durchgesetzt", berichtete der Norddeutsche Rundfunk (NDR) am Montag. Die Handhabe aus einer Behörde heraus gilt aufgrund der vielen Berührungspunkte zwischen beiden Feldern als effektiver. Den Vorgang kritisierten deshalb sogar der Arbeitgeberverband UVNord sowie der zukünftige Minister Werner Schwarz selbst – vor seiner Ernennung.
Trennung von Umwelt und Landwirtschaft sorgt für Unmut
Dessen Berufung an sich ist aufgrund seiner bisherigen Rolle ein zusätzlicher Aspekt, der für Aufsehen sorgt. Schwarz war seit 2008 nämlich Präsident des schleswig-holsteinischen Bauernverbands und seit einem Jahrzehnt zusätzlich Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands – also der offiziellen Lobbyorganisation der konventionellen Landwirtschaft. Diese steht in den vergangenen Jahren wegen ihrer Nähe vor allem zur Union immer wieder in der Kritik. Ex-Bauernpräsident Johannes Röring saß beispielsweise 16 Jahre lang für die CDU im Bundestag und zählte zu den Abgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften.
Der potenzielle Interessenkonflikt scheint dem zukünftigen Minister bewusst zu sein, der NDR zitierte ihn wie folgt: "Ich bin jetzt auf der anderen Seite. Ich bin dem Parlament verpflichtet und ich glaube, das werden meine Berufskollegen – die im Bauernverband organisiert sind – durchaus verstehen. Aber es wird eine Herausforderung." Dass Schwarz, der der Cousin der alten und neuen Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) ist, Teil des Kabinetts wird, sorgte auch auf dem Landesparteitag der Grünen für Skepsis.
Klimaschutz: Pläne von CDU und Grünen seien nicht ausreichend
Überhaupt scheint die Partei mit Blick auf ihr Kernanliegen Klimaschutz nicht wirklich begeistert von dem am Dienstag unterzeichneten Koalitionsvertrag – obgleich ihn Monika Heinold, die Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin bleibt, als "nicht nur grün (...), sondern vor allem auch gut (...) für Schleswig-Holstein" bezeichnete. Aminata Touré, die Landtagspräsidentin war und Sozialministerin wird, sagte etwa, sie wolle nicht schönreden, dass der Vertrag ein Bekenntnis zum Weiterbau der A20 enthalte. Dem würden aber fünf Jahre gegenüberstehen, in denen die Grünen mitgestalten dürften.
Gegen die Autobahn gibt es Protest, zudem ist ein Verfahren dazu vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig. Der Landesverband der Grünen Jugend bemängelte, die schwarz-grünen Pläne insgesamt würden nicht für das Erreichen der Klimaschutzziele reichen. Touré verwies darauf, dass die Alternative zu der Koalition gewesen sei, dass die CDU mit einer anderen Partei reagiert.
Kritik an Generalklausel gegen bestimmte Bürgerbegehren
Kritik an ganz anderer Stelle kam von der Organisation "Mehr Demokratie", die sich für mehr Mitbestimmung einsetzt. Der Koalitionsvertrag von Schwarz-Grün entmündige die Bürger, hieß es in einer vergangene Woche veröffentlichten Mitteilung. Es geht um eine sogenannte Generalklausel im Abschnitt über "Wohnen, Kommunales, ländliche Räume und Stadtentwicklung".
Diese besagt, ein Bürgerbegehren finde "nicht statt über Entscheidungen in Selbstverwaltungsaufgaben, die nach Feststellung der Landesregierung unverzichtbare Voraussetzung für Infrastruktur- oder Investitionsvorhaben von landes- oder bundesweiter Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Gütern oder Dienstleistungen sind oder Projekte, die der Erreichung der Klimaziele der Landesregierung dienen."
Daniel Günther soll wieder Ministerpräsident von Schleswig-Holstein werden
Eine solche Feststellung der Landesregierung könne auf Antrag einer obersten Landesbehörde für eine einzelne Gemeinde oder mehrere Gemeinden getroffen werden, heißt es. Laut Schätzung von "Mehr Demokratie" würde eine Umsetzung der Klausel "80 bis 90 Prozent aller Bürgerbegehren verhindern und Schleswig-Holstein bei der aktiven Bürgerbeteiligung um 40 Jahre zurückwerfen".
Trotz aller Kritik stimmte ein Landesparteitag der CDU bei drei Enthaltungen einstimmig für den Koalitionsvertrag, auf der entsprechenden Veranstaltung der Grünen gab es unter gut 120 Delegierten nur vier Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen. Am Mittwoch soll
Verwendete Quellen:
- Koalitionsvertrag für die 20. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages (2022-2027)
- Deutsche Presse-Agentur (dpa): CDU und Grüne im Norden stimmen Koalitionsvertrag zu
- NDR.de: CDU-Parteitag: Claus Ruhe Madsen und Werner Schwarz werden Minister; Grünen-Parteitag: Delegierte stimmen für Koalitionsvertrag mit CDU; So reagieren Opposition und Verbände auf den Koalitionsvertrag
- Mehr-Demokratie.de: Kiel: Neuer Koalitionsvertrag entmündigt Bürger
- Apotheke-Adhoc.de: Schleswig-Holstein schafft Ministerium für Gesundheit und Justiz
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