Bei der Berlinale formulieren Künstler Kritik an Israel – allerdings ohne die Angriffe der Hamas zu verurteilen. Das sorgt für empörte Reaktionen. Auch der Bundeskanzler kritisiert die "einseitige Positionierung" bei der Kulturveranstaltung.
Bundeskanzler
Es sei in jeder Debatte zu diesem Thema wichtig, im Auge zu behalten, was diese erneute Eskalation des Konflikts ausgelöst habe - nämlich der Überfall der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023.
Auch Kulturstaatsministerin
Es solle untersucht werden, wie die Berlinale ihrem Anspruch, ein Ort für Vielfalt, unterschiedliche Perspektiven und Dialog zu sein, gerecht geworden sei oder nicht. Dabei will Roth auch klären, "wie zukünftig sichergestellt werden kann, dass die Berlinale ein Ort ist, der frei ist von Hass, Hetze, Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form von Menschenfeindlichkeit".
Empörung über Genozid-Äußerung
Während der Gala am Samstagabend war der Nahostkonflikt mehrfach thematisiert worden. Zahlreiche Mitglieder aus Jurys sowie Preisträgerinnen und Preisträger forderten verbal oder mit Ansteckern einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg. Der US-amerikanische Regisseur Ben Russell sprach am Ende seiner Dankesrede für eine Auszeichnung von einem Genozid, einem Völkermord. Die Äußerungen stießen anschließend auf Kritik und Empörung.
"Die Statements bei der Bärenverleihung der Berlinale am Samstagabend waren erschreckend einseitig und von einem tiefgehenden Israel-Hass geprägt", sagte Roth. "Es ist nicht akzeptabel, wenn an einem solchen Abend von den internationalen Filmschaffenden nicht der bestialische Terrorangriff der Hamas auf über tausend friedlich lebende und auch bei einem Festival feiernde Menschen und deren grausame Ermordung angesprochen wird und auch kein Wort zu den noch mehr als 130 Geiseln verloren wird, die immer noch in der Gewalt der Hamas sind."
Auch die menschenverachtende Strategie der Hamas, die für das Leid der Zivilbevölkerung im Gaza mitverantwortlich ist, sei nicht benannt worden. "So bei einem internationalen Filmfestival aufzutreten, hilft niemandem, ganz bestimmt auch nicht der Zivilbevölkerung im Gaza." Die Terrorattacke der Hamas und das Leid der Geiseln sei nur von der Festivalchefin Mariette Rissenbeek klar und deutlich angesprochen worden. "Das reicht aber nicht", sagte Roth.
Roth betont die künstlerische Freiheit der Berlinale
Sie habe die Berlinale im Vorfeld darauf hingewiesen, wie notwendig es sei, dass sich die Berlinale auf diese schwierige Situation vorbereite. Das Festival habe darauf reagiert. Unabhängig davon kündigte Roth ein Gespräch ihres Hauses mit dem scheidenden Leitungsduo aus Rissenbeek und Carlo Chatrian an.
Zudem ist Roth nach eigenen Angaben im Gespräch mit der künftigen Intendantin Tricia Tuttle, die im April ins Amt kommt. "Wir werden gemeinsam mit ihr die nötigen Schlüsse aus der Aufarbeitung dieser Berlinale ziehen", sagte Roth. "Dabei betone ich aber ganz klar, dass an der künstlerischen Freiheit und Unabhängigkeit der Berlinale nicht gerüttelt werden darf. Entsprechende Forderungen weise ich deutlich zurück. Allerdings geht diese kuratorische Freiheit auch mit einer großen Verantwortung einher."
CSU greift Roth an
Aus den Reihen der CSU wurde derweil Kritik an Roth laut. Schon bei der Kunstausstellung documenta in Kassel habe es im vergangenen Jahr ein "Totalversagen bei dem Thema" gegeben, sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder am Montag in München. "Antisemitismus in der Form in der Kultur ist für uns erschreckend."
Die CSU-Politikerin Dorothee Bär, Vizin der Unionsfraktion im Bundestag, sagte der "Welt": "Unter dieser Kulturstaatsministerin löst ein Antisemitismus-Skandal den nächsten ab. Zuerst die documenta, dann das dröhnende Schweigen der Kultur nach dem 7. Oktober 2023, jetzt die Berlinale. Es ist unerträglich, dass eines der größten Filmfestivals weltweit ausgerechnet in der deutschen Hauptstadt als Anti-Israel-Festival instrumentalisiert wird."
Nach der documenta habe man gedacht, es sei nur ein Einzelfall gewesen, nun zeige sich, "offenkundig ist ein gewisses System dahinter", betonte Söder. "Denn wenn auf offener Bühne so eine Form von Antisemitismus stattfindet und es keine Reaktion gibt, insbesondere von der zuständigen verantwortlichen Ministerin oder Staatsministerin, dann ist das ein schweres, ein schweres Moment. Das muss geklärt werden." (dpa/thp)
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