Der König ist tot, es lebe der König: Nach dem Tod von Abdullah besteigt sein Bruder Salman den Thron Saudi-Arabiens. Das Königreich gilt als einer der verlässlichsten Partner des Westens im Nahen und Mittleren Osten - obwohl es ein Land der Gegensätze ist.

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Die Nachricht war noch keine Stunde alt, da kursierten schon die ersten Archivbilder im Netz: König Abdullah schüttelt die Hand von Irans launigem Ex-Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, König Abdullah scherzt mit amerikanischen Politikern, König Abdullah lächelt mit Syriens Diktator Baschar al-Assad in die Kamera.

Es sind alltägliche Fotos aus dem Leben von Saudi-Arabiens König, der in der Nacht zum Freitag starb. Doch es sind auch Fotos, die zeigen: Der König hinterlässt ein Land der Gegensätze.

Die USA vertrauen seit Jahrzehnten auf Saudi-Arabien als engen Verbündeten, Deutschland exportiert fleißig Waffen in den Wüstenstaat - obwohl er Menschenrechte und Meinungsfreiheit mit Füßen tritt. Hinrichtung per Schwert, kaum Rechte für Frauen – die Liste ließe sich lange fortsetzen. Und doch schweigt der Westen.

Saudi-Arabien ist bekannt für ruhige Thronfolgen

Denn für viele ist Saudi-Arabien ein Hort der Stabilität – zumal in Zeiten, in denen das bekannte Staatengebilde des Nahen Ostens zu zerbröckeln droht. Das hat zuvorderst mit dem Staatssystem zu tun: Als absolute Monarchie übertrug Riad bisher stets geräuschlos und ohne Verwerfungen die Macht auf den Thronfolger.

Dabei tauchten bei jeder Krankheit, bei jedem Tod stets die gleichen Fragen auf, schreibt Nahost-Forscher Anthony Cordesman: "Ob Saudi-Arabien eine gewaltige politische Krise bekommt, die königliche Familie sich selbst zerstört oder Dschihadisten das Land irgendwie übernehmen." Nichts davon ist bisher passiert.

Auch diesmal sieht es wieder nach einem ruhigen Übergang aus. Der neue König heißt Salman und ist Sohn des Staatsgründers Ibn Saud, 2012 hatte ihn Abdullah zu seinem Nachfolger ernannt. Er ist 79 Jahre alt und steht damit seinem Vorgänger in nichts nach – Abdullah selbst hatte den Thron 2005 als 80-Jähriger übernommen. In Saudi-Arabien hat es Tradition, die Macht von Bruder zu Bruder zu reichen, anstatt sie auf den eigenen Sohn zu übertragen. Salman ist einer von sieben Brüdern, die Landesvater Ibn Saud mit seiner Lieblingsfrau Hassa al-Sudairi zeugte.

Königshaus will Macht um jeden Preis sichern

Die genannten Brüder machen nur einen winzigen Teil der riesigen Saud-Dynastie aus. Die Geschichte der Dynastie reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück, heute sollen ihr etwa 3.000 bis 6.000 Prinzen angehören, wie Udo Steinbach im Interview mit unserem Portal sagte. Allein Staatsgründer Ibn Saud hatte 43 Söhne. Viele Familienmitglieder wohnen in Marmorpalästen, besitzen Dutzende Ferraris und Lamborghinis oder haben gleich ihren eigenen Privatjet. So belegt etwa Prinz Walid Bin Talal den 35. Platz auf der Forbes-Liste der Superreichen. Sein Vermögen: rund 21,2 Milliarden US-Dollar.

Wie viele Männer genau im inneren Machtzirkel das Sagen haben, ist umstritten. Doch nach Innen sowie nach Außen sprach Saudi-Arabien in den vergangenen Jahren immer mit einer Stimme - vor allem weil sich das Königreich innere Zerrissenheit kaum erlauben darf.

Wie viele absolute Regime ist sie darauf bedacht, die eigene Macht zu sichern – und die seiner Verbündeten. Mit Argusaugen beobachtete Riad deshalb den Arabischen Frühling der vergangenen Jahre in den Nachbarstaaten. Als die Proteste im Frühjahr 2011 Bahrain erfassten, schickten die Saudis Panzer und Soldaten, um den Aufstand niederzuschlagen. Auch im eigenen Land verbot das Königshaus Demonstrationen und griff hart durch.

Turbulente Zeiten für Saudi-Arabien

Aber es setzte noch auf eine zweite Rechnung: Geld gleich Wohlstand gleich Ruhe im Volk. Dank sprudelnder Erdöl-Einnahmen – Saudi Arabien ist einer der größten Exporteure der Welt – erkaufte sich Riad mit Milliarden die Gunst der Bevölkerung und konnte sich den Protestwellen damit besser als andere Staaten der Region entziehen.

Doch der Ölreichtum ist gefährdet. Denn Saudi-Arabien braucht einen Ölpreis von etwa 80 US-Dollar pro Fass, um seinen Haushalt stabil zu halten – wovon die aktuellen Preise von 50 und weniger Dollar weit entfernt sind. Riad hofft darauf, dass sich aufgrund der Erdölschwemme etwa das Fracking in den USA irgendwann weniger lohnt und die Förderung gedrosselt wird. Doch wann und ob es soweit kommt, gleicht einem Blick in die Glaskugel.

Als ob das nicht genug wäre, wütet seit dem vergangenen Jahr noch der Islamische Staat (IS) nördlich des Landes. Die Terrormiliz will nationale Grenzen sprengen, ihr Kalifat ausdehnen – und dabei auch vor Saudi-Arabien nicht Halt machen, so die Lesart des Königshauses. Rund drei Viertel der Bevölkerung sind Wahhabiten, eine sunnitische Strömung des Islams. Zwar stehen auch sie für eine strenge Auslegung des Korans, fühlen sich jedoch vom IS-Terror bedroht.

Riad ist Teil der von der USA angeführten Allianz gegen den IS, die saudische Luftwaffe beteiligt sich an den Luftangriffen. Dieses Engagement würdigten viele Nachrufe auf König Abdullah und beschrieben ihn als vorsichtigen Reformer, der das Land durch unruhige Zeiten führte. Für Salman aber dürfte es kaum weniger turbulent werden.

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