Seit Wochen sind russische Freiwillige in den Regionen Kursk und Belgorod aktiv und kämpfen gegen Putins Soldaten. Der ukrainische Sicherheitsgeheimdienst GUR unterstützt sie dabei. Doch das könnte negative Folgen haben – sowohl in Bezug auf westliche Waffenlieferungen als auch für das Image der Ukraine.

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Noch immer sind pro-ukrainische russische Partisanengruppen in den Regionen Belgorod und Kursk aktiv. Noch immer kämpfen sie gegen russische Soldaten – und noch immer werden Zivilisten aus den betroffenen Gebieten evakuiert. Der ukrainische Sicherheitsgeheimdienst GUR hatte kürzlich bekannt gegeben, die Gruppen bei ihren Aktivitäten zu unterstützen. Tatsächlich könnte dies für die Ukraine problematisch werden.

Die Gruppen, die sich auf russischem Boden militärisch bewegen, sind die "Legion Freiheit Russlands", das "Russische Freiwilligenkorps" und das "Sibirische Bataillon". Zwei dieser drei Gruppen gehören zum internationalen Freiwilligenkorps der Ukraine und sind somit Teil des ukrainischen Militärs. Öffentlich präsentieren sich diese Gruppen momentan als Freiheitskämpfer und Verfechter von Demokratie und Menschenwürde. Während der Kämpfe in Russland sprechen sie sich beispielsweise offen dafür aus, dass russische Truppen und Behörden die Zivilbevölkerung aktiv schützen sollten.

Erst kürzlich postete die "Legion Freiheit Russlands" auf ihrem offiziellen Telegramkanal, dass sie die andauernden Evakuierungsmaßnahmen der russischen Behörden begrüßten und forderten, dass diese beschleunigt würden, um Zivilisten zu schützen. Gleichzeitig jedoch gefährdeten Putins Truppen die Zivilbevölkerung, weil sie Einheiten in Wohngebieten stationierten. "Hört auf, Menschen als Schutzschilde zu benutzen!", heißt es auf Telegram.

Doch wie steht es politisch um diese Freiheitskämpfer?

Die "Legion Freiheit Russlands"

Gegründet hatte sich die "Legion Freiheit Russlands" kurz nach der Invasion Russlands in die Ukraine. Russische Freiwillige stellten sich auf die Seite des angegriffenen Landes und kämpften auch auf ukrainischem Boden gegen Kreml-Soldaten – etwa in der Schlacht um Bachmut. Nach außen wird sie durch Alexej Baranowskij vertreten, der sich selbst als "rechten Nationalisten" bezeichnet. Bis 2011 war Baranowskij Ausbilder in der ultranationalistisch-monarchistischen Russischen Reichsbewegung, deren Ziel es ist, das Zarenreich wieder aufzubauen. In den 2010er-Jahren bildete der Legionär zudem Rechtsextremisten aus ganz Europa und Nordamerika in St. Petersburg aus.

Ausgebildet wurden die Kämpfer der Legion von ukrainischen Streitkräften, denn die Gruppe ist Teil des internationalen Freiwilligenkorps innerhalb der ukrainischen Armee. In Russland selbst gilt die Legion mittlerweile als terroristische Vereinigung – was im internationalen Kontext nicht viel zu bedeuten hat, innerhalb Russlands aber für Propagandazwecke genutzt wird.

Russisches Freiwilligenkorps

Das "Russische Freiwilligenkorps" wurde von dem Deutsch-Russen Denis Kapustin, der auch unter dem Alias Denis Nikitin auftritt, gegründet. Dieser hat sich innerhalb Europas und Russlands als bekennender Neonazi einen Namen gemacht. In der internationalen Nazi-Szene gut vernetzt, hat er auch die rechte Bekleidungsmarke White Rex gegründet. Diese organisiert zudem Kampfsportturniere und hat es sich zum Ziel gesetzt, dass die "weißen Völker Europas" ihren Kampfgeist wiederentdecken. Neben Kapustin zeigen noch weitere Mitglieder des Freiwilligenkorps öffentlich ihre Neonazi-Ansichten und hissten auch während des ersten Einmarschs in die Region Belgorod im Jahr 2023 Flaggen mit SS-Runen und weiteren nationalsozialistischen Symbolen.

Alexej Lewkin etwa ist der wohl bekannteste Neonazi Russlands. Er gründete die sogenannte Wotanjugend, die Schießübungen und Rasselehre-Workshops für Neonazis aus Europa und Nordamerika anbietet. Lewkin verehrt Adolf Hitler und weitere Rechtsterroristen wie etwa Anders Breivik (heute Fjotolf Hansen), der als islamfeindlicher Massenmörder in die Geschichte Norwegens einging. 2011 verübte er Anschläge in Oslo und auf der Insel Utøya, bei denen 77 Menschen ums Leben kamen.

Das "Sibirische Bataillon"

Viel ist nicht über die politischen Ansichten des "Sibirischen Bataillons" bekannt. Die Gruppe hat sich vor etwa sechs Monaten gegründet. Unter den freiwilligen Kämpfern befinden sich auch Mitglieder indigener Völker wie Jakuten und Burjaten. Ihr Ziel ist es, die Unabhängigkeit ihrer Gebiete in Ostsibirien von Russland zu erlangen. Den Einsatz an der Seite der Ukraine sehen sie als einen Schritt in diese Richtung.

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Ukraine unterstützt Angriffe auf russischem Boden

Diese drei Gruppen werden nun also von der Ukraine unterstützt. Und grundsätzlich hat die Ukraine das Recht, zur eigenen Verteidigung auch Ziele auf russischem Boden anzugreifen. Das machten bereits mehrere westliche Politiker, etwa der britische Außenminister James Cleverly, vor längerem deutlich. Als es Ende Mai 2023 Drohnenangriffe auf Moskau gegeben hatte, sagte der konservative Politiker, er wolle nicht über die Angriffe spekulieren, aber es sei Teil des ukrainischen Rechts auf Selbstverteidigung, über das eigene Territorium hinaus anzugreifen, um Russlands Fähigkeiten auf ukrainischem Gebiet zu vermindern.

Mit der Unterstützung der Partisanen könnte die Ukraine genau das bezwecken. Kirill Budanow, der Leiter des GUR, sagte am 16. März in einer ukrainischen Nachrichtensendung: "Die russischen Freiwilligen haben uns von Anfang an geholfen, jetzt werden wir versuchen, ihnen zu helfen. Wir werden versuchen, ihnen zu helfen, so gut wir können." Für die Außenwirkung könnte dies allerdings problematisch sein.

Insbesondere wegen der Nähe zum Nationalsozialismus sind die Gruppen "Legion Freiheit Russlands" und "Russisches Freiwilligenkorps" ein heißes Eisen. Denn: Mit der Unterstützung kippt die Ukraine weiter Öl ins Feuer der russischen Propaganda. Einer der von Präsident Wladimir Putin aufgeführten Gründe, 2022 in die Ukraine einzumarschieren, war es, dass er das Land angeblich von Nazis befreien müsse.

Kampf um Image der Asow-Brigade

Schon damals hatte die Ukraine Probleme damit, das Image ihrer Eliteeinheit, der Asow-Brigade, zu bereinigen. Diese Einheit hatte sich 2014 als Bataillon gegründet und war damals von rechtsextremen Nationalisten angeführt worden. Erst als die Gruppe unter dem Dach des ukrainischen Verteidigungsministeriums kämpfte, konnten nach und nach diese Strukturen aufgebrochen werden. Doch noch immer verbreitet sich das Narrativ, die Ukraine und ihre Soldaten seien faschistisch.

Und das nicht bloß in Russland selbst. Auch in weiten Teilen der westlichen Welt haben Menschen Probleme damit, den demokratischen Grundwerten des Großteils der ukrainischen Bevölkerung Glauben zu schenken. Nicht zuletzt, weil russische Propaganda durch die Unterwanderung von Social Media und verschiedenen Nachrichtensendern eben genau solche Erzählungen verbreitet.

Die Unterstützung der freiwilligen russischen Kämpfer, die genau dieses Narrativ bedienen, ist demnach mehr als nur problematisch.

Waffen aus dem Westen in Russland?

Zusätzlich dazu könnte der Ukraine die Unterstützung der russischen Partisanen noch aus einem anderen Grund auf die Füße fallen – wegen deren Waffen. Das könnte zu einem noch zögerlicheren Verhalten der westlichen Partner bei militärischen Hilfen führen. Voraussetzung des Westens hierbei war es nämlich, dass die gesendeten Waffen nicht für Angriffe auf russischem Boden eingesetzt werden. Bereits 2023, beim ersten Einmarsch russischer Partisanen, war ein Video auf Telegram geteilt worden, das aber genau das zeigte.

Damals hatte die Website "Militant Wire", die weltweit den Einsatz von Waffen analysiert, jenes Video unter die Lupe genommen. Heraus kam: Offenbar nutzten die Gruppen Waffen aus dem Westen. Etwa die schwedische Pansarskott m/86, eine Panzerabwehrwaffe, die 2022 in die Ukraine geliefert wurde. Sie wird vor allem in der US-Armee genutzt und ist unter NATO-Truppen weit verbreitet, wie die "Washington Post" berichtet. Zudem waren etliche Sturmgewehre westlicher Bauart auf dem geteilten Videomaterial zu finden.

Die Washington Post hatte zudem damals über Fahrzeuge aus Polen und den USA berichtet, die die Gruppen bei ihren Kämpfen in Russland genutzt haben sollen.

So erklärt die "Legion Freies Russland" den Einsatz westlicher Waffen

Die Kämpfer behaupteten damals wie heute, dass es sich dabei um Waffen handele, die man russischen Soldaten abgenommen habe. Zudem beruft man sich darauf, dass man nicht mehr Teil des ukrainischen Militärs sei, wenn man auf russischem Boden kämpfe. Alexej Baranowskij von der russischen Freiheitslegion sagte kürzlich bei einer Pressekonferenz: "Wenn wir uns auf das Territorium Russlands begeben, sind wir keine Soldaten der ukrainischen Streitkräfte mehr, die zu den Waffen gegriffen haben. Um welche Waffen es sich dabei handelt? Trophäenwaffen, zurückgewonnene Waffen. Oft wechseln Waffen und Ausrüstung den Besitzer, und das nutzen wir aus."

Der Punkt ist: Die Ukraine kann nicht mehr garantieren, dass westliche Waffen nicht auf russischem Boden eingesetzt werden. Politiker, die bei Waffenlieferungen eher zum Zaudern neigen wie der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, könnte dies in Zukunft noch länger zögern lassen.

Verwendete Quellen

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