- Der UNICEF-Kommunikationsbeauftragte Joe English ist vor Ort in der Ukraine.
- Ihm zufolge sind bisher mehrere Dutzend Kinder getötet oder verletzt worden.
- Auch Menschenhandel sei ein Problem.
Wie ist die aktuelle Lage für Familien und Kinder in der Ukraine?
Joe English: Ich bin seit Sonntag hier in Lwiw, einer 700.000-Einwohner-Stadt, in der sich derzeit zusätzliche 200.000 Menschen aufhalten. Lwiw liegt im Westen des Landes und galt bisher als vergleichsweise sicher. Es ist also ein Zwischenstopp für viele Familien, die vor der Entscheidung stehen, ob sie weiter nach Polen fliehen.
Wenn man im Moment durch die Stadt geht, fühlt sie sich an wie eine normale europäische Stadt: Auf Spielplätzen spielen Kinder auf den Schaukeln und Karussells. Am Wochenende gab es aber Angriffe in der Nähe der Stadt.
Wie sieht es mit den Schulen aus?
Die Schulen sind offiziell geschlossen, aber es gibt viele Bemühungen um sicherzustellen, dass Kinder online lernen können. Es kann sein, dass es an manchen Orten engagierte Lehrerinnen und Lehrer gibt, die versuchen, weiter zu unterrichten. Aber ich glaube, für viele Eltern ist der Schulbesuch keine unmittelbare Priorität, wenn überall Bomben fallen.
Sind die Zahlen, die Sie haben, zuverlässig?
Ich bin seit einer Woche in der Ukraine und seitdem ist die Zahl der Kinder, die in die Nachbarländer geflüchtet sind, auf rund 1,5 Millionen gestiegen. Meines Wissens wurden rund 50 Kinder getötet und 62 verletzt. Und das sind nur die Zahlen, die bisher von den Vereinten Nationen überprüft werden konnten.
Die tatsächlichen Zahlen sind also wahrscheinlich viel höher, weil es Teile des Landes gibt, in denen wir das nicht überprüfen können. Wenn es also Angriffe auf zivile Gebiete gibt, in denen Kinder eigentlich in Sicherheit sein sollten, wird die Zahl der Betroffenen weiter steigen.
In Deutschland warnt die Polizei vor Personen, die die Not von flüchtenden Frauen und Jugendlichen ausnutzen könnten. Wie sieht das vor Ort aus?
Menschenhandel ist ein großes Problem angesichts der großen Zahl von Personen, die die Grenzen überqueren, und all den Menschen, die sich als Freiwillige melden. Es ist ermutigend zu sehen, wie willkommen die geflüchteten Familien sind.
Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass es ein Risiko für Kinder gibt, auch wenn es vielleicht nur wenige Menschen sind, die irgendwelche Hintergedanken haben. Wir wissen, dass es in ganz Europa Schleppernetzwerke und kriminelle Banden gibt. Deshalb arbeiten wir mit lokalen Gruppen, Behörden und Regierungen zusammen, um sicherzustellen, dass die Gefahren gemindert werden.
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Sie haben auf Twitter auf den Post eines UN-Mitarbeiters hingewiesen, der "Don't forget Syria" schrieb angesichts des seit 2011 dort andauernden Kriegs. Sprechen wir aktuell genug über die Situation in Ländern wie Syrien und Jemen?
Wir versuchen, jedes Kind in Not zu erreichen - egal, wo es lebt. Ein Elfjähriger in Syrien heute hat seit seiner Geburt nichts als Krieg erlebt. Ähnlich ist die Lage im Jemen, wo seit sieben Jahren Krieg herrscht. Auch im Südsudan und in Somalia habe ich schon gearbeitet. Wenn man inmitten von Krieg und sonstiger Gewalt aufwächst, zerstört das die Kindheit.
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