Die Bezahlkarte für Geflüchtete ist ein eher heikles Thema in der rot-rot-grünen Koalition in Thüringen - nun hat sich Ministerpräsident Ramelow festgelegt. Bisher hat nur Bayern vergleichbare Pläne.

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Landesweit soll in Thüringen nach Angaben von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) in den kommenden Monaten eine Bezahlkarte für Asylbewerber kommen. "Ich will weg von bar zu unbar", sagte Thüringens Regierungschef am Mittwoch auf der Versammlung der Landkreise in Erfurt.

Im Zuge des Haushaltskompromisses mit der CDU-Fraktion sei die Einführung einer Bezahlkarte in Thüringen in den nächsten zwölf Monaten vereinbart worden. "Wir wissen, dass es mit Bargeld so nicht weiter geht." Auch der Präsident des Thüringer Landesverwaltungsamtes, Frank Roßner, sprach sich für eine landesweite Einführung aus.

Hannover ermöglicht Flüchtlingen die Kartenzahlung
Eine VISA-Debit Karte liegt bei einer Pressekonferenz im Rathaus Hannover neben einem Lesegerät. Flüchtlinge ohne deutsches Bankkonto erhalten in Hannover künftig eine Debitkarte zum Bezahlen ohne Bargeld. Die niedersächsische Landeshauptstadt lädt das Geld, das den Einwanderern nach Asylbewerberleistungsgesetz zusteht, als Guthaben monatlich auf die Karte. © dpa / Julian Stratenschulte/dpa

"Keine ideologische Debatte"

Ramelow sagte am Rand der Landkreisversammlung, er habe sich auch in der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder mit dem Bund für die Umstellung auf ein unbares Verfahren bei der Versorgung von Geflüchteten ausgesprochen. Er wolle darüber "keine ideologische Debatte" führen. Thüringen werde sich dabei auch am Urteil des Bundesverfassungsgerichts orientieren, bei dem es um die Auszahlung von Taschengeld für Geflüchtete gehe. Ihm sei möglichst eine bundeseinheitliche Regelung wichtig, so der Linke-Politiker. Für ihn liege der Schwerpunkt in der Flüchtlingsdebatte auf Integration durch und über Arbeit, so Ramelow.

Bisher macht vor allem Bayern bei der Einführung einer Bezahlkarte Tempo. Dort sollen sie nach Angaben der Regierung im Frühjahr 2024 in der Praxis zur Anwendung kommen. In Thüringen hatte CDU-Fraktionschef Mario Voigt Druck gemacht, eine Umstellung von Geld- auf Sachleistungen zu vollziehen.

Zwei Kreise testen Bezahlkarten-Systeme bereits

Wie die Umstellung in Thüringen erfolgen könne, solle in der nächsten Zeit geprüft werden. Dafür seien auch die Erfahrungen der Kreise Greiz und Eichsfeld wichtig, die Bezahlkarten seit einigen Wochen haben. Die Landrätin des Kreises Greiz, Martina Schweinsburg (CDU), sagte, sie wolle den Test möglichst bald auf mehr Menschen ausweiten, seit etwa zwei Wochen seien es einige Dutzend. Ähnlich äußerte sich der Landrat des Eichsfeldkreises, Werner Henning (CDU). Die Bezahlkarte sei kein Abstrafen von Menschen, so Henning auf der Landkreisversammlung. Getestet würde sie mit 60 Geflüchteten.

Ramelow ging in der in den vergangenen Monaten sehr kontrovers geführten Debatte um die richtige Migrationspolitik auf die Landräte zu und räumte Fehler der rot-rot-grünen Landesregierung bei der Schaffung von Unterkünften für Geflüchtete in Landeseinrichtungen ein. Dafür könne er "nur um Entschuldigung bitten". Schweinsburg, die auch Präsidentin des Landkreistags ist, verlangte für 2024 verbindliche und schnelle Lösungen des Landes für mehr Erstaufnahmeplätze sowie eine 100-prozentige Finanzierung der Flüchtlingskosten durch das Land, die die Kommunen haben.

Es gebe neben der politischen Debatte rein pragmatische Gründe, die für eine Bezahlkarte sprechen, sagte der Präsident des Thüringer Landesverwaltungsamtes der Deutschen Presse-Agentur.

Großer Aufwand mit Bargeld

"Wenn ich in Suhl bei den Belegungszahlen, die wir jetzt haben, einmal Geld auszahle, bedeutet das, dass unsere Leute 1400 Briefumschläge mit Geld vorbereiten müssen", so Roßner. Der Aufwand sei immens. Zudem gebe es teils Grenzen für Transporteure von Bargeld, nicht alle Anbieter könnten derart große Summen transportieren. Vor Ort gehe es auch um Fragen der Sicherheit. "Die Bezahlkarte, wie ich sie verstehe, ist eher dieser Notsituation geschuldet."

Geflüchtete bekommen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes einen gewissen Betrag in bar ausgezahlt, der den "persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens der Asylsuchenden" dient, wie es aus dem Landesverwaltungsamt heißt. Rechtliche Grundlage ist das Asylbewerberleistungsgesetz, aus dem sich auch die Höhe der Zahlung ergibt. "Die Geldleistungen stehen den Asylsuchenden frei zur Verfügung", sagte ein Sprecher der Behörde. Die Zahlung wird auch oft als eine Art Taschengeld bezeichnet. (dpa/lag)

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Teaserbild: © dpa / Julian Stratenschulte/dpa