Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Mitte Januar überraschend tiefgreifende Verfassungsänderungen angekündigt. Lange war unklar, welche Rolle er selbst nach dem Ende seiner nunmehr vierten Amtszeit spielen wird – das scheint nun klar.
Der Vorschlag kommt nicht von
Tereschkowa, die erste Frau im Weltraum, sitzt seit 2011 für die Putin-Partei "Einiges Russland" im russischen Parlament. In ihrer auf dem staatlichen Nachrichtensender Rossija 24 übertragenen Rede schlägt sie vor, "dass der amtierende Präsident, sobald die aktualisierte Verfassung in Kraft tritt, wie jeder andere Bürger das Recht hat, zum Staatsoberhaupt gewählt zu werden". Alternativ könne man auch die Amtszeitbeschränkung aufheben. Selbstverständlich nur, "wenn die Menschen es wollen", ergänzt sie.
Das klingt wenig spektakulär. Doch mit ihrem Vorschlag bereitet Tereschkowa faktisch die Basis dafür, dass Putin bis in Jahr 2036 Präsident bleiben kann. Laut aktueller Verfassung hätte er im Rennen um das höchste Staatsamt in Russland nicht noch einmal antreten dürfen.
"Putin geht es um Machterhalt"
Unterhaus-Sprecher Wjatscheslaw Wolodin, ebenfalls Abgeordneter von "Einiges Russland", gab sich überrascht. "Die von Tereschkowa geäußerte Änderung erfordert Konsultationen mit dem amtierenden Präsidenten. Es wäre richtig, ihn nach seiner Meinung zu fragen", sagte Wolodin.
Dass Putin die Änderungen unterstützt, steht außer Zweifel. Dass die neue Verfassung umgesetzt wird, gilt ebenso als sicher.
"Putin geht es um Machterhalt", sagte Russland-Expertin Caroline von Gall unserer Redaktion bereits unmittelbar nach der überraschenden Bekanntgabe von Putins Verfassungsentwurf Mitte Januar. Aus Sicht der Professorin für Ostrecht an der Uni Köln war aus dem Text "nur schwer herauszulesen, wo die Reise hingehen soll".
Das scheint nun klar: Es wird wohl keine Machtübergabe beispielsweise an Ex-Premier Dmitri Medwedew geben, wie von einigen Beobachtern spekuliert. Putin kann jetzt 2024 erneut als Präsident kandidieren – das Amt hat künftig sogar noch weitaus mehr Vollmachten als bisher.
In der zweiten und entscheidenden von drei Lesungen stimmten am Dienstag 382 der 450 Abgeordneten für das geänderte Grundgesetz. Es gab 44 Enthaltungen. Die Kommunisten hatten insbesondere kritisiert, dass die Zählung von Putins bisherigen Amtszeiten mit Annahme der neuen Verfassung annulliert werde. Eine dritte, rein technische Lesung der neuen Verfassung ist bereits für Mittwoch angesetzt. Am selben Tag steht die Verfassungsreform auch beim Föderationsrat – dem russischen Oberhaus – auf der Agenda.
Putin will nicht als "lame duck" enden
Putin selbst gab in seiner Rede in der Duma nichts über seine Zukunftspläne preis. "Ich bin sicher, dass wir gemeinsam noch viele weitere großartige Dinge tun werden, zumindest bis 2024. Dann werden wir sehen." Grundsätzlich zeigte er sich aber offen für ein weiteres Regieren: Weil er nach vielen Reisen im Land gespürt habe, dass das Volk ihn weiterhin im Kreml sehen wolle.
Bereits in der Vergangenheit hatte Putin so lange wie möglich versucht, politische Verbündete und Gegner im Unklaren über seine genauen Pläne zu lassen. Der 67-Jährige fürchtet nichts mehr als sein Machtmoment zu verlieren und damit als "lame duck", als lahme Ente, zu enden.
Putin erklärte in seiner Rede auch, dass er einer Annullierung der bisherigen vier Amtszeiten wie von Tereschkowa zustimme, wenn das auch der Verfassungsgerichtshof so entscheide – wovon auszugehen ist. Zudem betonte er, dass es eine Volksabstimmung am 22. April über die Verfassung gebe. Nur bei einem "Ja" werde das Grundgesetz auch in Kraft treten, betonte er.
Das alles scheint Formsache, genauso wie offenbar Putins Präsidentschaft bis 2036. Er wird dann 84 Jahre alt sein – und damit länger als Stalin Staatsoberhaupt des größten Landes der Welt gewesen sein.
Nur wenige Männer herrschten bisher länger über Russland. Am längsten hielt sich Iwan der Schreckliche an der Macht – 51 Jahre lang.
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