Der Bundestag hat die größte Steuerentlastung der vergangenen Jahre beschlossen. Nur Spitzenverdiener sollen in Zukunft noch Solidaritätszuschlag zahlen. Wirtschaftsvertreter kritisieren die Entscheidung scharf - und in der Politik geht die Steuererleichterung vielen nicht weit genug.
Am Donnerstag hatte der Bundestag die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für die meisten Bürger beschlossen. Aus der Wirtschaft regt sich nun massive Kritik an der Entscheidung.
So kündigte Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, eine Verfassungsbeschwerde an.
"Die Mehrzahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestags hat heute mit dem Soli-Beschluss sehenden Auges gegen unsere Verfassung verstoßen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
"Eine Strafsteuer für die Mitte der Gesellschaft"
Vor allem Unternehmer, Selbstständige, aber auch gut verdienende Facharbeiter würden durch das Wegfallen des Zuschlags weiter belastet. "Der Soli ist somit eine Strafsteuer für die Mitte der Gesellschaft", sagte Ohoven.
"Dagegen muss und wird sich der Mittelstand wehren. Wir haben eine Verfassungsbeschwerde ausgearbeitet. Sobald das verfassungswidrige Gesetz in Kraft getreten ist, werden wir sie beim Bundesverfassungsgericht einreichen."
FDP-Chef
Wenn
FDP-Fraktionsvize Christian Dürr kritisierte, der Mittelstand werde nicht entlastet - und das in einem Konjunkturabschwung. Die Union tue stattdessen alles dafür, dass Scholz SPD-Vorsitzender werde.
Der AfD-Politiker Stefan Keuter ermunterte auch die Bürger zur Klage. Sein Fraktionskollege Kay Gottschalk sprach von einer "verdeckten Vermögensteuer".
Scholz sieht Spitzenverdiener in der Verantwortung
Der Beschluss des Bundestags sieht vor, dass rund 90 Prozent der Bürger den Soli ab 2021 nicht mehr zahlen müssen. Weitere 6,5 sollen ihn noch teilweise entrichten. Dabei gilt: Je höher das Einkommen, desto mehr soll gezahlt werden. Voll zur Kasse gebeten werden künftig nur noch die einkommensstärksten 3,5 Prozent der Bevölkerung.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) verteidigte, dass Spitzenverdiener weiter zahlen müssen. Eine Entlastung hoher Einkommen wäre nicht gerecht, sagte er. Steuerzahler mit hohen und sehr hohen Einkommen müssten dazu beitragen, dass öffentliche Aufgaben finanziert werden könnten.
Laut der aktuellen Regelung wird der Soli erhoben, sobald eine Person jährlich mehr als 972 Euro Einkommens- beziehungsweise Lohnsteuer zahlt. Bei einer gemeinsamen Veranlagung wird der Zuschlag bei mehr als 1.944 Euro fällig.
Ab welchem Einkommen künftig noch Soli fällig wird, lässt sich nur ungefähr sagen, da es bei der Einkommensteuer unterschiedliche Freibeträge etwa für Kinder oder verheiratete Paare gibt.
Geringverdiener profitieren nicht von Steuererleichterung
Dem Finanzministerium zufolge werden künftig besonders Steuerzahler mit mittleren Einkommen profitieren. Eine Familie mit zwei Kindern und einem Jahresbruttolohn von etwa 151.000 Euro würde beispielsweise voll entlastet, Singles bis zu einem Jahresbruttolohn von rund 73.000 Euro.
Grüne und Linke kritisierten deswegen, viele hätten gar nichts von der weitgehenden Soli-Abschaffung, weil sie so wenig verdienten, dass sie den Soli schon jetzt gar nicht zahlten.
Den Garderobe-Frauen im Bundestag bringe die Entlastung nichts. Die Grünen-Politikerin Lisa Paus forderte, die Teilabschaffung des Solis müsse mit einer Reform der Einkommensteuer sowie einem höheren Spitzensteuersatz verbunden werden.
Union will vollständige Abschaffung des Soli
Im vergangenen Jahr brachte der Soli dem Staat 18,9 Milliarden Euro ein. Durch den Teil-Abbau würde der Zuschlag 2021 nur noch rund 10,9 Milliarden Euro in die Finanzkassen spülen.
Die Steuerentlastung ist laut Finanzminister Olaf Scholz (SPD) möglich, weil die Deutsche Einheit weit vorangekommen sei. Die weitgehende Abschaffung des Soli sei "auch ein Zeichen des Erfolges des Zusammenwachsens in Deutschland".
Der CDU-Abgeordnete Olav Gutting sprach in der Debatte von der "größten Steuerentlastung seit vielen, vielen Jahren". Die Streichung erfolge ohne jegliche Gegenfinanzierung, es werde nicht versteckt an anderer Stelle erhöht.
Nach Ansicht der Union ist die Teil-Abschaffung aber nur ein erster Schritt hin zu einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags in der nächsten Legislaturperiode. Dies sei eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit. (dpa/thp)
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