Der endgültige Abschied von der Kernkraft löst nicht bei allen Begeisterung aus. Bei "Markus Lanz" legte sich Jürgen Trittin mit dem ZDF-Moderator und einer Journalistin an. Gleichzeitig warnte der Grünen-Politiker vor der deutschen Abhängigkeit von China.
Der Abschied aus der Atomkraft und die von China ausgehende Kriegsgefahr sorgen in Deutschland für Unsicherheit. Während Privatpersonen sowie Unternehmen mit steigenden Strompreisen zu kämpfen haben, werden in China rund 50 neue AKWs gebaut. Bei "Markus Lanz" ging es am Mittwochabend deshalb nicht nur um die deutsche Energiewende, sondern auch die komplizierte Wirtschaftsbeziehung zu China. Dabei lieferte sich Grünen-Politiker Jürgen Trittin mit ZDF-Moderator Markus Lanz ein Wortgefecht.
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Nach dreieinhalb Monaten Verspätung gingen am Samstag die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland endgültig vom Netz. Der Abschied von der Kernkraft lässt mit Blick auf die Klimakrise und die Energiewende jedoch bei vielen Beobachtern Fragen offen. Bei "
Das sind die Gäste
- Jürgen Trittin, Grünen-Politiker, beharrte: "Atomkraft ist eine Nischentechnologie, extrem teuer und belastend."
- Cordula Tutt, "WirtschaftsWoche"-Redakteurin, gab zu bedenken: "Billiger wird der Strom mit Sicherheit in Zukunft nicht."
- Kai Strittmatter, Journalist und "SZ"-Chinakorrespondent, stellte fest: "China hat diesen gewaltigen Energiehunger, der zum Teil auch von uns mitproduziert wurde."
- Claus R. Madsen, Politiker (parteilos) und Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus in Schleswig-Holstein, bekannte: "Politik muss auch situativ handeln."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Einen Großteil der Sendung nahm am Dienstagabend das Wirtschaftskalkül Chinas unter der Führung von Präsident
Markus Lanz sprach daraufhin die jüngsten Staatsbesuche von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock in China an. Besonders die eindringlichen Worte Macrons, dass Europa in der Taiwan-Frage nicht zum "Mitläufer" von Amerika werden dürfe, machten Kai Strittmatter stutzig. Der Journalist gab zu: "Ich war sehr verblüfft, um nicht zu sagen, schockiert. Das hätte ich so in der Weise nicht erwartet. Macron war einer der ersten, der 2019 gesagt hat, wir dürfen keine Naivität gegenüber China zeigen. Jetzt ist es kommunikativ völlig aus dem Ruder gelaufen. Es war ein Desaster, aber ein Triumph für Xi Jinping."
Anders bewertete er den Auftritt von
Der ZDF-Moderator warnte dennoch: "Wir sind unfassbar abhängig von China." Cordula Tutt stimmte zu: "Ich sehe da in Deutschland noch nicht die großen Alternativ-Bewegungen. Da sind alle noch sehr zurückhaltend und suchend." Jürgen Trittin ergänzte nachdenklich: "Das eigentliche Problem ist, dass sehr große und für uns systemrelevante Unternehmen vom Markt in China abhängig sind. Die Marktabhängigkeit ist das größte Problem, das wir vor uns haben."
Das brachte Lanz auf das Thema Energiepolitik und die Frage: "Der Fakt, dass wir eine Gesellschaft elektrifizieren - wie groß ist Ihre Sorge, dass wir irgendwann nicht mehr wettbewerbsfähig sind?" Politiker Claus R. Madsen antwortete prompt: "Es gibt Branchen wie die Chemiebranche, die große Sorge haben. Die sind darauf angewiesen, dass wir einen verlässlichen Strompreis sichern können. Wir wollen ein grünes Industrieland werden, doch das wird problematisch, wenn wir alles mit Strom machen wollen. Wir müssen unabhängiger werden und müssen die Erneuerbaren ausbauen."
Journalistin Cordula Tutt reagierte daraufhin nüchtern: "Billiger wird Strom mit Sicherheit in Zukunft nicht. Aber beim Ausbau der Erneuerbaren hat das Wirtschaftsministerium inzwischen ganz gute Regeln geschaffen."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Besonders die deutsche Energiewende und die anhaltende Debatte rund um die Klimakrise sorgten auch bei "Markus Lanz" für erhitzte Gemüter. Zunächst stichelte Lanz in Richtung Trittin, den er als "den Vater des Atomausstiegs" begrüßte. Der ZDF-Moderator sprach den Grünen-Politiker auf die mehrmonatigen Gefängnisstrafen an, die unlängst gegen Aktivisten der "Letzten Generation" in Heilbronn verhängt worden waren.
Trittin reagierte zunächst nüchtern und stellte klar: "Da gibt es ein richterliches Urteil und ich bin gut beraten, als jemand, der im Parlament sitzt, Richter nicht zu kritisieren." Der Grüne weiter: "Das ist bislang das härteste Urteil, und ob das Bestand hat, wird sich zeigen. Aber wir leben in einem Rechtsstaat, und dass mit solchen Blockaden eine Straftat begangen wird, war den Beteiligten klar."
Lanz ließ jedoch nicht locker und wollte wissen: "Wie finden Sie persönlich das Urteil?" Trittin ließ sich darauf nicht ein und antwortete schlicht: "Ich kenne die Einzelfälle nicht, und es steht mir nicht zu, solche Urteile zu kritisieren." Lanz beendete das Hin und Her schließlich mit den Worten: "Okay, sie wollen nicht auf die Frage antworten."
Gesprächiger wurde der Grünen-Politiker, als es in der Debatte um die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland ging: "Das Ende der AKWs kam zwar dreieinhalb Monate zu spät, aber ich habe mich sehr darüber gefreut." Journalistin Cordula Tutt sah das jedoch ganz anders und kritisierte: "Bei Privatpersonen ist es einfach so, dass die Leute immer ärmer werden, bis wir ein neues Normal haben, weil wir unvergleichlich hohe Strompreise in Deutschland haben. Da hätten die AKWs eine gewisse Milderung bringen können."
Trittin konterte prompt: "Was die Preise angeht, gibt es sehr unterschiedliche Berechnungen. Wenn es nur um die Dimension ginge, die die Atomkraft je in Deutschland geliefert hat, dann hätten wir 2012 schon aus der Atomkraft aussteigen können. Das Eigentliche, was hilft, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien." Eine Argumentation, die Cordula Tutt nicht zufriedenstellte. Sie stellte bei "Markus Lanz" klar: "Das ist schon eine gewisse Doppelmoral." Ein Vorwurf, den der Grünen-Politiker so nicht stehenlassen wollte: "Was für eine Moral? Ich habe doch nur Fakten vorgetragen."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Ein energisch aufgelegter Markus Lanz hatte sichtlich Freude daran, vor allem seinen Gast Jürgen Trittin aus der Reserve zu locken. Das gelang dem ZDF-Moderator jedoch nur mäßig, und er schaffte es bei der Fülle an Themen nicht ganz, einen roten Faden durch die Sendung laufen zu lassen. Als es um die europäisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen ging, vermochte es Lanz, mit konkreten Fragen eine angeregte Diskussionsrunde zu schaffen. Doch nach über 75 Minuten war dem Moderator die Zeit davongerannt und er musste die Sendung mit den Worten beenden: "Ich hätte gerne noch länger mit Ihnen weiterdiskutiert."
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Die Energiewende und die hohen Strompreise sorgen in Deutschland noch immer für hitzige Debatten - sowohl im Privat- als auch im Wirtschaftssektor. Bei "Markus Lanz" machte sich Grünen-Politiker Jürgen Trittin für den Ausstieg aus der Atomkraft stark und und stellte klar: "Atomkraft ist eine Nischentechnologie, extrem teuer und belastend." Am Dienstagabend wurde deshalb einmal mehr deutlich, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien weiter und vor allem schneller vorangebracht werden muss. Eine wichtige Baustelle - vor allem auch in Bezug auf die deutsche Abhängigkeit von China. Dazu warnte vor allem der langjährige Chinakorrespondent Kai Strittmatter: "Wir sind an einem Punkt, an dem die Politik Haltung zeigen muss." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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