In ihrer zweiten Sendung als Plasberg-Vertreterin diskutierte Susan Link mit ihren Gästen über Gesetze, Regelungen, Verordnungen – und ein bisschen Naturschutz. Ein Unternehmer warnte, dass Deutschland wieder zum Entwicklungsland werden könne, wenn Vorhaben wir der 5G-Ausbau sich verzögern. Und Edmund Stoiber sah gar die Handlungsfähigkeit des Staates bedroht.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Immer wieder sprechen Politiker in Wahlkämpfen vom Bürokratieabbau. Aber kürzlich wurde ein neues Gesetz geschaffen, das Unternehmer verpflichtet, einen Kassenbon auszudrucken. Damit soll Steuerbetrug bekämpft werden – tatsächlich fällt vor allem Müll an und mehr Bürokratie für die Betroffenen. Wie passt das zusammen?

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Was ist das Thema?

Ob Großprojekte wie der Bau von Stromtrassen oder der kleine Anbau am Haus: Bauvorhaben scheitern in Deutschland oft an verwirrenden Paragraphen. Gibt es hierzulande zu viele Vorschriften und deshalb zu wenig Fortschritt? Oder ist es gut, wenn zum Schutz der Schwachen auch große Projekte gestoppt werden? In ihrer zweiten Sendung als Plasberg-Vertreterin diskutierte Susan Link mit ihren Gästen über das Thema "Hier Bonpflicht, da Krötenschutz: Alles geregelt, aber nichts geht mehr?"

Wer sind die Gäste bei "Hart aber fair"?

Edmund Stoiber: Der CSU-Ehrenvorsitzende und frühere EU-Beauftragte für Entbürokratisierung verteidigte die Bürokratie als "ein Stück Freiheit". Die Deutschen würden viele Gesetze brauchen, weil sie aus einem Unrechtsstaat gekommen seien. Bürokratie dürfte daher nicht verleumdet werden. Dennoch beklagte er, dass es zu seiner Zeit als bayerischer Innenminister vor 30 Jahren 5.000 Vorschriften für das Bauen gab. Heute sind es 21.000 Regelungen. "Ist das Land für große Vorhaben noch gerüstet?", fragte Stoiber. Bauvorhaben wie neue Bahntrassen dürften nicht über 15 oder 20 Jahre verzögert werden, sonst kommen wir "an die Handlungsfähigkeit des Staates heran".

Frank Thelen: Der Unternehmer und Start-Up-Investor übte scharfe Kritik an der deutschen Vorschriftenversessenheit. "Viele gründen nicht, weil sie Angst haben vor Bürokratie", sagt er. "Wir schaden ganz klar unserem Land, das ist ein riesiges Problem für die Wirtschaft." Wenn Vorhaben wie der Ausbau des 5G-Netzes nicht vorankommen, dann droht Deutschland in den Augen des Unternehmers eine große Gefahr. "Irgendwann werden wir zum Entwicklungsland." Sein Vorschlag: ein Mindesthaltbarkeitsdatum für Gesetze.

Alicia Anker: Die Redakteurin des NDR-Magazins "extra3" kritisierte, dass die Bonpflicht gar nicht zu einer Zeit passe, in der der Umweltaspekt den Deutschen so wichtig sei. "Es gibt absurde Auswüchse der Bürokratie", sagte sie. Man müsste die Prozesse etwas beschleunigen. Zudem kritisierte Anker, dass der Naturschutz von einigen Menschen instrumentalisiert werde, um Bauvorhaben zu stoppen.

Stephan Grünewald: Der Gründer des "rheingold-Instituts" versuchte zu ergründen, woher die Liebe der Deutschen zur Bürokratie kommt. Sie hätten keine so feste nationale Identität. Und da gibt Bürokratie eben Schutz, Sicherheit und Berechenbarkeit durch ein festes Regelwerk. Das ist die eine Seite. Der Psychologe warnte aber auch: "Bürokratiefeindlichkeit wird zur Demokratiefeindlichkeit" - und dadurch könnte ein neuer starker Mann nach oben gespült werden. Grünewald beobachtet zudem eine "seltsame Hassliebe" zur Bürokratie: Beim Ausbruch des Coronavirus kann es vielen Menschen nämlich gar nicht genug Bürokratie geben, um die Krankheit einzudämmen.

Werner Jann: Der frühere Professor für Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation von der Universität Potsdam gab ein wenig den guten Bürokratie-Erkläronkel. Umweltbehörden, die Bauvorhaben wegen des Schutzes von Kröten stoppen, würden eben nur eine bestimmte Sichtweise vertreten: "Sie schauen nur auf die Kröten". Andere bei solchen Verfahren beteiligte Behörden hätten wiederum eine andere Sichtweise. Und die Politik müsse abwägen und alle Sichtweisen unter einen Hut bekommen. "Deshalb ist die so unbeliebt", sagte Jann, der noch eine kleine Politikerschelte in petto hatte: "Wenn einem Politiker gar nichts mehr einfällt, dann fordert er Bürokratieabbau." Und die unbeliebte Bonpflicht? Soll Steuerhinterziehung eindämmen, erklärte Jann nüchtern.

Richard Raskin: Der Biologe begleitet Unternehmen bei Genehmigungsprozessen und versuchte, etwas Licht ins Dunkel solcher Prozesse zu bringen. Es gehe darum Biodiversität zu erhalten. Im Einzelfall sei die Umsiedelung von Tierarten wie der Kreuzkröte gar nicht so teuer. Dennoch wünscht er sich, den Artenschutz mit mehr Augenmaß zu behandeln. "Es wird manchmal übertrieben", sagte Raskin.

Was war der Moment des Abends?

Ein Musterbeispiel für die potenziell lähmende Kraft der Bürokratie: In Brandenburg formierte sich nach der zunächst viel umjubelten Entscheidung von Elon Musk, eine Tesla-Fabrik zu eröffnen, erstmal eine Bürgerinitaivie, weil das Tesla-Gelände in einem Trinkwasserschutzgebiet liegt. Eine Klage und damit Verzögerungen liegen im Bereich des Möglichen.

Wie hat sich Plasberg-Vertreterin Susan Link geschlagen?

In ihrer zweiten Sendung als Plasberg-Vetreterin machte Link schon einen sichereren Eindruck. Sie ging auch mal dazwischen, wenn die Gäste vor allem sich selbst gerne reden hörten, etwa bei Edmund Stoiber. Auch wenn Link lange nicht an Plasbergs frech-witzige Schlagfertigkeit heranreichte, konnte sie auch vereinzelt mit ironischen Bemerkungen punkten. Als es um das Wortungetüm "Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz" ging, sagte sie: "Ich habe mir das Wort notiert für die nächste Scrabblerunde." Und ihr Unwort des Jahres 2020? Bonpflicht.

Was ist das Fazit bei "Hart aber fair"?

Deutschland, ein Land der Bürokraten. Diese Entwicklung ist historisch gewachsen und nicht eben mal mit ein paar Anti-Bürokratiegesetzen umzukehren. Eine Bürokratie in einer Demokratie kann ein Segen sein, weil jeder das gleiche Recht hat eine Leistung oder Förderung zu erhalten, unabhängig vom Geschlecht oder von der Herkunft. Aber sie kann auch ein Fluch sein, weil jeder die selben komplizierten und oft schwer verständlichen Anträge ausfüllen muss – unabhängig vom Geschlecht oder der Herkunft. Ernüchterndes Fazit: Gegen den Paragraphendschungel hatten auch die Gäste bei "Hart aber fair" am Ende kein wirksames Rezept in der Schublade. Nur viele gut gemeinte Appelle.

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