Sinnvolle Ergänzung oder diskriminierende Maßnahme? An Sinn und Unsinn der Bezahlkarte für Asylbewerber schieden sich bei "Markus Lanz" die Geister. Besonders zwischen Grünen-Politiker Belit Onay und dem ZDF-Moderator krachte es, als es um das Thema Bargeld-Beschränkung ging.
Über die Bezahlkarte für Asylbewerber streitet nicht nur das Land, sondern vor allem auch die Ampelparteien. Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
In der Ampelkoalition streiten sich die Parteien aktuell um die Umsetzung der Bezahlkarte. Und das, obwohl sie eigentlich schon als beschlossen galt. Von den 16 Bundesländern hatten sich 14 bereits auf ein gemeinsames Vergabeverfahren zur Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber geeinigt.
Während sich SPD und FDP für eine bundesgesetzliche Regelung starkmachten, stellten sich die Grünen dagegen und machten deutlich, dass eine solche Regelung unnötig sei. Markus Lanz debattierte am Donnerstagabend unter anderem über die Vor- und Nachteile der Bargeld-Beschränkung.
Das sind die Gäste
- Belit Onay, Grünen-Politiker: "Wir wollen mit dieser Karte keine Abschreckung betreiben - sondern diskriminierungsfreien Zugang zu Angeboten sichern."
- Christian Herrgott, CDU-Politiker: "Die Idee der Bezahlkarte ist vor allen Dingen zunächst einmal, Verwaltungsprozesse zu vereinfachen."
- Rahel Dreyer, Pädagogin: "Ein Drittel der Eltern hat aufgrund der Betreuungssituation die Arbeitszeiten reduzieren müssen."
- Helene Bubrowski, Journalistin: "Es gibt gute Argumente, ein einheitliches System von Bezahlkarten für Asylbewerber einzuführen."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Bereits zu Beginn der Sendung stichelte Lanz in Richtung Grünen-Politiker Belit Onay: "Was verbindet Grüne und FDP im Februar 2024?" Der Oberbürgermeister Hannovers antwortete nüchtern: "Mindestens eine gemeinsame Koalition auf Bundesebene." Lanz ließ jedoch nicht locker und merkte an: "Ich habe an etwas anderes gedacht - dieser fatale Hang zu Blockaden." Onay zeigte sich davon unbeeindruckt und sagte mit ernster Miene: "Richtig ist, dass es da viele Diskussionen und viel Streit gibt um viele Themen. Ich würde mir auch sehr wünschen (...), dass sie gelöst werden."
Lanz wollte jedoch nicht auf die vielen Streitthemen innerhalb der Ampel eingehen, sondern konterte stattdessen: "Ich denke eher an Blockaden von bereits gemeinsam beschlossenen Vorhaben." Sichtlich genervt hakte der Grünen-Politiker nach: "Welche wären das?" Erst jetzt rückte Lanz mit der Sprache raus und sagte: "Bezahlkarten zum Beispiel." Diesen Vorwurf ließ Onay nicht unkommentiert und warnte: "Auch da geht es, glaube ich, vor allem ums Detail. Wir haben ja beim Thema Bezahlkarte aktuell eine Diskussion nicht über das 'ob' (...), sondern über das 'wie'."
In Bezug auf den Ampel-Streit über die Bezahlkarte sagte Markus Lanz daraufhin vorwurfsvoll: "Jetzt entsteht das Gefühl, die Grünen wollen das wieder nicht." Journalistin Helene Bubrowski stimmte zu und erklärte, dass dadurch "der Verdacht" entstehe, dass hinter der Blockade der Grünen "ein inhaltlicher Grund" stehe, "nämlich, dass man eben das System doch nicht umstellen will". Lanz hakte deshalb bei Onay nach: "Verstehen Sie, dass Ihnen Leute da sozusagen Ideologie unterstellen und sagen: Wie kann das denn sein?"
Der Grünen-Politiker konnte darauf jedoch keine konkrete Antwort liefern und konterte schwammig, dass prinzipiell nichts gegen eine Bezahlkarte spreche, denn "die Idee war anfangs ein Digitalisierungsprojekt". Dies nahm Lanz zum Anlass, den Thüringer Landrat Christian Herrgott zu fragen: "Wie funktioniert die Bezahlkarte?" Der CDU-Politiker antwortete: "Die Idee der Bezahlkarte ist vor allen Dingen zunächst einmal, Verwaltungsprozesse zu vereinfachen, eben keine Bargeldleistungen mehr auszuzahlen durch die Behörde selbst."
Der Ansatz sei demnach, "dem Asylbewerber eine Karte an die Hand zu geben, mit der er seinen täglichen Bedarf, der ihm per Gesetz zusteht, bestreiten kann". In Thüringen gehe es hierbei laut Herrgott um etwa 400 Euro sowie etwa 50 Euro "Taschengeld-Satz" in Form von Bargeld. Lanz wollte innerhalb der Debatte wissen, warum nicht die ganze Geldsumme der Bezahlkarte abgehoben werden könne.
Bubrowski erklärte, dass dadurch verhindert werden solle, Geld an die Heimatländer der Flüchtlinge zu schicken. Es gehe prinzipiell darum, "dass die Leute hier ein gutes Leben (...) führen können. Und nicht, dass sie ihren Familien zu Hause das Leben bezahlen. Und das sicherzustellen, ist der Sinn der Bezahlkarte".
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Das ist das Rede-Duell des Abends
Grünen-Politiker Onay machte bei "Markus Lanz" deutlich, dass er nichts davon halte, das Bargeld für Geflüchtete einzuschränken. "Wir wollen mit dieser Karte keine Abschreckung betreiben, sondern diskriminierungsfreien Zugang zu Angeboten sichern", urteilte Onay. "Was heißt das?", fragte Lanz. Onay erklärte daraufhin, dass in Hannover mit der Bezahlkarte der ganze Betrag als Bargeld abgehoben werden könne, um Diskriminierung auszuschließen.
Herrgott schüttelte mit dem Kopf: "Es ist keine Karte, die diskriminiert, sondern es ist eine Karte, die einfach geltendes Recht umsetzt." Auch Lanz hakte kritisch nach: "Worin besteht denn die Diskriminierung?" Onay stellte klar, dass die Beschränkung des Bargeldes "zu Engpässen" führe und "zu Situationen, wo Integration plötzlich ins Wanken gerät vor Ort. Wo plötzlich Menschen diskriminiert werden (...), weil sie nicht über das Bargeld verfügen".
Herrgott wollte dies nicht unkommentiert lassen und konterte, dass man heutzutage fast überall mit Karte bezahlen könne: "Wir sind im Jahr 2024!" Dem konnte Onay nicht zustimmen und sagte: "Gehen Sie mal auf den Wochenmarkt, bezahlen Sie da mal mit der Kreditkarte. Gehen Sie mal ins Schwimmbad, bezahlen Sie da mal eine Pommes mit der Kreditkarte."
Ein Argument, das Lanz stutzig machte: "Also, die Menschen, über die wir hier reden, die gehen sicher nicht auf dem teuren Wochenmarkt einkaufen. Das ist doch völlig weltfremd!" Der Grünen-Politiker blieb dennoch bei seiner Meinung und stichelte zurück: "Ich weiß nicht, auf welchen Wochenmärkten Sie unterwegs sind, aber in Hannover haben wir sehr viele Wochenmärkte, die gerade von Familien mit geringem Einkommen genutzt werden." Lanz hakte ungläubig nach: "Das ist günstiger als im Supermarkt?"
Onay nickte: "Durchaus! Kommen Sie mal nach Hannover. Wir gehen mal zusammen über ein paar Wochenmärkte und kaufen schön frisch und günstig ein." Ein Angebot, über das Journalistin Bubrowski schmunzeln musste: "Also meine Lebenswirklichkeit ist auch anders, aber gut. Sei's drum."
Die Journalistin war mit Onay auch nicht einer Meinung, als es um die Beweggründe ging, die viele Geflüchtete nach Deutschland bringen. Während Bubrowski der Meinung war, dass Geld durchaus eine Rolle spiele, wiegelte der Grünen-Politiker ab: "Es gibt keine Faktenlage, die das bestätigt. Weder für die sekundäre, noch die sonst geartete Migration."
Daraufhin platzte Lanz der Kragen und er wollte von dem Politiker wissen: "Entschuldigung, glauben Sie das wirklich, dass es für Leute nicht wichtig ist, wie viel Geld, wie viel Leistung du in einem Land kriegst? Das glauben Sie nicht ernsthaft!" Auch Bubrowski reagierte schockiert: "Wer leugnet, (...) dass das eine Rolle spielt bei der Entscheidung, (...) der gibt, glaube ich, am Ende populistischen Kräften Futter."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Innerhalb der Sendung redete sich vor allem Onay mehrfach um Kopf und Kragen und wich den teils spitzen und sehr konkreten Fragen von Lanz häufig aus. Dem ZDF-Moderator blieb am Ende daher nicht mehr viel übrig als zu sagen: "Wir kommen hier argumentativ nicht mehr weiter."
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Bei "Markus Lanz" konnten sich die Gäste beim Thema Bezahlkarte bis zum Schluss nicht einig werden. Bubrowski merkte jedoch an, dass man die Beschränkung des Bargeldes auch "als Schutzmaßnahme" sehen könne, um sicherzustellen, dass das Geld für die Familie und insbesondere die Kinder in Deutschland genutzt werde. Markus Lanz stimmte zu, merkte jedoch auch an: "Wir geben Menschen etwas, aber wir verlangen nichts zurück."
Dem entgegnete Herrgott, dass er in Thüringen eine vierstündige Arbeitspflicht erwirkt habe. Menschen, die dieser Arbeit nicht nachkämen, könne demnach bis zu 180 Euro des Bedarfs gekürzt werden. Er erklärte, dass es dabei "nicht primär" darum ginge, "dass dort ein riesiger Mehrwert geschaffen" werde, "aber dass jeder sich tatsächlich beteiligt am Gemeinwohl für einen geringen Zeitraum" und etwas zurückgebe "an die Gesellschaft".
Eine Idee, von der er Onay jedoch bis zum Schluss nicht überzeugen konnte. Der Grünen-Politiker wiegelte ab: "Für Hannover ist das keine Lösung!" Der Grund? "Weil ich nicht paternalistisch bin." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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