Ostdeutschland hat ein Problem mit Rechtsextremismus. Das ist nichts Neues. Die "Pegida"-Bewegung zeigt, dass die Politik immer noch viel zu wenig gegen Fremdenfeindlichkeit unternimmt.

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Das Fest der Liebe steht vor der Tür, aber bei "Pegida" ist davon wenig zu spüren. Die Protest-Bewegung will sich an diesem Montagabend erneut in Dresden versammeln und dabei vor einer vermeintlichen "Islamisierung" warnen - in einem Bundesland, in dem es praktisch keine Muslime gibt.

Auch in München sollte zur gleichen Zeit eine Demonstration des regionalen Ablegers von "Pegida" stattfinden. Sie wurde jedoch abgesagt, es gab zu wenige Teilnehmer. Zu der Kundgebung "Platz Da! Flüchtlinge sind hier willkommen - gemeinsam gegen 'Pegida', Rassismus und Hetze" zeigen deutlich mehr Menschen Interesse.

Die "Mitte-Studie" der Universität Leipzig untersucht regelmäßig rechtsextreme Einstellungen in Deutschland. In der aktuellen Erhebung von 2014 stellten die Forscher fest, dass Ausländerfeindlichkeit in den neuen Bundesländern immer noch weiter verbreitet ist als in den alten. So glaubt jeder dritte Ostdeutsche, dass "Ausländer nur hierher kommen, um unseren Sozialstaat auszunutzen". In Westdeutschland ist es jeder Vierte. Besonders stark treffen die Vorurteile Asylbewerber, Sinti und Roma sowie Muslime.

Die Angst vor dem Fremden

Dabei sind nur knapp zwei Prozent der vier Millionen Einwohner Sachsens Ausländer. Die meisten von ihnen kommen aus den ehemaligen Bruderstaaten der DDR wie Russland, Polen, Vietnam oder die Ukraine. Der Anteil der Muslime in Sachsen ist so verschwindend klein, dass ihn das Statistik-Portal Statista nicht erfasst. 0,1 Prozent sollen es laut dem sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU) 2010 gewesen sein.

Es ist aber kein Widerspruch, dass die Ausländerfeindlichkeit dort besonders groß ist, wo nur wenige Ausländer leben. "Die Menschen haben wenig Gelegenheit, Ausländer kennen zu lernen. Die Forschung zeigt aber, dass der Kontakt mit als fremd empfundenen Menschen hilft, Vorurteile abzubauen", sagt die Konfliktforscherin Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein. Ohne unmittelbaren Umgang erhalten die Menschen ihr Wissen über Ausländer nur über die Medien oder über überlieferte Stereotypen.

Zudem werden rechte Einstellungen in Ostdeutschland eher akzeptiert. "Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass ihre Meinung rechtsextrem ist. Ihre Nachbarn und Freunde sagen ja dasselbe", erklärt Küpper. Demokratiebildung spiele in der Schule nur eine untergeordnete Rolle. Gerade in Dresden, wo in der DDR kein Westfernsehen empfangen werden konnte und deswegen als "Tal der Ahnungslosen" galt, konnten sich die Menschen kaum auf die moderne Gesellschaft im Westen vorbereiten.

Ein "reaktionäres Gedankengut" stellt die Rechtsextremismus-Expertin in den Forderungen von "Pegida" fest. In den Pamphleten finde sich auch die Ablehnung des sogenannten "Gender-Mainstreaming". Die Bewegung richte sich also nicht nur gegen Muslime und Asylbewerber, sondern gegen jegliche Gleichstellung. "Es ist die Angst vor dem Statusverlust des 'kleinen Mannes'", nennt es die Psychologin. Viele Menschen in Ostdeutschland hätten das Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein. Der angestaute Frust bahnt sich den Weg über einen Sündenbock und entlädt sich auf eine schwächere Gruppe.

"Bedürfnis nach Macht und autoritären Strukturen"

Die sächsische Landesregierung wollte das Problem des Rechtsextremismus im Freistaat lange Zeit nicht wahrhaben. Auch jetzt reagieren viele Politiker hilflos auf "Pegida". Küpper warnt davor, die Proteste als berechtigte Äußerung von Ängsten und Sorgen anzuerkennen oder darüber eine Debatte zur Asylpolitik neu zu entfachen. "Ich sehe dahinter vielmehr das Bedürfnis nach Macht und autoritären Strukturen", meint die Konfliktforscherin. "'Pegida' ist menschen- und fremdenfeindlich. Da wird bewusst und populistisch eine angebliche Bedrohung durch 'Islamisierung' aufgebaut, hinter der sich alle versammeln können. Es dient dazu, in Abwertung 'der Anderen' und in Abgrenzung zu 'denen da oben' die eigene Richtigkeit und das eigene Selbstwertgefühl im vermeintlichen Zusammenhalt zu bestärken."

Stattdessen rät sie den Parteien, sich eindeutig zu positionieren - gerade jetzt zur Weihnachtszeit: "Was sind denn die christlichen Werte, die hier verteidigt werden sollen, wenn nicht Barmherzigkeit und Nächstenliebe?"

Prof. Dr. Beate Küpper arbeitet am Institut für Sozialwesen an der Hochschule Niederrhein. Zuvor hat die Psychologin das Forschungsprojekt "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland" am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld geleitet.
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