Allerspätestens seit der Abwahl von Angela Merkels engem Vertrauten Volker Kauder als Fraktionsvorsitzender der Union ist klar, dass die Regierung Merkel in der Krise steckt. Oppositionspolitiker haben die Kanzlerin daraufhin aufgefordert, die Vertrauensfrage zu stellen – aber was genau bedeutet das?
Angela Merkel hat am Dienstag mit der überraschenden Abwahl des Unionsfraktionschefs Volker Kauder die vielleicht größte Niederlage ihrer Kanzlerschaft einstecken müssen. Dass sich die Fraktion gegen ihren Willen für Herausforderer
FDP-Chef
Vertrauensfrage macht Weg für Neuwahlen frei
Zwar ließ die Kanzlerin inzwischen über ihren Sprecher Steffen Seibert mitteilen, dass sie aktuell keine Notwendigkeit sehe, die Vertrauensfrage zu stellen. Grundsätzlich könnte sie das aber jederzeit, um ihre Legitimität zu erneuern oder die Bildung einer neuen Regierung zu ermöglichen.
Die Vertrauensfrage ist in der deutschen Verfassung explizit dafür vorgesehen, den Weg für Neuwahlen vor Ablauf der vier Jahre einer Wahlperiode freizumachen.
In Artikel 68 des Grundgesetzes heißt es: "Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen." Selbst auflösen kann sich das Parlament nicht.
Der Kanzler oder die Kanzlerin kann die Vertrauensfrage allgemein oder in Verbindung mit einer Sachfrage, etwa einer Gesetzesvorlage, stellen. Fällt die Antwort der Parlamentarier negativ aus, so hat der Regierungschef respektive die Regierungschefin folgende Möglichkeiten:
- Bildung einer neuen Regierung: Beispielsweise durch Wechsel des Koalitionspartners oder Hinzufügen einer zusätzlichen Koalitionspartei. Auch eine Minderheitsregierung wäre denkbar. Für diesen Schritt bedarf es aber nicht unbedingt einer negativen Antwort auf eine Vertrauensfrage; die Option steht dem Regierungschef/der Regierungschefin jederzeit zur Verfügung.
- Rücktritt: Das würde zwangsläufig zu Neuwahlen führen. Zurücktreten kann der Kanzler/die Kanzlerin aber jederzeit, eine Vertrauensfrage ist dafür nicht notwendig.
- Bitte um Auflösung des Bundestags: Der Bundespräsident kann dem Ersuchen des Kanzlers oder der Kanzlerin nachgeben oder es ablehnen. Kommt er der Bitte nach, folgen Neuwahlen.
- Antrag auf Gesetzgebungsnotstand: Hierfür braucht der Bundespräsident allerdings die Zustimmung des Bundesrats. Dieser Schritt ist nur möglich, wenn der Bundestag nicht bereits aufgelöst wurde.
Der Kanzler oder die Kanzlerin ist nach einer verlorenen Vertrauensfrage aber nicht gezwungen, einen dieser Schritte zu unternehmen.
Zuletzt hat SPD-Kanzler Gerhard Schröder den Weg der Vertrauensfrage gewählt. Wie geplant, verlor er die Abstimmung am 1. Juli 2005. Nach der darauffolgenden Bundestagswahl musste er sein Amt an Angela Merkel abgeben.
Auch in zwei früheren Fällen - 1972 und 1982 - hatten die Kanzler Willy Brandt und Helmut Kohl die Vertrauensfrage gestellt, um durch eine Ablehnung eine Neuwahl zu erreichen. (jwo/dpa)
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