Ivanka Trump trifft Angela Merkel heute beim "Women20 Summit" in Berlin. Die politische Rolle der Präsidenten-Tochter bleibt diffus. Bereits während Donald Trumps Wahlkampf wurde spekuliert, welche Bedeutung Ivanka im Falle eines Sieges für ihn spielen könnte. Mit ihrer offiziellen Position als "Assistentin des Präsidenten“ wirft die Personalie weitere Fragen auf.

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Donald Trump hatte es vor einigen Wochen amtlich gemacht: Aus der Tochter ist die "Assistentin des Präsidenten“ geworden. Ein offizieller Posten – nicht in Trumps Regierung, aber immerhin im Weißen Haus.

Ivanka Trump soll Vater nur beraten

Zugang zu vertraulichen Staatsgeschäften soll Ivanka Trump nicht bekommen und auch auf ein Gehalt will sie nach eigenen Angaben verzichten. Es gehe ihr rein um die Beraterfunktion, so die 35-Jährige.

"Wo ich mit meinem Vater nicht einer Meinung bin, weiß er es, und ich drücke mich total offen aus", sagte sie kürzlich in einem Interview des US-Senders CBS. "Halten Sie das Fehlen einer öffentlicher Anprangerung nicht für Schweigen."

Dennoch sind Beobachter bei der Bewertung ihrer Position im Weißen Haus kritisch. Fakt ist, indem sie ohne hinreichend politische Erfahrung in einer solch exklusiven Position agiert, macht sie sich angreifbar.

"Nein, ich werde kein Mitglied der Regierung werden", versicherte eine lachende Ivanka Trump der TV-Journalistin Lesley Stahl im November 2016. "Ich werde eine Tochter sein."

Nicht einmal zwei Monate nach der Amtseinführung ihres Vaters bezog Ivanka bereits ein Büro im Westflügel des Weißen Hauses, wo auch Trumps Sicherheitsberaterin Dina Habib Powell untergebracht ist.

Das allein gab Grund zur Aufregung. Widerspruch hin oder her. Immerhin besaß bislang niemand, der keine administrative Rolle innehatte, permanenten Zugang, ja gar einen eigenen Schreibtisch im Weißen Haus.

Unklare Aufgabenstellung

So bescheiden sich Ivanka Trump auch geben mag – ihr Einfluss soll erheblich sein.

Für das größte Unbehagen sorgt dabei die unklare Aufgabenstellung. Hope Hicks, Direktorin für die strategische Kommunikation des Weißen Hauses unter Trump, rechtfertigte das Vorgehen damit, dass Ivankas Titel "ihr zusätzliche Gelegenheiten bietet, Initiativen anzugehen, die politischen Nutzen mit sich bringen und so dem amerikanischen Volk zugutekommen".

Richard Painter, ehemals Rechtsberater unter George W. Bush, warnte im Guardian, Ivanka dürfe nicht in Bereiche involviert werden, die ihre Firmen betreffen. "Da sollte sie besser außen vor bleiben."

Aber außen vor war Ivanka Trump auch bisher keineswegs. "Ich werde weiterhin meinem Vater mit offenem Rat zur Seite stehen, wie ich es mein ganzes Leben lang getan habe", lautete eine Stellungnahme, die sie zusätzlich über ihre sozialen Kanäle publik machte.

Ihre Anwältin Jamie Gorelick erklärte, Ivanka sei schlicht "Augen und Ohren für ihren Vater". Und möglicherweise auch Gewissen.

Wie Eric Trump erklärte, hatte seine Schwester Ivanka ihren Anteil daran, dass sich der US-Präsident nach den Giftgasattacken von Chan Scheichun zu einem Luftschlag gegen das Assad-Regime entschlossen hatte.

"Ivanka ist eine Mutter von drei Kindern und sie hat Einfluss. Ich bin mir sicher, sie sagte: 'Hör zu, das ist schreckliches Zeug'", erklärte Eric Trump im "Telegraph". Eine Einschätzung, die tatsächlich bestätigt wurde.

Trumps Sprecher Sean Spicer erklärte nach dem Raketenangriff, dass sich Ivanka Trump "zweifellos" in die Entscheidung über einen Luftangriff auf die syrische Armee eingeschaltet hatte.

Verdacht auf Vetternwirtschaft

Dass sich Ivanka Trump – wie sie es gegenüber der New York Times vorsichtig formulierte – in einer "noch nie dagewesenen" Ausnahmesituation befindet, liegt nicht nur an der neu geschaffenen Stelle.

Auch Barack Obama hatte sich nicht nur von zugewiesenen, sondern ausgesuchten Vertrauenspersonen beraten lassen. Irritierend an der gesamten Entwicklung sind andere Aspekte: Der Beraterstab des US-Präsidenten wirkt wie ein Familienrat.

So ist auch Ivankas Ehemann, Jared Kushner, auf eine honorarlose Beraterposition berufen worden.

Für den Trump-Schwiegersohn mit politischen Wurzeln in der demokratischen Partei wurde extra ein sogenanntes Innovationsbüro geschaffen, das unternehmerische Anregungen für die Regierungsarbeit adaptieren soll.

Wie auch immer es um die strategischen Fähigkeiten Kushners bestellt ist – den Machtkampf mit dem rechtsextremen Spindoktor Steve Bannon hat er vorerst gewonnen.

Trump hatte Bannon Anfang April aus den Nationalen Sicherheitsrat entfernt. Ein Regierungsdokument belegte, dass Trump das Gremium umorganisiert hatte. Bannon kommt dort nicht mehr vor.

Ivankas Mann ist Trumps "Mann für alles"

Dagegen scheint die Rolle von Jared Kushner in den vergangenen Wochen immer wichtiger zu werden. Trumps "Secretary of Everything" - zuständig für alles - nannte CNN den Schwiegersohn des Präsidenten.

Kürzlich tauchte er im Irak auf, an der Seite von Joseph Dunford, Chef des US-Generalstabes, zu Gesprächen über den Kampf gegen die Terrormiliz IS.

Kushner war - wie auch Bannon - auf einem Foto zu sehen, als Trump mit seinen engsten Beratern die Syrien-Luftangriffe verfolgte. Und er saß beim Dinner mit Chinas Staatschef Xi Jinping in Florida neben dessen Frau.

Dabei gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob Kushners weitreichende Kompetenzen legitim sind. Obwohl das Justizministerium keine Einwände gegen Kushners Berufung geäußert hat, vermuten nicht wenige Rechtsvertreter einen Verstoß gegen das seit 1967 bestehende Gesetz gegen Vetternwirtschaft.

US-Präsidenten sollen damit daran gehindert werden, Familienangehörige ohne demokratische Legitimation in öffentliche Ämter zu hieven. Ausgerechnet die Republikaner hatten diese "Anti-Nepotismus-Regeln" gefordert, nachdem John F. Kennedy Anfang der Sechzigerjahre seinen Bruder Robert zum Justizminister ernannt hatte.

Über politische Erfahrung verfügt Kushner nicht. Zusammen mit Ivanka bildet er aber de facto das eigentliche "power couple" der neuen Präsidentschaft. Anti-Nepotismus-Regeln hin oder her.

Ist Ivanka die geheime First Lady?

Von Trumps Ehefrau Melania sind derzeit höchstens hin und wieder repräsentative Impulse zu erwarten. Mit ihrem Sohn Barron – der erste Präsidentensohn seit 1963 – lebt die derzeitige First Lady noch bis zum Ende des aktuellen Schuljahrs in New York City. Dann erst werden beide nach Washington ziehen.

Insofern war es allenfalls verwunderlich, dass Ivanka Trump nicht nur einmal, sondern bei fast jedem Besuch an der Seite internationaler Staatsgäste zu sehen war. Sei es neben dem japanischen Premier Shinzo Abe, dem kanadischen Premier Justin Trudeau oder Kanzlerin Merkel.

Dazu twitterte etwa ein Mitarbeiter einer angesehenen New Yorker Unternehmensberatung aufgebracht: "Es gibt keinen Grund, weshalb Ivanka Trump bei einem Treffen mit einem ausländischen Staatsführer dabei sein sollte, geschweige denn neben ihnen zu sitzen." Dafür erhielt er in kürzester Zeit Tausende Likes.

In einem anderen Tweet hieß es, man stelle sich vor, wie bei einem Treffen von Merkel und Hillary Clinton deren Tochter Chelsea dabei wäre. "Das geht gar nicht. Es ist unvorstellbar."

Tatsächlich hat die frühere First Daughter Chelsea Clinton im Januar 2001 als 20-Jährige kurzzeitig in den letzten Amtstagen ihres Vaters die gastgeberischen Verpflichtungen des Weißen Hauses übernommen.

Doch ist diese Vertretung ihrer Mutter, die damals zur Senatorin von New York gewählt worden war, keinesfalls vergleichbar mit Ivanka Trumps heutigem Einfluss.

Ivanka gleicht ihren Vater aus

Wie mächtig Ivanka Trump wirklich ist, darüber wird viel spekuliert. Ohne Quellen zu nennen, spricht beispielsweise das britische Webzine Independent davon, dass sie viele harsche Ansichten und Äußerungen ihres Vaters abzumildern versucht.

Seine wenig konservative Haltung gegenüber der Homosexuellen-Community sei ihr Verdienst. Ebenso manche wohl formulierte Rede.

Tatsächlich gibt auch Donald Trump selbst zu, häufig von Ivankas Meinung zu profitieren, nennt sie klug. "Sie treibt mich immer an, das Richtige zu tun!"

Auch Ivanka macht keinen Hehl daraus. Sie steht gern im Fokus der Aufmerksamkeit und weiß sich zu präsentieren – als Unternehmerin, Mutter, Autorin oder eben als selbstbewusste First Daughter wie nun in Berlin an der Seite der deutschen Kanzlerin.

Kate Andersen Brower, Verfasserin des Buches "First Women: The Grace and Power of America's Modern First Ladies", sieht in Ivanka einen Ausgleichsmoment. "Sie ist wortgewandt, besonnen, fast unbeugsam, sehr gefasst und damit ganz anders als ihr Vater."

Jared Kushner und Ivanka Trump sind als Führungspersönlichkeiten neben Donald Trump aus der US-Regierung nicht mehr wegzudenken. Liberale US-Medien vermuten, dass Ivankas Anhänger keinen geringen Teil der Trump-Wähler ausmachen.

Sie fungiere, heißt es nicht selten, als Mediator zwischen ihrem Vater und der Öffentlichkeit, wie bereits bei den zahlreichen frauenfeindlichen Äußerungen Trumps geschehen.

Der Journalist Glenn Greenwald schrieb im Zuge dessen nicht unbesorgt vom Aufbau einer "Dynastie Trump".

Ivanka und der Interessenskonflikt

Zugutehalten könnte man der Mutter dreier Kinder ihren Einsatz für die beruflichen Belange von Frauen, wie nun beim "Women20 Summit" in Berlin - wäre da nicht der unangenehme Beigeschmack eines Interessenskonflikts.

Obwohl Ivanka sich aus ihren geschäftlichen Verpflichtungen zurückgezogen haben will, war sie eingeladen, Shinzo Abe zu treffen, während ihre Modefirma zeitgleich einen "lukrativen Deal" mit einem japanischen Partnerunternehmen verhandelte.

Reiner Zufall? Daran wollen viele nicht glauben.


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