Der politische Kurs der Bundeskanzlerin zieht bizarre Konsequenzen nach sich. 400 Strafanzeigen gingen bislang gegen Angela Merkel bei der Generalbundesanwaltschaft ein. Grund: Ihre umstrittene Flüchtlingspolitik. Die Anklagepunkte sind jedoch sehr weit hergeholt.

Mehr aktuelle News

Was wird der Bundeskanzlerin vorgeworfen?

Die Entscheidung der Bundesregierung, Anfang September Tausende Flüchtlinge nach Deutschland reisen zu lassen, die in Ungarn festsaßen, kommentierte der stellvertretende Parteivorsitzende der AfD Alexander Gauland mit den Worten: "Frau Merkel hat sich als Schleuser betätigt". Auch das wird der Kanzlerin in den Strafanzeigen vorgeworfen wird.

Neben der Schleusertätigkeit geht es aber auch um Hochverrat. Die Sprecherin des Generalbundesanwalts teilte "Focus Online" mit, dass alle Strafanzeigen nun pflichtgemäß geprüft würden.

Wer klagt?

Schon Anfang Oktober hatte die AfD Strafanzeige gegen Angela Merkel erstattet. Laut Focus Online sind bislang insgesamt 400 Strafanzeigen beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe eingegangen. Einem Bericht der "taz" zufolge, handelt es sich vor allem um ähnlich formulierte Klagen wegen "Hochverrats", hinter denen eine von Rechten organisierten Kampagne vermutet wird.

Wurde die Kanzlerin schon früher angeklagt?

Ja. Laut "Die Welt" hat die Wuppertaler Aktivistin Luzia Hassel-Reusing 2012 Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag erstattet. Damit unterstütze sie die Klage von Georgios Tsangras, dem Herausgeber des griechischen Boulevard-Magazins "Crash". Dieser beschuldigte Merkel des "Verbrechens gegen die Menschlichkeit" in Griechenland. Die deutsche Aktivistin äußerte sich explizit in ihrer Anklage: "Konkret meine ich die Schädigung der Gesundheit zahlloser Griechen durch Hunger und Vorenthaltung von Medikamenten."

"Spiegel Online" berichtete im Jahr 2014, dass eine Anklage gegen die Mitglieder der Bundesregierung, aber auch gegen die Chefs des Bundesnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, erhoben wurde. Die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden hatten damals nicht nur die NSA-Affäre zur Folge. Wie die "FAZ" berichtet, schaltete Europas größte Hacker-Community Chaos Computer Club eine Anzeige. Sie warfen der Regierung verbotene geheimdienstliche Tätigkeit oder Beihilfe vor. Auch die Grünen und die Linke klagten Merkel offiziell in Karlsruhe an. Sie beschuldigten die Kanzlerin, die Aufklärung des globalen Datenspionage-Skandals zu behindern.

Was ist an den Vorwürfen dran?

Hochverrat:
Laut Strafgesetzbuch begeht derjenige Hochverrat, der "es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt

1. den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder

2. die auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern".

Demnach ist der Kanzlerin Hochverrat nicht anzulasten. Im Fall der wachsenden Flüchtlingsströme nach Deutschland wird schließlich faktisch kein deutscher Bestand beeinträchtigt.

Schleusertätigkeiten:
Als Schleuser macht man sich strafbar, wenn unerlaubte Einreisen organisiert werden d.h. aber auch, dass die Strafbarkeit bei den Helfern liegt. Demzufolge könne eine theoretische Schuld auch bei der Bundeskanzlerin liegen, die mit ihrer Flüchtlingspolitik ab dem 5. September die unerlaubte Einreise aktiv gefördert habe, so "Focus Online". Praktisch dürfte der Vorwurf aber nichtig sein.

Welche Konsequenzen muss Merkel befürchten?

"Focus Online" gegenüber erklärte der Strafrechtsprofessor Holm Putzke von der Universität Passau, dass die Anzeigen substanzlos seien und es kaum Aussicht auf eine erfolgreiche Klage gäbe.

Folgen noch weiter Anzeigen?

Nachdem das rechtspopulistische Magazin "compact" einen Mustertext für eine Strafanzeige gegen Merkel auf ihrer Website veröffentlicht hat, rechnet die Generalbundesanwaltschaft nun mit weiteren Anzeigen.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.