Nach erwarteten weiteren antisemitischen Protesten ist der Schutz jüdischer Einrichtungen hierzulande noch einmal erhöht worden. Die aktuelle Entwicklung könnte bestehende Radikalisierungstendenzen noch verstärken.
Nach den für Freitag erwarteten antisemitischen Protesten hierzulande ist der Schutz jüdischer Einrichtungen noch einmal erhöht worden. Die Bundesländer lassen den Schutz "jetzt in ganz Deutschland auf einem erhöhten Niveau laufen", sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, am Freitag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Münch rechnet angesichts des Aufrufs der Hamas zu weltweiten Protestaktionen damit, dass dies auch bei deren deutschen Anhängern "einen Widerhall findet".
Es gehe deshalb darum, die Grenzen von Demonstrationen "klar zu ziehen", betonte der BKA-Chef. Natürlich sei es erlaubt, für das Schicksal von Israelis und Palästinensern Mitgefühl zu zeigen oder zu protestieren. "Wenn das Ganze aber missbraucht wird für terroristische Propaganda, dann sind Grenzen nicht nur des Strafrechts überschritten." Solche Versammlungen müssten dann unterbunden werden, forderte Münch.
Dessen Behörde rechnet einem Bericht zufolge mit einer Protestwelle gegen jüdische Einrichtungen und Gebetshäuser in Deutschland. Neben "demonstrativen Aktivitäten" seien auch Proteste vor US-amerikanischen Einrichtungen, insbesondere in Berlin, sowie vor US-Militärstützpunkten zu erwarten, heißt es in einem internen Lagebild, über das der "Kölner Stadt-Anzeiger" am Freitag berichtete.
Noch keine Aufrufe zu Anschlägen in Deutschland
Nachdem Israel die Bundesregierung um die Lieferung von Munition bat, könnten laut BKA zudem Rüstungskonzerne "in das Zielspektrum pro-palästinensischer Personengruppen fallen". Auch gezielte antisemitische Aktionen aus der linksextremen Szene werden demnach erwartet, unter anderem Sachbeschädigungen an entsprechenden Einrichtungen.
Das BKA geht nach dem weltweiten Hamas-Protestaufruf davon aus, dass auch islamistische Prediger das Freitagsgebet dazu nutzen, die Teilnehmer mit antisemitischen Aussprüchen aufzustacheln. Noch gebe es keine Aufrufe zu Anschlägen in Deutschland oder Europa, heißt es dem Bericht zufolge in dem Lagebild. Die Ermittler halten es allerdings nicht für ausgeschlossen, dass die Hetze der Hamas der Auslöser für "Gewalttaten gegen israelische Ziele in Deutschland" sein könnte.
Radikalisierungstendenzen könnten verschärft werden
Auch könne das "erhebliche Emotionalisierungspotenzial des Konflikts jederzeit dazu führen, dass Radikalisierungstendenzen bei einzelnen Personen verschärft werden", zitierte die Zeitung weiter aus dem Lagebild. Es werde nicht ausgeschlossen, dass es zu spontanen gewaltsamen "Tatentschlüssen" während pro-palästinensischer Demonstrationen kommt. Konkrete Hinweise zu Anschlagsplanungen auf jüdische Einrichtungen hat das BKA aber noch keine - die Gefährdungslage sei aber nach wie vor sehr hoch. Vor Cyberattacken warnten die Ermittler ebenfalls.
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, warnte anlässlich des Aufrufs der Hamas deren Anhänger in Deutschland. Die deutschen Sicherheitsbehörden hätten diese "fest im Blick", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Jüdische Einrichtungen würden umfassend geschützt, Verfassungsfeinde beobachtet. "Wer dem Aufruf folgt, Hass und Hetze verbreitet und jüdisches Leben bedroht, der wird die volle Härte unserer Gesetze spüren."
Kurzfristige Innenministerkonferenz berät über Sicherheitslage
Die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern (IMK) will angesichts der Eskalation in Nahost über die aktuelle Sicherheitslage in Deutschland beraten. Die Vorsitzende der Konferenz der Innenministerinnen und Innenminister, Berlins Innensenatorin Iris Spranger, habe auf Bitte von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) kurzfristig für den späten Freitagnachmittag zu einer Videokonferenz eingeladen, hieß es aus Sicherheitskreisen.
Bei dem Gespräch werde es insbesondere um den Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen gehen sowie darum, wie Unterstützung für die islamistische Hamas-Bewegung in Deutschland unterbunden werden könne. (afp/dpa/lko)
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