Die britische Premierministerin übersteht den Aufstand in ihrer Fraktion. Doch Freude kommt nicht auf: Sie dürfte nun kaum bessere Chancen haben, das Brexit-Abkommen durch das Parlament zu bekommen.
Die britische Premierministerin
May erhielt die Stimmen von 200 der 317 konservativen Abgeordneten im Unterhaus. Sie kann damit zwar als Parteichefin und Premierministerin weitermachen. Aber sie muss weiterhin ihren Brexit-Deal durchs Parlament bringen. Sie kann nun damit rechnen, dass 117 Abgeordnete ihrer eigenen Partei dabei nicht mitspielen werden. Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse ist das ein desaströses Ergebnis.
Aufstand gegen May
Ein Trost für May: Innerhalb der nächsten zwölf Monate kann nun kein weiterer Misstrauensantrag in der Partei gegen sie gestellt werden.
Hinter dem Aufstand gegen May standen hauptsächlich die Brexit-Hardliner ihrer Fraktion um den erzkonservativen Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg. Das Ergebnis sei "schrecklich", sagte er nach der Abstimmung. "Sie muss dringend zur Queen gehen und zurücktreten."
Die Britische Handelskammer appellierte an die Abgeordneten, "keine Zeit zu verschwenden" und schnell Klarheit für Unternehmen zu schaffen: "Es sind nur etwa 100 Tage, bis Großbritannien die EU verlässt", sagte Generaldirektor Adam Marshall.
Ausgelöst wurde der Aufstand im Parlament durch den Streit über das Brexit-Abkommen, das die Unterhändler Großbritanniens und der EU in Brüssel ausgehandelt hatten. Die Brexit-Hardliner um Rees-Mogg befürchten, dass Großbritannien durch das Abkommen dauerhaft eng an die Europäische Union gebunden wird. In weniger als vier Monaten - am 29. März - will das Land aus der Staatengemeinschaft ausscheiden.
Rücktritt nach Brexit
Kurz vor dem Beginn des Wahlgangs hatte sich die Regierungschefin mit einer Ansprache an ihre Parteifreunde gewandt. "Kraftvoller und bewegender Moment", schrieb ein Abgeordneter auf Twitter über den Auftritt Mays hinter verschlossenen Türen. Die Premierministerin habe klar gemacht, dass sie zurücktreten werde, sobald der Brexit vollzogen sei. Minister berichteten, May habe in Aussicht gestellt, nicht mehr bei der nächsten regulären Parlamentswahl 2022 anzutreten.
May hatte eine für Dienstag angesetzte Abstimmung über ihren Brexit-Deal auf Eis gelegt, weil sie auf eine sichere Niederlage zusteuerte. Das brachte aus Sicht vieler Abgeordneter das Fass zum Überlaufen. Einen neuen Termin für die Abstimmung gibt es noch nicht. May kündigte nur an, dass sie vor dem 21. Januar stattfinden soll.
"Zeit rennt davon"
Am Donnerstag beschäftigt sich der EU-Gipfel noch einmal mit den britischen Austrittsplänen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs wollen dazu beitragen, dass der fertige EU-Austrittsvertrag eine Mehrheit im britischen Parlament findet. Wie dies ohne Nachverhandlungen geschehen soll, ist offen.
Merkel betonte am Mittwoch im Bundestag, man arbeite hart, um einen ungeregelten Brexit ohne Vertrag zu vermeiden. Ratschef Donald Tusk stellte aber in seinem Einladungsbrief an die EU-Staats- und Regierungschefs auch klar, dass man sich nun verstärkt für ein solches Szenario wappne. "Da die Zeit davonrennt, werden wir auch den Stand der Vorbereitung für ein No-Deal-Szenario diskutieren", schrieb Tusk. Er bezeichnete die Situation in Großbritannien als ernst.
(dpa/af)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.