Die Zeit rennt, aber die Brexit-Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien kommen nicht voran. Es scheint, als verliere Brüssel zunehmend auch die Geduld mit den Briten.
Die Europäische Union hat derzeit offenbar keine Lust auf Gespräche über den Brexit. Eigentlich sollte das Thema in der kommenden Woche während eines Treffens der EU-Botschafter diskutiert werden. Doch nun hat Deutschland – das derzeit den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehat – den Punkt von der Agenda gestrichen.
Der Grund: Berlin sieht "keine greifbaren Fortschritte" in den zurückliegenden Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien, wie ein EU-Diplomat der britischen Tageszeitung "The Guardian"sagte . Der Staatenbund soll sich demnach über einen "völlig vergeudeten" Sommer beklagt haben.
Laut dem "Guardian"-Bericht gehen EU-Beamte davon aus, dass die britische Regierung bereit ist, einen ungeregelten Ausstieg aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion Ende des Jahres zu riskieren. Sollten die Gespräche tatsächlich scheitern, werde London die Schuld an einem "No-Deal-Brexit" Brüssel zuzuschieben versuchen, glauben die EU-Beamten.
Brexit-Verhandlungen die rückwärts statt vorwärts gehen
Die Resignation kommt alles andere als überraschend. Nach Abschluss der siebten Verhandlungsrunde hatten sich beide Seiten bereits am vergangenen Freitag gegenseitig schwere Vorwürfe gemacht.
"Ich verstehe einfach nicht, warum wir wertvolle Zeit verschwenden", sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Es gelte nach wie vor, was er bereits Ende Juli gesagt habe: Es sei unwahrscheinlich, dass ein Abkommen rechtzeitig – also bis Ende Oktober – zustande komme. Es habe sich diese Woche zu oft so angefühlt, als würde man rückwärts statt vorwärts gehen, kritisierte der Franzose.
Aus EU-Kreisen hieß es, Strategie Londons sei es offenbar, die Verhandlungen über die problematischsten Fragen so weit wie möglich aufzuschieben – wohl in der Hoffnung, dann unter Zeitdruck einen besseren Deal zu bekommen. Knackpunkte sind unter anderem die EU-Forderungen nach gleichen Wettbewerbsbedingungen und nach einem "ausgewogenen" Fischereiabkommen.
Im Interview mit unserer Redaktion sah der Brexit-Beauftragte des Europäischen Parlaments, David McAllister, bereits Anfang Juli Großbritannien am Zug. "Die Verantwortung liegt jetzt eindeutig auf der britischen Seite. Bislang lag es nicht an der Europäischen Union, dass es nicht vorangeht", erklärte der deutsch-britische CDU-Politiker.
Übergangsphase läuft Ende 2020 aus
Der britische Chef-Unterhändler David Frost warf hingegen der Europäischen Union vergangene Woche vor, die Verhandlungen "unnötig" zu erschweren. "Wir hatten nützliche Diskussionen in dieser Woche, aber es gab nur wenig Fortschritte", teilte Frost mit. Eine Einigung sei aber möglich. "Das ist immer noch unser Ziel, aber es wird nicht leicht zu erreichen sein." Er warnte davor, dass die Zeit knapp werde.
Großbritannien hat die Staatengemeinschaft nach fast einem halben Jahrhundert Ende Januar verlassen. Dennoch gehört das Land noch bis Jahresende zum EU-Binnenmarkt und zur Zollunion. Verhandelt wird nun über ein Anschlussabkommen – ansonsten droht ein harter wirtschaftlicher Bruch mit Zöllen und Handelshemmnissen.
Die Übergangsphase läuft Ende des Jahres aus. Ein mögliches Abkommen muss zuvor jedoch vom Europaparlament, den EU-Staaten und dem britischen Parlament ratifiziert werden. (dpa/AFP/mf)
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