Pro Jahr fliehen eine halbe Million Menschen aus Honduras, El Salvador und Guatemala. Viele von ihnen wollen ein neues Leben in den USA beginnen. Präsident Donald Trump wettert gegen die Migranten. Doch sein Land trägt eine Mitverantwortung für ihre Fluchtgründe.

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Der Weg ist nicht nur mühsam, sondern auch gefährlich – und an ihrem Ziel sind sie alles andere als willkommen. Trotzdem fliehen Hunderttausende Menschen aus drei Ländern Zentralamerikas in Richtung USA – die Organisation Ärzte ohne Grenzen spricht von 500.000 Flüchtlingen pro Jahr.

Besonders betroffen sind die drei Länder des sogenannten nördlichen Dreiecks: Honduras, El Salvador und Guatemala. Zusammengenommen bilden Menschen aus diesen Staaten inzwischen die größte Gruppe von Flüchtlingen, die die US-Südgrenze überqueren wollen. Sie fliehen vor Armut, sozialer Ungleichheit und Gewalt.

Gewalttätige Banden und Regierungen mit harter Hand

Dem UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung zufolge sind El Salvador und Honduras die zwei Länder mit den höchsten Mordraten weltweit. In Honduras zum Beispiel terrorisieren Jugendbanden die Bevölkerung.

Von Bürgern erheben sie eine "Kriegssteuer", um Kämpfe gegen verfeindete Gruppen zu finanzieren. Davon betroffen sind auch Frauen und Kinder, die zudem unter der weitverbreiteten häuslichen Gewalt leiden. Das zeigen auch Zahlen der US-Grenzschutzbehörde, die das "Pew Research Center" aufgearbeitet hat: 2019 waren bisher 53 Prozent der aufgegriffenen Migranten als Familien unterwegs, 10 Prozent waren alleinreisende Kinder.

Die Regierungen versuchen, mit Härte gegen Kriminelle vorzugehen. Viel ausgerichtet habe das nicht, sagt Sabine Kurtenbach, kommissarische Direktorin des GIGA-Instituts für Lateinamerika-Studien, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Wenn man auf Gewalt mit Gewalt antwortet, produziert das noch mehr Gewalt." Die Situation in den Gefängnissen zum Beispiel sei katastrophal – sie seien in den betroffenen Ländern wahre Schulen des Verbrechens.

"Hinterhof" der USA

"Die immense Gewalt ist nicht vom Himmel gefallen", betont Kurtenbach. Ihre Quellen seien extreme Ungleichheit und fehlende Zukunftsperspektiven: "In Guatemala kann man in Malls gehen, die nicht so anders aussehen als europäische Einkaufszentren. Der Entwicklungsstand der ländlichen Regionen ist dagegen teilweise mit Afrika südlich der Sahara zu vergleichen." An den strukturellen Ursachen der Fluchtbewegung tragen die USA nach Auffassung der Politikwissenschaftlerin zudem eine Mitverantwortung.

Zentralamerika galt lange als "Hinterhof" Amerikas, in dem US-Politiker ihre Interessen verfolgten und sich in interne Konflikte einmischten. In den 50er-Jahren zum Beispiel unterstützen die USA einen Militärputsch gegen die demokratisch gewählte Regierung Guatemalas.

Später erschütterten Bürgerkriege mehrere Länder der Region, wo benachteiligte Gruppen gegen Militärdiktaturen aufbegehrten. In den 80er- und 90er-Jahren förderten die Amerikaner eine neoliberale Wirtschaftspolitik, die nicht gerade dazu beitrug, die große soziale Ungleichheit zu verringern.

Gegenbeispiel Costa Rica

In den 90er-Jahren kam es zu einer Reihe von Friedensprozessen. Wirklich befriedet wurden die meisten Staaten aber nicht, sagt Sabine Kurtenbach: Weil wichtige Reformen nicht sofort umgesetzt wurden und Gewalt weiterhin an der Tagesordnung ist. "Wir erleben zum Teil eine extreme Gewalt gegen Vertreter von Menschenrechtsgruppen und sozialen Bewegungen, die sich zum Beispiel für eine gerechte Landverteilung oder indigene Gruppen einsetzen."

Dass sich Zentralamerika auch anders entwickeln kann, zeigt Costa Rica. Das Land habe in der Region immer eine Sonderstellung eingenommen, erklärt Kurtenbach: "Weil es eher wenig Bodenschätze gibt, ist die Ungleichheit dort weniger groß." Vor allem habe Costa Rica in den 50er-Jahren den kleinen Zeitraum genutzt, in dem sich die USA nicht besonders für Zentralamerika interessierten. "In dieser Zeit hat es grundlegende Reformen durchgeführt und zum Beispiel sein Militär abgeschafft."

Regierungen profitieren vom Status Quo

Politiker in der Region versprechen immer wieder, den Exodus zu bekämpfen. Erfolge haben sie bisher kaum vorzuweisen. Vielleicht auch, weil die Staaten bisher sogar darauf angewiesen sind, dass Menschen in die USA fliehen.

Nach Angaben der Friedrich-Ebert-Stiftung machen Rücküberweisungen von zentralamerikanischen Arbeitsmigranten aus den Vereinigten Staaten bis zu 19 Prozent des Bruttonationalprodukts ihrer Heimatländer aus. "Diese Zahlungen sind auch für die Regierungen eine Überlebensstrategie", sagt Sabine Kurtenbach.

Flüchtlingszahlen waren schon deutlich höher

Der Weg in die USA führt auf rund 4.000 Kilometern durch Mexiko, wo Migranten ebenfalls immer wieder Opfer von Gewalt werden. An der Grenze zu den USA stoßen sie dann auf ein Land, dessen Präsident sie alles andere als willkommen heißt. Zwar hat Donald Trump seine versprochene Mauer entlang der Grenze bisher nicht umsetzen können – ein Großteil ist aber ohnehin schon mit Zaunanlagen abgeriegelt.

Wohlgemerkt ist Migration aus Zentralamerika nicht neu für die USA. Laut US-Grenzschutzbehörde wurden im Jahr 2000 sogar mehr als doppelt so viele Flüchtende aufgegriffen wie heutzutage. Dass sie derzeit so im Fokus stehen, hat auch damit zu tun, dass Trump das Thema immer wieder aufgreift.

Und die Menschen werden weiterhin in die USA strömen. "Selbst unter den schwierigen Bedingungen ist es für viele Zentralamerikaner immer noch besser, dorthin zu gehen als in ihrer Heimat zu bleiben", sagt Sabine Kurtenbach. "Das beweist, wie schrecklich die Situation für die Menschen ist."

Verwendete Quellen:

  • Prof. Dr. Sabine Kurtenbach, GIGA Institut für Lateinamerika-Studien
  • Ärzte ohne Grenzen: Den unsichtbaren Kriegen entkommen – wie Gewalt und Armut Menschen in die Flucht treiben
  • Friedrich-Ebert-Stiftung: Regionale Migration in Zentralamerika
  • Pew Research Center: What's happening at the U.S.-Mexico border in 6 charts
  • United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC): Intentional Homicide Victims
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