Bereits die zweite Nacht in Folge hat es in Minneapolis schwere Ausschreitungen gegeben. Der Grund: Ein Video, das die qualvolle Tötung eines Schwarzen durch einen Polizisten zeigt. Aufgenommen hat die Szenen eine 17-Jährige – damit der Fall nicht vertuscht werde.
Es sind qualvolle 10 Minuten und 9 Sekunden. Das Video aus Minneapolis zeigt, wie ein weißer Polizist sein Knie auf den Hals des am Boden fixierten George Floyd drückt. Der 46-Jährige fleht wiederholt um Hilfe. "Ich kann nicht atmen", sagt er.
Dann verliert Floyd das Bewusstsein. Der Afroamerikaner stirbt kurze Zeit später im Krankenhaus.
Dass der Tod seit Tagen landesweit für zunehmend aggressive Proteste sorgt, liegt auch an den drastischen Handyaufnahmen, die Darnella Frazier ins Internet stellte. Die erst 17-Jährige veröffentlichte das komplette Video noch am Montagabend auf ihrer privaten Facebookseite – versehen mit einer eindrücklichen Beschreibung: "Sie töteten ihn direkt vor Cup Foods an der Ecke 38. Straße und Chicago-Avenue!". Frazier versah den Post zudem mit dem Hashtag "Polizeibrutalität".
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich der Clip erst in den sozialen Medien, dann über US-Fernsehsender und schließlich auf dem ganzen Globus. Das Video entfachte die Wut und Empörung der Demonstranten. Wohl auch, weil es die augenscheinlich sinnlose Brutalität des Polizisten festhielt. Wie er Floyd grundlos quält, traktiert und schließlich umbringt.
Die insgesamt vier involvierten Polizisten wurden zunächst entlassen. Einer von ihnen ist inzwischen allerdings festgenommen worden. US-Medien berichteten am Freitag übereinstimmend, es handle sich um den Polizisten, der sein Knie minutenlang an den Hals Floyds gedrückt hatte. Alle notwendigen Beweise lägen nun vor, der Polizist werde wegen Mordes und Totschlags angeklagt, sagte der zuständige Bezirksstaatsanwalt Mike Freeman bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Die Fälle der anderen drei beteiligten Polizisten würden noch untersucht.
"Als ich ankam, lag er bereits auf dem Boden"
Frazier war laut "Washington Post" gerade auf dem Weg zu Freunden, als sie auf den Vorfall vor dem "Cup Foods"-Supermarkt aufmerksam wurde. Sie zückte ihr Smartphone und begann zu filmen.
"Als ich ankam, lag er bereits auf dem Boden", erzählt Frazier später in einem anderen Facebook-Video. "Die Cops... sie haben ihn am Hals festgehalten und er hat geweint. ... sie versuchten nicht, ihn ernst zu nehmen", erzählt sie.
Mehr und mehr Passanten seien auf die Situation aufmerksam geworden und stehen geblieben. Floyds Gesicht soll Frazier zufolge so hart auf den Boden gedrückt worden sein, dass seine Nase zu bluten angefangen habe.
Im Originalvideo ist auch ein Passant zu hören, der auf den Polizisten einredet. "Bruder, er bewegt sich nicht einmal. Runter von seinem Hals!" Ein anderer fragte: "Hast du ihn getötet?"
Frazier wird angefeindet
Wie sehr der Vorfall Frazier beschäftigt, zeigen Beiträge der vergangenen Tage auf ihrer Facebook-Seite: Dort bedankte sie sich bei dem Polizeichef, der die involvierten Beamten entließ, teilte Erinnerungsfotos des getöteten Floyd und kritisierte eine erste Meldung der Polizei, die lediglich von einem "medizinischen Vorfall" sprach.
Doch Frazier klagt auch über Anfeindungen, unter anderem, warum sie nicht eingeschritten sei. "Denkt daran, ich bin minderjährig! 17 Jahre alt, natürlich werde ich mich nicht gegen einen Polizisten zur Wehr setzen, ich war fürchterlich verängstigt", schreibt sie.
Sie betont auch: "Wenn ich nicht da gewesen wäre, hätten vier Polizisten immer noch ihre Jobs und würden andere Probleme verursachen." Der Polizei unterstellt sie, ohne ihre Aufnahmen hätte diese den Tod Floyds "unter den Teppich gekehrt".
Schon vor dem Vorfall hatte Frazier, selbst schwarz, auf Facebook auf rassistische Gewalt gegen Schwarze aufmerksam gemacht, darunter auch mehrmals auf den Mord an dem Jogger Ahmaud Arbery: Ein verstörendes Handyvideo zeigte, wie er von weißen Männern offenbar angegriffen und dann erschossen wurde.
Nach der Tat im Februar hatte es zwei Monate gedauert – bis zur Veröffentlichung des Videos –, bis es in dem Fall erste Festnahmen gab. Einer der Verdächtigen soll früher Polizist gewesen sein.
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