• Karl-Theodor zu Guttenberg galt als potentieller Kanzlerkandidat, bevor er über eine Plagiatsaffäre stürzte.
  • Immer wieder versuchte er sich an einem Comeback.
  • Zuletzt scheiterte er an seinem Ehrgeiz.
Eine Analyse

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Vor einem Jahr gab Karl-Theodor zu Guttenberg dem Fernsehsender "n-tv" ein knapp zehnminütiges Interview. Vor einem lodernden Kamin erklärte er, weshalb Donald Trump gute Chancen auf eine Wiederwahl habe, wieso Europa zwischen Amerika und China zerrieben werden könne, und warum Friedrich Merz der bessere Kanzlerkandidat sei. Man mag darüber spotten, dass Guttenberg mit mindestens zwei Prognosen daneben lag. Unzweifelhaft stand dort aber ein Mann, der noch immer gern die Welt erklärt.

Fast hätte er das auch hauptamtlich tun können. Es gab ja mal eine Zeit, in der fiel dem Freiherrn aus uraltem Adelsgeschlecht fast alles zu. Guttenberg – genannt KT – war so etwas wie ein Kanzler der Reserve, kurz vor dem Sprung in die bayerische Staatskanzlei, nur eine Armlänge vom Kanzleramt entfernt. Mit 36 Jahren zum CSU-General gewählt, mitten in der Finanzkrise zum jüngsten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik aufgestiegen und noch im gleichen Jahr zum Verteidigungsminister ernannt. Es war eine Karriere, aus der Kanzler geschnitzt sind.

Politisch nicht unumstritten

Öffentlich wurden Guttenberg die Attribute Seriosität, Weltläufigkeit und Kompetenz zugeschrieben, was jedoch nur am Rande mit besonderem politischem Können zu erklären wäre. Bis heute ist man in der Bundeswehr damit beschäftigt, die Trümmer von dessen Prestigeprojekt – dem Aussetzen der Wehrpflicht – wegzuräumen. Guttenberg hatte aber etwas anzubieten, was sonst kaum ein anderer Politiker bot: Kompromisslose Nähe zu den Medien. Die Hauptstadtredaktionen hatten in der Bilderbuchfamilie, bestehend aus Frau Stephanie und den beiden Töchtern, ihre Kennedys gefunden, die keiner Fernsehkamera widerstanden, auch nicht, wenn diese vor der eigenen Wohnungstür aufgebaut war. Auf welche Dankbarkeit diese Offenheit zeitweise stieß, zeigte exemplarisch eine Ausgabe des "Stern". Auf dem Cover lächelte der Wirtschaftsminister mit offenem Hemd, in silberner Schrift stand dort: "Der coole Baron. Warum der neue Wirtschaftsminister so populär ist." Ähnlich euphorisiert ging es im Heft zu: Dem "Überflieger" war eine zehnseitige Hochglanz-Bilderstrecke gewidmet, in der Guttenberg zu jeder Lebenslage eine gute Figur abgab: Im Hubschrauber, zwischen schönen Frauen, mit Kindern. Den Zugang, den die Guttenbergs gewährten, war auch für Journalisten eine schöne Abwechslung zur Kanzlerin, deren Privateste Offenbarung war, gerne Kartoffelsuppe zu kochen.

Die "Bild"-Zeitung förderte Guttenberg

Entsprechend positiv fiel auch das erste Betrachtungswerk über den CSU-Mann unter dem Namen "Aristokrat, Politstar, Ministar" aus, das pünktlich zu dessen 38. Geburtstag in den Buchhandlungen vorlag. Die Biographie las sich tatsächlich so wie sie hieß: Wie eine Heldensaga aus der politischen Neuzeit, in der allenthalben Anekdötchen über den formvollendeten Baron geschildert wurden, dem alles zu gelingen schien, egal wie unmöglich das Unterfangen war. Die Autorin der Biographie: Eine Bild-Journalistin. Von einer "Koalition der Gegelten" war zu diesem Zeitpunkt längst die Rede. Optisch, weil die Haarpracht von BILD-Chefredakteur Kai Diekmann ähnlich glänzte wie die des Ministers. Inhaltlich, weil sich die größte Boulevardzeitung Deutschlands ganz besonders um ihn kümmerte, als Guttenbergs Stern langsam zu sinken begann.

Als Verteidigungsminister machten Guttenberg immer neue Fälle von Vertuschung und Fehlinformation zu schaffen. Etwa in der Kundus-Affäre, wo er 2009 Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert entließ, um sich selbst zu retten. Das Muster wiederholte sich, als im November 2010 eine junge Kadettin vom Mast des Marineschiffs Gorch Fock stürzte und Guttenberg den Kommandanten handstreichartig feuerte. Hatten viele Medien zuvor weniger auf die Performance als die Anzüge des politischen Überfliegers geschaut, schrieben viele Leitartikler nun zunehmend kritisch über dessen Aktionismus. Dieser, so die allgemeine Wahrnehmung, stelle sich nur hinter die Truppe, wenn es dem eigenen Ansehen nutze. Bei der Truppe erwartet man von der politischen Führung in Krisenzeiten dieselbe Rückendeckung wie von jedem Kameraden im Gefecht. Guttenbergs Verhalten galt deshalb vielen als friendly fire.

Rücktritt nach einer Reihe von Fehlern

Der Minister hatte es also bereits schwer, als das Portal "Guttenplagwiki" im Februar 2011 darauf hinwies, mit welcher Kaltschnäuzigkeit sich der Minister seine Dissertation an der Universität Bayreuth erschlichen hatte. Die Front, an der er kämpfen musste, war in diesem Moment so breit geworden, dass Guttenberg im März, nach nur 16 Monaten im Amt, zerknirscht, abgekämpft und zermürbt seinen Rücktritt erklärte. "Und ich gehe nicht alleine wegen meiner so fehlerhaften Doktorarbeit, wiewohl ich verstehe, dass dies für große Teile der Wissenschaft ein Anlass wäre. Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch nachkommen kann."

Doch Loslassen entsprach nicht Guttenbergs Naturell. Schon wenige Wochen nach seinem Rücktritt veröffentlichte die "Zeit" ein Interview, das als Vorabdruck für den Gesprächsband "Vorerst Gescheitert" gedacht war, aber in der Öffentlichkeit als etwas anderes ankam: Den Versuch auf eine schnelle Rückkehr in ein Ministeramt. Allein die zeitliche Nähe zum Rücktritt machte dieses Unterfangen unmöglich. Dennoch sondierte Guttenberg, der 2013 eine Investment- und Beratungsfirma in New York gegründet hat, immer wieder das Terrain für ein politisches Comeback. Weggefährten berichteten, Guttenberg wolle sich unbedingt rehabilitieren, weil ihm die schmählichen Umstände seines politischen Endes zu schaffen machten. Wiedergutmachung gebe es nur mit einem politischen Amt, am besten im Bundeskabinett.

Im Wahlkampf 2017 für die CSU auf Tour

Für einige Wochen schien sich die Tür kurz vor den Bundestagswahlen 2017 einen Spalt breit zu öffnen. Insgesamt neunmal durfte Guttenberg den Wahlkampf von Horst Seehofer unterstützen, was so erfolgreich war, dass zu seinen Bierzeltreden zeitweise mehr Presse angemeldet war als bei den Auftritten der Kanzlerin. So riss Guttenberg vormittags auf dem Gillamoos Witze über sein Plagiat, um abends bei "Anne Will" das Duell der Spitzenkandidaten zu kommentieren. Alles schien in diesem Sommer möglich, die Bild-Zeitung sah Guttenberg schon in der ersten Reihe für das Kanzleramt, "spätestens für die Zeit ab 2021". Doch Guttenberg winkte ab.

Vier Jahre später ist es diesmal seine eigene Partei, die maximale Distanz zu ihrem einstigen Kronprinzen hält. Von Auftritten, die Guttenberg problemlos aus seinem amerikanischen Wohnzimmer streamen könnte, ist für den kommenden Wahlkampf jedenfalls nichts zu hören. Das Problem: Guttenberg hatte mit seiner Firma "Spitzberg Partners" für den Zahlungsdienstleister Wirecard bis in das Kanzleramt hinein lobbyiert und das Pech, dass die Firma wenig später pleite ging. Die Kanzlerin, die schon von Guttenbergs Rücktritt kalt erwischt wurde, war düpiert und Guttenberg hatte seinen letzten großen Auftritt vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss.

Akademisch lief es für Guttenberg zuletzt besser: 2018 reichte er an der Universität von Southhampton eine Promotionsschrift ein. Er darf sich nun wieder Doktor nennen.

Verwendete Quellen:

  • Bayernkurier: "Neun Mal zu Guttenberg"
  • Tagesschau: "Wirecard hat uns alle getäuscht"
  • Gründerszene: "Der unfassbare Karl-Theodor zu Guttenberg"
  • Spiegel: "Die drei Fehler des 'KT'"
  • n-tv: "Ich genieße das hier"
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