In vielen deutschen Städten heulten die Warn-Sirenen nicht, weil es dort keine mehr gibt. Und auch die, die sich während des ersten bundesweiten Probelalarms auf Warn-Apps auf ihrem Smartphone verließen, hörten - nichts. Das Bundesinnenministerium hat deshalb den Warntag für gescheitert erklärt.
Das Bundesinnenministerium hat den landesweiten Probealarm vom Donnerstagvormittag als "fehlgeschlagen" bezeichnet. Grund dafür sei ein technisches Problem. "Die Vorgänge werden jetzt umfassend aufgearbeitet", kündigte das Ministerium in Berlin an. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten dann bei der weiteren Entwicklung des Warnsystems berücksichtigt werden.
Die angekündigte Gefahrenmeldung der Warn-Apps NINA und KATWARN war am Vormittag erst mit einer guten halben Stunde Verspätung auf den Smartphones angekommen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn erklärte diese Panne mit der zeitgleichen Auslösung einer Vielzahl von Warnmeldungen.
Präsident Christoph Unger sagte, erste Analysen hätten ergeben, dass um 11 Uhr nicht nur wie geplant eine zentrale Warnung ausgelöst wurde, sondern viele andere angeschlossene Leitstellen ebenfalls eigenständig Warnungen ausgelöst haben. Das habe zu einer Systemüberlastung geführt.
Probleme in der App am Warntag wären vermeidbar gewesen
Die Probleme mit der App wären wohl vermeidbar gewesen - wenn Deutschland ein anderes System einsetzen würde: den Mobilfunkdienst Cell Broadcast. Damit wäre es möglich, Textnachrichten an alle Empfänger innerhalb einer Funkzelle zu senden, die Mobilfunknummern müssen dafür nicht bekannt sein. Innerhalb von wenigen Sekunden könnten so Millionen Menschen erreicht werden - ohne dass dazu eine zusätzliche App und deren Einrichtung nötig wäre.
Dieser weltweit genutzte Standard wird von nahezu allen Handys unterstützt und bereits in Japan, Südkorea, Kanada, den USA, der Niederlande, Rumänien, Litauen oder Griechenland verwendet.
Berlin und München haben keine Sirenen mehr
Mitunter ging der Warntag komplett an der Bevölkerung vorbei, etwa in großen Städten wie Berlin oder München: Dort existieren keine Sirenen mehr. "Die Zivilschutzsirenen des Bundes wurden in Berlin Anfang der 90er Jahre abgebaut", teilte die Senatsinnenverwaltung mit.
In München twitterte die Feuerwehr: "Kein Sirenenalarm, weil es in München gar keine Sirenen mehr gibt." Sie seien nach dem Ende des Kalten Kriegs nach und nach abgebaut worden.
In sozialen Netzwerken äußerten sich viele Nutzer verwundert darüber, dass Sirenen nicht heulten. Der Gehörlosen-Bund twitterte scherzhaft: "Also, wir haben nix gehört."
Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, bezeichnete den Warntag als "Fiasko". Statt die Bevölkerung mit den Warnsystemen vertraut zu machen, habe der Tag gezeigt, dass diese nicht vernünftig funktionierten.
"Im Bereich Katastrophen- und Bevölkerungsschutz gibt es
praktisch in ganz Deutschland besteht dringenden Handlungsbedarf", sagte Theurer. Die Bundesregierung müsse jetzt das Versagen der verschiedenen Systeme aufarbeiten und konkrete Lösungen präsentierten.
Erstmals seit Wiedervereinigung bundesweiter Probealarm
Erstmals seit der Wiedervereinigung war um 11:00 Uhr der bundesweite Probealarm ausgelöst worden. Der sogenannte Warntag dient als Vorbereitung auf Gefahrenlagen wie schwere Unwetter, Überschwemmungen, Chemieunfälle oder auch Terroranschläge.
Künftig soll der Ernstfall jedes Jahr am zweiten Donnerstag im September auf diese Weise eingeübt werden.
Denkbar wären Warnungen etwa bei Bränden, dem Auftreten von radioaktiver Strahlung aber auch bei Stromausfällen oder Naturgefahren wie Erdbeben und Überschwemmungen.
Auch vor Krankheitserregern wie dem Coronavirus warnt das Bundesamt über die Warn-App NINA bei besonderen Situationen. Andere Warn-Apps sind BIWAPP (Bürger Info und Warn App), KATWARN sowie diverse regionale Angebote.
BKK-Präsident Unger: "Wollen keine Angst schüren"
"Es geht nicht darum, Angst und Hysterie zu schüren", sagte BBK-Präsident Christoph Unger. "Das wäre kontraproduktiv." Man dürfe die Bevölkerung aber auch nicht einlullen. Fakt sei, dass die Deutschen mit dem Thema bisher nicht sehr vertraut seien, und das berge Risiken. Man solle zum Beispiel auch immer für ein paar Tage Vorräte im Haus haben.
"Unser Ziel ist vor allem auch, dass man über das Thema nachdenkt", sagte Unger der Deutschen Presse-Agentur. "Wir haben es erlebt bei einem Warntag in Nordrhein-Westfalen, dass sich Kinder in Schulen, in Kindergärten mit der Thematik befasst haben. Dadurch schaffen wir eine gewisse Sensibilität, und das ist uns wichtig." (dpa/hau)
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