Hamburgs Prestigeprojekt sorgt für Schäden an der S-Bahn. Der Bauherr ist insolvent, der Turm steckt fest – wer jetzt weiterbauen will, muss tief in die Tasche greifen.

Mehr Panorama-News

Der Elbtower sollte das Prestigeobjekt Hamburgs werden, jetzt ist er nur noch ein Problemklotz: Nachdem bereits sein Ansehen in der Hansestadt gesunken ist, senkt sich nun auch noch der Boden um das Gebäude. Denn der Rohbau des Hochhauses hat Schäden an der benachbarten S-Bahn-Station Elbbrücken verursacht. Grund dafür sind sogenannte Mitnahmesetzungen: Durch das Gewicht des Gebäudes hat sich der Boden in der Umgebung gesenkt – mit spürbaren Auswirkungen auf die Bahninfrastruktur.

Nach einem Bericht des NDR sind die Setzungen im Bereich der Eisenbahnbrücke so groß, dass bereits im vergangenen Jahr dort Teile ausgetauscht werden mussten. Weitere Arbeiten sind für dieses Jahr geplant. Und das kostet nicht nur Nerven, sondern vor allem auch eine ganze Menge Geld.

Generell ist der Faktor Geld das große Problem des Projekts: Der ursprüngliche Investor René Benko stand mit seiner Signa-Gruppe hinter dem Bau, doch nach dessen spektakulärer Insolvenz ist der Turm zum Sorgenkind geworden.

Benko-Pleite sogt für Baustopp

Im Februar 2018 waren für das Gebäude bei seiner Vorstellung rund 700 Millionen Euro veranschlagt worden . Später stiegen die kalkulierten Kosten auf rund 950 Millionen Euro. Schon damals gab es Kritik am Investor Benko. Markus Schreiber (SPD), seinerzeit Mitglied im Haushaltsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft, sagte dem "Spiegel" im Jahr 2022: "Signa muss endlich seine Kalkulation darlegen. Hamburg darf nicht zum Spielball eines unlauteren Investors werden."

Signa-Gründer René Benko hat die Pleite seiner Firma und damit auch den Baustopp am Elbtower zu verantworten. © picture alliance/EXPA/APA/picturedesk.com

Bis zum Baustopp im Herbst 2023 wurden bereits mehr als 300 Millionen Euro investiert – dann gingen die Lichter aus. Grund war die Schieflage von Benkos Signa Prime Selection AG. Das Unternehmen konnte Rechnungen in Höhe von mehr als 37 Millionen Euro nicht mehr begleichen. Daraufhin stellte die Baufirma Lupp die Arbeiten ein.

Benko, jahrelang einer der prominentesten Immobilieninvestoren Europas, hatte in mehreren Ländern Projekte realisiert – darunter auch Galeria Karstadt Kaufhof. Mit dem Zusammenbruch seiner Unternehmensgruppe brachen zahlreiche Großprojekte zusammen. Die österreichische Justiz ermittelt inzwischen wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung, Benko sitzt in Untersuchungshaft.

Ein Abschied mit Folgen

Die Entscheidung, ausgerechnet René Benko mit seiner Signa-Gruppe als Investor zu wählen, war von Anfang an umstritten. Sein größter Fürsprecher: Hamburgs damaliger Erster Bürgermeister Olaf Scholz.

Kurze Zeit vor seinem Wechsel als Finanzminister nach Berlin stellte Scholz gemeinsam mit den Investoren den Entwurf des Elbtowers öffentlich vor. Für viele galt das Projekt daher als Scholz' symbolisches Abschiedsgeschenk an die Stadt – ein letzter städtebaulicher Meilenstein.

Obwohl sich auch regionale Konkurrenten um den Bau des neuen Prestigeobjektes beworben hatten, entschied sich Scholz zum Unmut vieler für René Benko. Dessen Finanzkraft sollte eine reibungslose Realisierung garantieren. Nach den ausufernden Krawallen beim G20-Gipfel 2017 und der gescheiterten Olympia-Bewerbung für 2024 sollte den Hamburgern so wenigstens ein Großprojekt von Scholz positiv in Erinnerung bleiben.

Der "Kurze Olaf"

  • Der Elbtower sollte mit 245 Metern eigentlich das höchste Gebäude Norddeutschlands und das dritthöchste Deutschlands werden. Doch im internationalen Vergleich ist das eher Mittelmaß. In Hamburg aber wurde der Turm schnell zur Projektionsfläche – und bekam seinen Spitznamen: "Kurzer Olaf".
  • Eine Anspielung auf seine vergleichsweise bescheidene Höhe, vor allem nach dem Baustopp bei 100 Metern, und auf den damaligen Projektinitiator Scholz.

Später wurde berichtet, dass es bereits vor der Vergabe Kontakte zwischen Scholz und Benko gegeben haben könnte – möglicherweise vermittelt durch den österreichischen Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, der im Aufsichtsrat von Benkos Konzern saß. Die Hamburger Senatskanzlei teilte dem "Stern" allerdings mit, sie könne die Information "weder bestätigen noch dementieren".

Weiterbau nur nach Reparaturen

So soll der fertige Turm am Ende aussehen. Ob es dazu kommt, ist aktuell fraglich. © picture alliance/SIGNA_Chipperfield/HafenCity Hamburg GmbH/dpa

Die Hamburger Bauaufsicht hat nun auf die neuerlichen Probleme reagiert: Der Elbtower darf erst weitergebaut werden, wenn die Schäden an der Bahnstrecke vollständig beseitigt und geeignete Maßnahmen zur Stabilisierung des Untergrundes durchgeführt wurden. Neue Investoren müssen die Sanierung finanzieren und sich von der Deutschen Bahn bestätigen lassen, dass alle Risiken beseitigt sind. Damit würde der Turm noch teurer werden, als ohnehin schon geplant - und die Chance, neue Investoren zu finden, noch geringer.

Die Linke in der Hamburger Bürgerschaft sieht das Vorgehen kritisch. Die baupolitische Sprecherin Heike Sudmann sagte dem NDR-Politikmagazin "Panorama 3", es sei nicht nachvollziehbar, dass die Stadt trotz der Überschreitung von Warnwerten weiter an dem Projekt festhält. Sie vermutet politische Gründe, da der Elbtower von Anfang an eng mit Scholz verbunden gewesen sei: "Der Elbtower ist dermaßen politisch gewollt, dass im wahrsten Sinne versucht wird, es irgendwie hinzubiegen."

Wird der Turm nie fertig?

Wer den Elbtower weiterbauen will, muss nun also tief in die Tasche greifen. Rund 500 bis 600 Millionen Euro dürften für die Fertigstellung nötig sein – plus die Kosten für die Instandsetzung der beschädigten Bahnanlagen. Der Hamburger Projektentwickler Dieter Becken hat Interesse signalisiert, offiziell verhandelt wird seit Ende 2024. Zum Konsortium um Becken gehört mit Klaus-Michael Kühne auch einer der reichsten Deutschen.

"Es kann gut sein, dass der Elbtower eine Ruine bleibt."

Klaus-Michael Kühne, Unternehmer und Milliardär

Der Hamburger, der über ein Vermögen von rund 36 Milliarden Euro verfügt, äußerte allerdings Zweifel an der Realisierung des Projekts. Neben ihm gebe es nur einen weiteren Investor, der bereit sei, Geld in die Hand zu nehmen, sagte Kühne der "Bild"-Zeitung. Er selbst wolle sich mit maximal 100 Millionen Euro beteiligen – damit wäre der größte Teil der zu erwartenden Kosten noch zu stemmen.

"Es kann gut sein, dass der Elbtower eine Ruine bleibt", sagte Kühne. Bislang hat der Milliardär durch die Pleite von Benkos Firma 500 Millionen Euro an Investitionen verloren. Vielleicht ein Grund, warum er nicht mehr an den Weiterbau des Elbtowers glaubt und keine höheren Investitionen tätigen will. Bis zur endgültigen Entscheidung bleibt der halbfertige Turm vorerst ein Mahnmal – für überzogene Ambitionen und politische Symbolik.

Verwendete Quellen