Beim Versuch, sich einer Polizeikontrolle zu entziehen, kommt ein völlig überfülltes mutmaßliches Schleuserfahrzeug am frühen Morgen von der Straße ab und überschlägt sich. Mindestens sieben Menschen sind tot, viele weitere verletzt. Der Fahrer wurde festgenommen.
Es ist ein Schreckensszenario: Völlig zerstört liegt der dunkle Kleintransporter auf dem Dach, gebremst von einer Leitplanke. Trümmer liegen neben dem Wagen – und Tote. Sieben Menschen haben bei einem verheerenden Unfall auf der Autobahn 94 in Südostbayern ihr Leben verloren, als ein mutmaßlicher Schleuser versuchte, vor der Polizei zu fliehen. Unter den Todesopfern ist ein erst sechs Jahre altes Kind.
Der 24 Jahre alte Fahrer, ein staatenloser Mann mit Wohnsitz in Österreich, wurde selbst verletzt und noch im Krankenhaus festgenommen. Wie die "Bild"-Zeitung berichtete, wird nun wegen des Verdachts des siebenfachen Mordes gegen ihn ermittelt, die Polizei bestätigte zunächst nur Ermittlungen unter anderem wegen eines Tötungsdeliktes und Schleusung mit Todesfolge.
22 Menschen saßen in Wagen, der höchstens für neun Personen gedacht ist
22 Menschen saßen nach Polizeiangaben mit dem jungen Mann in dem Wagen, der höchstens für neun ausgelegt ist. Angeschnallt dürften darum die wenigsten von ihnen gewesen sein, alle 16 Überlebenden wurden verletzt, einige von ihnen so schwer, dass sie mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen werden mussten. Auch ein zehnjähriges Kind war unter den Verletzten.
Die Insassen stammten aus Syrien und der Türkei. Wo sie über die Grenze nach Deutschland kamen, war zunächst unklar, aber eine Streife der Bundespolizei wurde auf der Autobahn auf den Wagen aufmerksam und wollte ihn anhalten. Doch der Fahrer beschleunigte – laut Polizei auf 180 Kilometer pro Stunde. An der Autobahnabfahrt Ampfing/Waldkraiburg kam der Wagen von der Fahrbahn ab und überschlug sich mehrfach, Insassen wurden hinausgeschleudert.
Faeser: "Müssen Geschäft der Schleuserbanden zerschlagen"
Bundesinnenministerin
Die A94 gilt als typische Schleuserroute. Der Unfallort ist rund 50 Kilometer von der Grenze zu Österreich entfernt. Seit Monaten steigt nach Informationen von Bundespolizei und bayerischer Grenzpolizei die Zahl der registrierten unerlaubten Einreisen. Die bayerische Grenzpolizei stellte von Januar bis August 154 Schleuserfälle fest – das sind über 50 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Erst vor wenigen Tagen war ein mutmaßlicher Schleuser bei Burghausen mit vier Menschen im Auto vor der Bundespolizei geflohen und hatte dabei einen Unfall verursacht. Es gab zwei Schwerverletzte.
Seit März stellt die Polizei auch verstärkt sogenannte Großschleusungen mit Gruppen von mehr als zehn Personen fest, wie das bayerische Innenministerium kürzlich mitteilte. "Die Migranten werden dabei hauptsächlich in Lkw und Kleintransportern nach Bayern eingeschleust." Alleine im August registrierten Bundespolizei und Polizei 66 Großschleusungen, in einer Woche im September waren es 28 Fälle.
Bayerns Innenminister fordert stärkere Grenzkontrollen
Der Fall dürfte die seit Wochen schwelende Debatte um illegale Einwanderungen und die deutsche Migrationspolitik weiter befeuern. Bayerns Innenminister
"Das menschenverachtende Verhalten des durch den Unfall verletzten Schleusers, der sich der Anhaltung durch die Bundespolizei entziehen wollte, nur um seine eigene Haut zu retten, macht fassungslos."
"Der schreckliche Verkehrsunfall mit sieben Toten, darunter ein Kleinkind, und insgesamt 16 zum Teil Schwerverletzten ist eine schlimme Tragödie", sagte Herrmann. "Mit meinen Gedanken bin ich bei den vielen Opfern des Verkehrsunfalls und bei den Hinterbliebenen. Das menschenverachtende Verhalten des durch den Unfall verletzten Schleusers, der sich der Anhaltung durch die Bundespolizei entziehen wollte, nur um seine eigene Haut zu retten, macht fassungslos."
Die bayerische Polizei führe "die Ermittlungen zum Unfallhergang mit Hochdruck und unterstützt auch die Bundespolizei bei den Ermittlungen zur zugrundeliegenden Schleusung und zu den Hintermännern", betonte Herrmann.
Bayerische Linke sieht "Hetzjagden auf Geflüchtete" – Herrmann widerspricht
Die bayerische Linke sieht dagegen "Hetzjagden auf Geflüchtete". "Ich bin erschrocken, dass die rechte Stimmung in der Gesellschaft nun auch auf Polizistinnen und Polizisten im Dienst übergreift", sagte Landessprecherin Adelheid Rupp. "Verdächtige Fahrzeuge mit solchem Übereifer zu verfolgen, dass unschuldige Menschen sterben, ist unserer Polizei absolut unwürdig."
Sie forderte Innenminister Herrmann auf, "das Gespräch mit dem Bundesinnenministerium zu suchen und zu klären, dass in Bayern so nicht verfahren wird", sagte sie der dpa. Menschenleben dürften nicht riskiert werden.
Eine Kritik, die Herrmann umgehend und scharf zurückwies: "Es gab keine Hetzjagd auf Geflüchtete", sagte er. "Das verfolgende Bundespolizeifahrzeug hatte nach jetzigem Ermittlungsstand einen ausreichenden Abstand zum Schleuserfahrzeug. Es gab schon viel zu viele Fälle, bei denen die Geschleusten aufgrund der prekären Zustände in den Fahrzeugen zu Schaden oder gar ums Leben gekommen sind. Es ging darum, einen skrupellosen Schleuser festzunehmen und die eingepferchten Geschleusten zu befreien." (Sven Hoppe und Britta Schultejans, dpa/tas)
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