Die Coronakrise trifft auch den Wohnungsmarkt: Besichtigungen finden nicht mehr statt, Käufer dürften sich aus Sorge um ihre Jobs und Einkommen zurückhalten. Sind kräftig steigende Mieten und Kaufpreise Geschichte?
Die Coronakrise dürfte nach Einschätzung von Ökonomen den Anstieg der Mieten und Immobilienpreise dämpfen. Selbst ein Ende des zehnjährigen Immobilienbooms in Deutschland sei denkbar, wenn sich die Krise noch Monate hinziehe und der Alltag der Menschen stark eingeschränkt bleibe. Das würde Mietern und Immobilienkäufern nach den rasanten Aufschlägen der vergangenen Jahre Luft verschaffen.
Experte: Immobilienpreise werden stagnieren oder zurückgehen
Angesichts der Unsicherheit über die Folgen der Corona-Pandemie und der Ausgangsbeschränkungen dürfte der Wohnungsmarkt in den nächsten beiden Monaten zum Erliegen kommen, sagte Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Besichtigungen finden kaum statt, und viele Käufer halten sich zurück, weil sie um ihre Jobs bangen oder schrumpfende Einkommen erwarten." Bei Google-Suchen zu Kaufen, Mieten oder Wohnen seien schon Rückgänge zu beobachten, was Voigtländer als Indikator wertet. Auch Vermittler von Baufinanzierungen wie Hüttig & Rompf verzeichneten zuletzt einen Rückgang bei den Kundenanfragen.
Er erwarte eine Stagnation der Immobilienpreise oder leichte Rückgänge, sagte Voigtländer. "Ich bezweifle, dass etwa die ambitionierten Preise bei Neubauten derzeit noch durchzusetzen sind." Der Immobilienmarkt könne sich einem Einbruch der Wirtschaft, wie ihn Ökonomen vorhersagen, nicht entziehen. Das glauben auch Volkswirte der Landesbank Helaba: Alle Immobilienzyklen in Deutschland hätten in den vergangenen Jahrzehnten mit einer Rezession geendet.
Potenzial für Mietsteigerungen ist beschränkt
Das Potenzial für Mietsteigerungen sei ebenfalls beschränkt, sagte Voigtländer, denn die Einkommen dürften weniger stark steigen als vor der Krise. Daneben belasten auch neue Vorschriften zum Mieterschutz bei Zahlungsverzug die Vermieter: Sie dürfen Mietern nicht mehr kündigen, weil diese wegen der Coronakrise die Miete nicht zahlen können. Gelten soll dies zunächst für Mietschulden von April bis Ende Juni, wie das Bundeskabinett am Montag beschloss.
Große Wohnungskonzerne haben Mietern bereits Zugeständnisse gemacht: So verzichtet LEG Immobilien im Zusammenhang mit der Coronakrise vorerst auf Mietsteigerungen oder Kündigungen. Auch Vonovia sieht wegen der Pandemie bis auf Weiteres von höheren Mieten ab, und Deutsche Wohnen hat zugesagt, Zahlungen zu stunden.
"Die rosigen Zeiten für Vermieter sind vorbei, und der Verhandlungsspielraum für Mieter könnte wieder wachsen", sagte Voigtländer. "Viele Vermieter dürften erst mal froh sein, wenn sie zuverlässige Mieter nicht verlieren."
"Wer nicht muss, kauft in der Krise keine Immobilie"
Ähnlich sieht Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der Bochumer EBZ Business School, die Lage. "Wer nicht muss, kauft in der Krise keine Immobilie oder verschiebt den Umzug in eine größere Wohnung", sagte er. Ein Anstieg von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit verringere den finanziellen Spielraum, den Haushalte für die Miete hätten. "Einige Verträge könnten für Mieter zu teuer werden."
Bei Immobilienkäufern komme dazu, dass Menschen mit Aktienvermögen im jüngsten Börsencrash viel Geld verloren hätten - das fehle nun zum Wohnungskauf. Der Druck auf die Immobilienpreise wachse, so Vornholz. Für Großanleger blieben Immobilien zwar attraktiv. Doch es sei unklar, ob sie die hohen Preise zahlten, wenn es Unsicherheit über die Mieteinnahmen gebe. Auch ein Ende des langen Immobilienbooms sei denkbar, meint Vornholz. "Wenn die Coronakrise lange dauert und die Einschränkungen im Alltag bleiben, könnte das die Wende bedeuten."
Einbrechen der Mieten wird nicht erwartet
Ein Einbrechen der Mieten und Kaufpreise sieht IW-Experte Voigtländer aber nicht. Preisrückgänge um 30 Prozent, wie manche Beobachter schon prophezeiten, halte er für unwahrscheinlich. "Die Wohnungsknappheit in den Städten bleibt, die Zinsen für Finanzierungen sind niedrig, und viele Menschen haben hohe Vermögen." Mit ihren Zinssenkungen in der Coronakrise haben Notenbanken zuletzt die Niedrigzinsen zementiert.
Auch an der Wohnungsknappheit in vielen Städten dürfte sich so schnell nichts ändern. Denn die Coronakrise trifft auch die Baubranche. Mancherorts kommt es schon zu Verzögerungen. "Große Baufirmen haben Probleme, da bei Subunternehmen ausländische Arbeitskräfte fehlen", berichtet der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB). Die Bauarbeiten im Land gingen weiter, wenn auch mit erhöhten Vorsichtsmaßnahmen. "Die Arbeiter müssen Abstand halten und notfalls in versetzten Schichten arbeiten." (mgb/dpa)
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