Ist die Corona-Pandemie eigentlich nur eine Grippewelle, der ein anderer Name verpasst wurde? Diese Behauptung verbreitet sich zusammen mit einer Grafik im Netz – und ist falsch.

Diese Kolumne stellt die Sicht von CORRECTIV.Faktencheck - Fakten für die Demokratie und Uschi Jonas dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Es ist so offensichtlich. Die Grippe wurde für die COVID-Plandemie benutz, Punkt!“, heißt es zu einer Grafik, die aktuell auf Facebook und Instagram kursiert ("Plandemie" ist ein Wortspiel, das sich auf eine "geplante Pandemie" stützt, Anm. d. Red.). Die Grafik stellt die Grippefälle der vergangenen Saisons weltweit seit 2016 dar. Die Kurve zeigt jedes Jahr im Winter einen starken Ausschlag, aber seit 2020 sind kaum mehr Fälle abgebildet.

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Genährt wird damit ein Narrativ, das seit Monaten verbreitet wird: Grippefälle seien benutzt worden, um die Corona-Pandemie auszurufen. Ob mit Absicht oder schlicht, weil man die beiden Viren angeblich nicht auseinanderhalten könne – nach dieser Logik gäbe es keine Pandemie und die Grippe hätte lediglich einen anderen Namen bekommen.

Wie der Faktencheck von CORRECTIV zeigt, ist das falsch. Die Grippe (auch Influenza genannt) und COVID-19 sind Atemwegserkrankungen, die von unterschiedlichen Viren ausgelöst werden. Corona-Tests können Coronaviren von Grippeviren zuverlässig unterscheiden, Verwechslungen sind hier also nicht möglich. Auch gibt es weiterhin Grippefälle, auch wenn sie auf einem historischen Tiefstand liegen.

COVID-19 und Grippe sind nicht dieselbe Krankheit

Zunächst zu den Unterschieden der beiden Krankheiten: Während COVID-19 von dem Virus SARS-CoV-2 ausgelöst wird, sind für die Grippe Influenzaviren verantwortlich. Es sind also verschiedene Erreger, die die beiden Atemwegserkrankungen auslösen können. Auch die Symptome und Krankheitsverläufe sind nicht dieselben.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat im Oktober 2020 die Unterschiede wie folgt beschrieben: "Eine höhere Letalität und lange Beatmungsdauer unterscheiden COVID-19 von schwer verlaufenden Atemwegsinfektionen in Grippewellen“. Letalität nennt man die Wahrscheinlichkeit, an einer Krankheit zu sterben.

Und weiter: "Aufgrund des höheren Anteils beatmungspflichtiger Patienten und der beobachteten langen Beatmungsdauer muss man sich auf eine höhere Zahl von Beatmungsplätzen einstellen, als dies bei der gleichen Anzahl schwerer Erkrankungen während einer Grippewelle vergangener Saisons erforderlich war.“

Es gibt weiterhin Grippefälle

Doch wo ist die Grippe hin? Die Daten in der Grafik, die in sozialen Netzwerken verbreitet wurde, stammen offenbar von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Global Influenza Surveillance and Response System (GISRS).

Tatsächlich zeigen Zahlen aus einer WHO-Datenbank, dass es aktuell kaum Influenzafälle gibt. Die Grafik, die man sich auf der Webseite der WHO für die Influenzafälle von 2016 bis 2021 anzeigen lassen kann, ähnelt dem verbreiteten Bild stark. Seit Herbst 2020 liegen die Fallzahlen auf einem sehr niedrigen Niveau – aber die Grippe ist nicht komplett verschwunden.

In seinem Influenza-Wochenbericht vom 17. bis 23. April 2021 schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI), dass die akuten Atemwegserkrankungen – also vor allem Influenzaviren, Rhinoviren, RS-Viren – in Deutschland Ende April im Bereich der Zeit des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 lagen. Damit lagen sie "deutlich unter den Werten der früheren Jahre um diese Zeit“. Die Zirkulation von Influenzaviren stagniere in der Saison 2020/21 auf einem extrem niedrigen Niveau, sowohl in Deutschland als auch weltweit.

Im April 2021 berichteten Medien, die Grippewelle in Deutschland sei laut Robert-Koch-Institut in diesem Jahr erstmals ausgeblieben. Insgesamt gab es demnach lediglich 519 laborbestätigte Influenza-Fälle. Das RKI und die WHO führen das nach eigenen Angaben vor allem auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, wie beispielsweise Kontaktbeschränkungen, zurück.

Influenza wurde folglich nicht genutzt, um die Corona-Pandemie auszurufen. Parallel zu COVID-19-Fällen gibt es auch weiterhin Influenzafälle, wenn auch viel weniger als in früheren Jahren.

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