- Feiertage, an denen Familien traditionell zusammenkommen, stehen in Zeiten von Corona unter veränderten Vorzeichen. Weihnachten und Ostern waren mit Appellen und Bedenken verbunden.
- Wie ist die Situation zu Pfingsten? Und wie sollte man sich verhalten?
Messbare Erfolge bei der Eindämmung der Corona-Pandemie sind für Wissenschaft und Politik kein Freifahrtschein für Pfingsten und die Wochen danach. "Wir dürfen nicht zulassen, dass das Virus wieder Oberhand gewinnt, weil wir auf einmal zu viel wollen", fasste Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, die Lage am Freitag zusammen. Auch andere Wissenschaftler fürchten sonst einen Jo-Jo-Effekt.
Niedersachsen ruderte nach kritischen Reaktionen auf eine angedachte Aufhebung der Maskenpflicht im Einzelhandel bei niedrigen Inzidenzen am Freitag dann auch schnell wieder zurück.
Gesundheitsminister Jens Spahn mahnt zur Vorsicht
"Genießen Sie die Feiertage, genießen wir gemeinsam die Feiertage, aber bleiben wir dabei vorsichtig", appellierte Bundesgesundheitsminister
"Unsere Ungeduld darf am Ende nicht zu Übermut führen." Zwischen Bund und Ländern sei aber vereinbart, vor möglichen nächsten Schritten zunächst zwei, drei Wochen zu warten und zu sehen, welche Folgen dies auf das Infektionsgeschehen habe.
Klar ist aber auch, dass am Pfingstwochenende schon mehr geht als noch zu Ostern. Vielerorts ist zum Beispiel Außengastronomie wieder erlaubt. Dass Straßencafés oder Biergärten wieder öffnen können, hat vor allem mit der Disziplin einer großen Mehrheit der Bundesbürger zu tun - und mit dem Impfen als stärkster Waffe im Kampf gegen die Pandemie.
An Ostern seien zwölf Prozent der Bevölkerung das erste Mal geimpft gewesen, rechnete Spahn vor. "Zu Pfingsten werden es 40 Prozent sein, und zum Start in das Sommerquartal werden aus heutiger Sicht mindestens 50 Prozent einmal geimpft sein." Derzeit gebe es rund eine Million Impfungen jeden Tag.
Nur Ende der Pandemie, wenn über 80 Porzent geimpft sind
Wieler wertete positiv, dass die Impfbereitschaft mit 73 Prozent der vom RKI Befragten sehr hoch sei. Weitere zehn Prozent würden sich "eher als nicht" impfen lassen. "Das ist sinnvoll, wirksam und verantwortungsvoll", sagte er. Nötig für ein Ende der Pandemie ist laut RKI, dass mehr als 80 Prozent der Bevölkerung immun sind, dazu zählen sowohl Geimpfte als auch Menschen, die eine Covid-19-Infektion durchgemacht haben.
Nach den RKI-Zahlen vom Freitagmorgen ist die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz auf 67,3 gesunken. In der Vorwoche lag sie noch bei 96,5 - bei regional sehr unterschiedlichen Werten. Die Inzidenzen in allen Bundesländern und Altersgruppen gingen zurück, berichtete Wieler. "Glücklicherweise im Moment deutlich auch bei den Jüngeren." Es würden weniger Ausbrüche in Schulen und Kitas gemeldet. Es gebe auch einen Rückgang der Patientenzahlen auf den Intensivstationen.
Es gibt aber auch die andere Seite der Pandemie. "Die Gefahr ist noch nicht gebannt", sagte Wieler. Rund 1300 Menschen pro Woche sterben in Deutschland weiterhin an Covid-19. "Das ist immer noch eine schrecklich hohe Zahl."
Experten warnen vor vollständiger Öffnung
Mit weiteren Öffnungen könnte der rasante Abwärts-Trend der Infektionszahlen auch aufhören. "In unserem Modell ist es so, dass eine vollständige Öffnung aller Aktivitäten zum 5. Juni den Rückgang der Inzidenzen stoppen würde", sagte Kai Nagel, Mobilitätsforscher an der Technischen Universität Berlin, der Deutschen Presse-Agentur. "Damit hätten wir laut Modell unseren Spielraum exakt aufgebraucht." Das gelte selbst bei Beibehaltung der Maskenpflicht im Oberstufen-Unterricht, im öffentlichen Verkehr, beim Einkaufen sowie bei bleibendem Angebot kostenloser Schnelltests.
Ähnlich sieht es Physikerin Viola Priesemann vom Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. "Wir müssen aufpassen, dass wir den Immunitätsgewinn nicht weglockern", sagte sie kürzlich dem "Spiegel". Jedes kleine bisschen mehr an Infektionen, die nun zugelassen würden, könne den Rückgang auf einen Wert unter die Inzidenz von 50 deutlich verlangsamen. "Wir müssen also genau überlegen, welche Freiheiten wir schon jetzt nehmen."
Fachleute befürchten sonst einen Jo-Jo-Effekt. Lockerungen müssten dann gemäß der Notbremsen-Regelung wieder zurückgenommen werden. Dieser Gefahr sind sich auch Gastronomen bewusst. Mit allzu vielen Vorräten decke er sich für seine Außenterrasse lieber erst einmal nicht ein, sagt ein Berliner Restaurantbetreiber vor Pfingsten.
Mit Vernunft und Geduld gegen Jo-Jo-Effekt
Bleibt es jedoch bei Vernunft und Geduld in den kommenden Wochen, könnte später immer mehr möglich werden. Wenn die Infektionszahlen weiter herunter- und die Impfzahlen hochgingen, "dann haben wir Aussicht auf einen guten Sommer", sagte Spahn.
Welch positive Rolle allein das Verlagern des Lebens nach draußen spielt, hat Forscher Kai Nagel errechnet. "Unser Modell enthält einen Faktor 10, wenn eine Aktivität bei ansonsten gleichen Bedingungen nach draußen verlegt wird", sagt er. Das bedeutet, ein zehnmal geringeres Infektionsrisiko draußen im Vergleich zu drinnen. "Es hängt natürlich von Details ab", schränkte er ein.
Windstille sei zum Beispiel problematischer als Querwind. Durch herumgereichte Flaschen oder Zigaretten könnten Coronaviren auch weitergegeben werden. "Der Beitrag ausgiebiger Umarmungen zur Begrüßung ist unklar."
Reisen innerhalb Deutschlands eher unproblematisch
Reisen innerhalb Deutschlands sieht Nagel derzeit eher nicht als Problem. "Wir würden uns wünschen, dass man am Zielort Vorsicht walten lässt", sagte er. "Wenn also nicht alle beteiligten Haushalte vollständig geimpft sind, dann lieber draußen treffen und vorher Schnelltests machen."
Die dritte Pandemie-Welle sei gebrochen, resümierte Spahn. "Aber die Kombination aus Impfen und Vorsicht bleibe auch wichtig, um diesen Trend zu verstetigen.
Könnte sonst eine vierte schon vor dem Herbst drohen? "Die Lehre des letzten Sommers und Herbstes ist es, aufmerksam zu bleiben", sagte Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie auf dpa-Anfrage. "Die indische Variante mit höherer Infektiosität hat das Potenzial, eine neue Welle auszulösen, weil derzeit das Impfprogramm noch nicht weit genug fortgeschritten ist."
Es sei gut, dass nur nach und nach Maßnahmen zurückgenommen würden. Daher erwarte er "zumindest keine große Welle". © dpa
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