- Kinder bis zwölf können gar nicht gegen Corona geimpft werden - und ab zwölf ist es nicht generell empfohlen.
- Wie aber soll dann Schule nach den Sommerferien sicher stattfinden können?
Die Sorge vor einer verstärkten Corona-Verbreitung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland wächst. Zunehmend heftig wird darüber diskutiert, wie Infektionen bei Minderjährigen und eine Virus-Weitergabe in ihren Familien eingedämmt werden können.
Der Humangenetiker Wolfram Henn vom Deutschen Ethikrat forderte: "Wir brauchen eine Impfpflicht für das Personal in Kitas und Schulen." Der Bundeselternrat verlangte am Montag Luftfilter an allen Schulen. Lehrerverbands-Präsident Heinz-Peter Meidinger warnte vor einer vierten Corona-Welle mit enormen Dimensionen.
Hintergrund der Debatte: Für Kinder bis zwölf gibt es keinen zugelassenen Impfstoff. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt derzeit nur für Kinder und Jugendliche eine Impfung, wenn sie etwa bestimmte Vorerkrankungen oder gefährdete Personen im Umfeld haben, die sich selbst nicht schützen können.
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Pro Impfpflicht für Lehr- und Erziehungskräfte
Henn argumentiert bezogen auf das Schul- und Kitapersonal: "Wer sich aus freier Berufswahl in eine Gruppe vulnerabler Personen hineinbegibt, trägt eben besondere berufsbezogene Verantwortung." Lehrkräfte, Erzieher und Erzieherinnen sollten vor allem Kinder unter zwölf Jahren schützen, sagte der Medizinethiker an der Universität des Saarlands der "Rheinischen Post".
Zwar trügen Kinder ein geringes Risiko, schwer an Covid zu erkranken, sagte Henn. Man müsse aber weiter damit rechnen, "dass sie das Virus in ihre Familien tragen und Menschen aus Risikogruppen infizieren". Henn nannte als Beispiele Krebspatienten, die wegen ihrer Therapien noch nicht geimpft werden konnten. Diese Gruppe müsse durch eine Impfpflicht bestimmter Berufsgruppen geschützt werden.
Eine Impfpflicht ist in Deutschland möglich, aber selten. So ist seit März 2020 ein Nachweis einer Immunisierung gegen Masern für Kinder bei der Aufnahme in Kitas und Schulen vorgeschrieben. Für Lehr- und Erziehungskräfte gilt diese Pflicht auch. Laut Infektionsschutzgesetz kann das Bundesgesundheitsministerium anordnen, "dass bedrohte Teile der Bevölkerung" an Schutzimpfungen teilzunehmen haben.
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, unterstützt eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen. Auch "Ärzte und Schwestern" sollten geimpft sein, sagte er der Funke Mediengruppe.
Contra Impfpflicht für Lehr- und Erziehungskräfte
Kritik an dem Vorstoß kam vom Verband Bildung und Erziehung. "Was wir jetzt nicht brauchen, ist eine Diskussion über eine Impfpflicht für eine Berufsgruppe, die mit überwältigender Mehrheit geimpft ist", sagte der Chef der Gewerkschaft, Udo Beckmann. Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher hätten der Impfung entgegengefiebert. Die meisten hätten ihr Impf-Angebot angenommen. Die Impfquote liege teils bei 90 Prozent. Beckmann mahnte: "Wenn aus gesundheitlichen Gründen keine Impfung möglich ist, darf dies nicht in einem Berufsverbot enden."
Die Bundesregierung lehnt Impfpflichten ebenfalls ab. Alle Menschen seien aufgerufen, sich impfen zu lassen - auch Lehr- und Erziehungskräfte, sagte ein Sprecher von Gesundheitsminister
Stand der Impfung
Inzwischen haben in Deutschland 58,5 Prozent mindestens eine Erstimpfung. 42,6 Prozent der Gesamtbevölkerung sind vollständig geimpft. Nötig seien niedrigschwellige Angebote, um mehr Menschen vom Impfen zu überzeugen, sagte der Sprecher des Gesundheitsressorts. Einige Länder verfolgten bereits sehr "kreative Wege" - etwa mobile Impfteams vor Supermärkten oder in Hochschulen.
Spahn hatte angekündigt, dass sich alle erwachsenen Impfwilligen im Juli das erstes Mal impfen lassen können. Für Kinder und Jugendliche über 12 soll bis Ende August mindestens die erste Impfung möglich gemacht werden. Für alle Nichtgeimpften hatte der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, vorausgesagt: "Dieses Virus wird auf Dauer jeden Deutschen infizieren, der nicht geschützt ist durch eine Impfung."
Luftfilter an Schulen - ausreichende Alternative?
Nun sollen voraussichtlich verstärkt Luftfilter für Schulen angeschafft werden. Laut Bundeswirtschaftsministerium gibt es Gespräche über eine Ausweitung des Bundesprogramms zu ihrer Förderung. Bisher fördert der Bund nur den Einbau fester Anlagen.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) hatte mitgeteilt, Bund und Länder arbeiteten an einem Programm für mehr solcher Filter in Klassenzimmern. Nachdem das Umweltbundesamt seine kritische Meinung gegenüber den Filtern geändert habe, würden die Länder nun beraten, wie man die Bundesförderung ergänzen könne, so der Kanzlerkandidat der Union in der ARD.
Der Bundeselternrat forderte, Luftfilter nicht auf Klassen mit Kindern bis zwölf Jahre zu beschränken. "Wenn das nicht bis zum Beginn des neuen Schuljahres umgesetzt werden kann, müssen wenigstens größere Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, damit die Schüler nicht noch einmal dem Modell des Wechselunterrichts ausgesetzt sind", sagte Vizechefin Ines Weber den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Beckmann sagte, es sei die Verantwortung der Politik, "alle technischen Möglichkeiten in Kitas und Schulen auszuschöpfen, um alle in Schule und Kita befindlichen Personen vor Infektionen zu schützen".
Meidinger sagte zu RTL/ntv, neben Maskenpflicht und Schnelltestungen seien Filteranlagen wichtig. "Ich bin aber skeptisch, ob das allein ausreicht, Schulen mit Sicherheit offenzuhalten." Entscheidend würden die Fortschritte bei der Impfung von Kindern und Jugendlichen sein. Eine Durchseuchung dieser bislang weitgehend ungeimpften Altersgruppe drohe auch außerhalb der Schulen. "Da kann dann selbst bei besten Gesundheitsschutzmaßnahmen an Schulen die vierte Welle enorme Dimensionen erreichen." © dpa
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