• Tobias Schlegl wurde als Moderator unter anderem bei Viva und dem ZDF bekannt.
  • Heute arbeitet der 43-Jährige hauptberuflich als Notfallsanitäter.
  • Im Interview erzählt er, wie sich der Berufsalltag durch die Pandemie verändert hat und wie man es schafft, täglich mit Themen wie dem Tod zurechtzukommen.
Ein Interview

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Vom Notfallsanitäter zum erfolgreichen Fernsehmoderator – bei dieser Geschichte würde sich wohl kaum einer wundern. Doch Tobias Schlegl ging den Weg genau anders herum und sorgte damit für Aufsehen. Der heute 43-Jährige moderierte Sendungen wie "Viva Interaktiv" und "aspekte", bis er sich 2016 dazu entschloss eine Ausbildung zum Notfallsanitäter zu beginnen.

Heute arbeitet er im Rettungsdienst, ist aber dem Fernsehen und dem Radio weiterhin treu geblieben. Meist verbindet Tobias Schlegl seine beiden Berufe, um auf Probleme im Rettungsdienst aufmerksam zu machen und von Erfahrungen zu berichten.

Nun startete sein Podcast "2Retter1Mikro", in dem er mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Rettungsdienst und der Pflege über den Berufsalltag, besondere Momente, Arbeitsbedingungen und vieles mehr spricht. Im Interview berichtet Schlegl, wie es während der Pandemie ist, im Rettungsdienst zu arbeiten und wie er sich fühlt, wenn er während eines Einsatzes verbal angegriffen oder beleidigt wird.

Denken Sie, dass die Corona-Pandemie die Bürger, aber auch Politiker hinsichtlich der Bedingungen im Rettungs- und Gesundheitswesen - niedrige Löhne, zu wenige Mitarbeiter, Überstunden - wachrüttelt und sich bald wirklich etwas ändert?

Tobias Schlegl: Ich hoffe es. Ich glaube, dass die Pandemie uns allen gezeigt hat, wie wichtig Pflege und Rettungsdienst sind und wie akut die Personalnot ist. Konkrete Veränderungen gab es aber bisher nicht und da ist die Politik gefordert. Ich habe die Angst, dass spätestens nach der Pandemie viele aus der Pflege und dem Rettungsdienst entkräftet das Handtuch werfen. Damit wäre die Qualität in der Notfallversorgung extrem gefährdet. Ich gebe nicht auf, darauf hinzuweisen. Aber es muss jetzt wirklich gehandelt werden. Meine Kollegen und Kolleginnen sind genug enttäuscht worden.

Hat die Pandemie den täglichen Dienst als Notfall- oder Rettungssanitäter verändert?

Solange wir noch immer nicht alle geimpft sind, fährt immer ein mulmiges Gefühl mit. Ich möchte zum Beispiel meine Eltern auf keinen Fall gefährden und das Virus weitertragen. Und meine Patienten auch nicht. Durch Corona ist der Dienst generell noch beschwerlicher geworden: Arbeiten im Vollschutz ist physisch nicht gerade unanstrengend. Und nach einem Corona-Verdachtsfall muss der gesamte Innenraum des Rettungswagens desinfiziert werden. Mit kleinen Putztüchern. Zu zweit. Das dauert gut eine Stunde. Ich musste neulich gleich dreimal am Tag den kompletten Wagen putzen.

Aber: Wir wollen für die Menschen da sein und wissen, dass wir jetzt gefordert sind. Wir sind dabei die Ersten in der Rettungskette. Diejenigen, die zuerst in die Wohnungen gehen, ohne dass wir wissen, was uns erwartet.

Als Notfallsanitäter darf man sicherlich kaum Berührungsängste haben. Trotzdem kommt es oft zu Situationen, die – zumindest bei Nicht-Rettungssanitätern – Ekel hervorrufen würden. Wie geht man damit um und verliert etwaige Berührungsängste?

Ich habe schon jegliche Körperflüssigkeiten kennengelernt. Besonders unangenehm sind dabei die Gerüche. Die hat man auch noch Stunden später in der Nase. Aber richtigen Ekel verspüre ich nicht. Das wird schnell zum Alltag. Viel schlimmer sind die Fälle, in denen man mitbekommt, wie traurig und einsam manche Patienten sind und wie schlecht sie mit ihrem Leben zurechtkommen. Das nimmt einen viel mehr mit.

Tobias Schlegl: Schwieriger Grat zwischen Empathie und nicht ranlassen

Sie sind in Ihrem Beruf oft mit dem Tod konfrontiert. Wie schafft man es, dass das Thema einem nicht zu nahe geht und man trotzdem empathisch bleibt?

Das ist eine schwierige Gratwanderung. Man darf das Erlebte nicht zu sehr an sich ranlassen, sonst geht man innerlich kaputt. Gleichzeitig darf man seine Empathie nicht verlieren und muss aufpassen, dass man auf die Dauer nicht zynisch wird. Das ist ein Kraftakt. Gerade für Kollegen, die schon länger dabei sind.

Ganz wichtig ist auf jeden Fall, dass heftige Einsätze nachbesprochen werden. Deshalb muss es generell eine bessere psychologische Nachbetreuung von Einsatzkräften geben. Sonst endet man wie mein Protagonist Kim in meinem Roman "Schockraum"- mit einer posttraumatischen Belastungsstörung. Und dann geht gar nichts mehr.

In ihrem neuen Podcast "2Retter1Mikro" geht es auch um erste Hilfe von Laien. Was ist der größte Fehler, den Laien dabei machen können?

Der größte Fehler ist NICHTS zu tun. Der Rettungswagen kommt zum Beispiel bei einer Reanimation schon vom Prinzip her immer zu spät, einfach, weil wir ja ein paar Minuten Fahrt bis zum Einsatzort brauchen. Mit der Herz-Druck-Massage muss aber schon vorher begonnen werden.

Das heißt, der Laie muss mitmachen, damit in so einem Fall der Patient keinen dauerhaften Hirnschaden erleidet. Denn Hirnnerven sterben ohne Sauerstoff schon nach ein bis zwei Minuten ab. Und eine Sache kann sowieso jeder machen: Hilfe holen und die 112 rufen. Da gibt es keine Ausrede. Und für die Nachhilfe in der Ersten Hilfe kümmere ich mich jetzt in meinem Podcast "2Retter1Mikro".

Wurden Sie schon mal körperlich angegriffen oder heftig verbal beleidigt, während Sie im Dienst waren und hatten Angst in einer solchen Situation?

Ich wurde glücklicherweise noch nicht körperlich angegangen. Verbal habe ich aber schon einige Beleidigungen abbekommen. Es ist schon erstaunlich, wie sehr manche völlig durchdrehen, wenn ein Rettungswagen sie zuparken muss. Die können dann nicht verstehen, dass ein Notfall durchaus wichtiger sein kann als ihre Pünktlichkeit. Das macht mich aber nicht ängstlich, sondern vielmehr sauer.

Tobias Schlegl hat die Fragen schriftlich beantwortet.

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