Lange haben die Krankenhäuser zugunsten der Mediziner die Pflege zurückgefahren. Das Ergebnis: Zu wenige Pflegekräfte und auch zu wenig Mediziner.
Die Personalnot in deutschen Kliniken nimmt weiter zu - und zwar in der Pflege wie auch bei den Ärzten. Nach einer aktuellen Befragung des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), die dem "Tagesspiegel" (Freitag) vorliegt, haben inzwischen vier von fünf Krankenhäusern Probleme, offene Pflegestellen zu besetzen. Bundesweit seien 17.000 Pflegestellen offen.
Bei den Ärzten sieht es nach diesem Bericht nicht viel besser aus. 76 Prozent der fast 2.000 Kliniken im Land bemühten sich derzeit, Mediziner für vakante Posten zu finden. Die Folgen des Fachkräftemangels: In jedem dritten Haus mussten dem Bericht zufolge zeitweise Intensivbetten gesperrt und Fachbereiche von der Notfallversorgung abgemeldet werden.
Die Zahlen stammen nach Angaben der Zeitung aus dem neuen Krankenhaus-Barometer des DKI. Sie verdeutlichten, "welch ungeheurer Handlungsdruck besteht, um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern", sagte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, der Zeitung. Die Politik müsse "dringend wirksame Gegenmaßnahmen zur Entlastung des Personals ergreifen, sonst steuern wir auf eine ernste Versorgungskrise hin".
Stärkung des ländlichen Raumens nötig
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, verlangte "eine Konzertierte Aktion für die Zukunft der Krankenhäuser in Deutschland". Denn "den Notstand haben viele zu verantworten. So geben die Bundesländer seit Jahren kaum etwas für die Instandhaltung und Modernisierung der Häuser aus", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Auch gehe die Einrichtung zusätzlicher Studienplätze nur schleppend voran. "11.000 Studienplätze reichen nicht aus. Wir brauchen 6.000 mehr."
Bundesgesundheitsminister
Brysch forderte neue Konzepte: "So könnte die Deckelung der Beiträge für Krankenversicherung abgeschafft werden." Für 2020 liegt die Einkommensgrenze bei monatlich 4.687 Euro. Auf höher liegende Einkommen werden keine Beiträge gezahlt. Aber auch die Krankenhäuser selbst tragen Mitschuld an der Situation in der Pflege. Es rächt sich, dass in den letzten Jahren keine zusätzlichen Stellen geschaffen worden sind.
Höhere Sterblichkeit der Patienten als mögliche Folge
Der SPD-Gesundheitspolitiker
Lauterbach forderte neben einer besseren Bezahlung von Pflegekräften die schnelle Einführung einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Die Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben, würden nicht zu einer deutlichen Verbesserung der Situation führen. Lauterbach sprach sich dafür aus, ab jetzt 5.000 zusätzliche Medizinstudenten zuzulassen. "Wir brauchen jetzt eine konzertierte Aktion der großen Koalition, um die Misere an den Kliniken zu beheben."
Die Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna, kritisierte: "Der Personalnotstand in den Krankenhäusern ist nicht vom Himmel gefallen. Er hat seine Ursache in einem politisch gewollten Kostenwettbewerb und einer ständig steigenden bürokratischen Überlast. Hier ist die Politik gefordert, endlich für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen." Wer die Realität in den Kliniken erlebe, wisse schon längst, welche Folgen der Personalnotstand für die Beschäftigten und die Patienten habe. "Die Arbeitsbedingungen müssen sich dringend verbessern. Nur dann werden Pflegende und Ärzte für vakante Stellen gewonnen werden können." © dpa
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