• Hinlegen, Augen schließen und einschlafen – es könnte so einfach sein. Doch viele Menschen leiden unter Einschlafproblemen.
  • Gerade vor dem Einschlafen suchen uns häufig negative Gedanken heim und rauben uns den Schlaf.
  • Wie lässt sich das nächtliche Gedankenkarussell stoppen? Ein Schlafforscher weiß Rat.

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Schlafforscher empfehlen sieben bis neun Stunden Schlaf pro Tag. Doch selbst wer rechnerisch rechtzeitig ins Bett geht, kommt nicht unbedingt auf das empfohlene Pensum. Hinlegen, Augen schließen und einschlafen – so einfach geht das für viele Menschen nicht. Kaum liegt man im Bett, beginnt sich das Gedankenkarussell zu drehen. Wie überstehe ich das schwierige Meeting morgen? Kann ich nächsten Monat meine Gasrechnung noch bezahlen? Und um die Altersvorsorge habe ich mich noch immer nicht gekümmert!

Experte: "Viele nutzen die Stunden vor dem Schlafengehen nicht, um herunterzufahren"

Dass viele Menschen abends schlecht zur Ruhe kommen, liegt nach Ansicht von Psychologe Manuel Schabus, Professor an der Universität Salzburg und Leiter des dortigen Labors für Schlaf-, Kognition und Bewusstseinsforschung, zum einen an unserer beschleunigten Gesellschaft, in der ständig viele Themen verarbeitet werden müssen. "Da kommen die Gedanken hoch, die vom Tag übrigbleiben." Zum anderen liegen die Ursachen auch in der falschen Gestaltung des Feierabends.

"Viele nutzen die Stunden vor dem Schlafengehen nicht, um herunterzufahren und sich zu entspannen", sagt Schabus. Viele Menschen schauten oder hörten sich über Handy, Tablet oder Fernseher anregendes Material an. Zu erwarten, danach sofort selig einzuschlafen, sei nicht realistisch und biologisch auch nicht sinnvoll: "Ein Gehirn, das angeregt wird, sollte die nächsten Minuten bis Stunden aktiv bleiben, um Gefahren abzuwehren."

Komplett verbannen muss man Smartphone und Co. aus der Abendgestaltung jedoch nicht. Zwar ist das grelle Blaulicht vieler Bildschirme tatsächlich ein Schlafkiller, doch moderne Smartphones haben Blaulichtfilter und in Kombination mit gedimmter Helligkeit sei das nicht mehr ganz so schädlich für unseren Schlaf. Das Problem liege vielmehr in der Auswahl des Inhalts, den wir uns anschauen oder anhören. "Wer sich vor dem Schlafengehen einen spannenden Thriller anhört oder den Beziehungsstatus der Ex-Freundin auf Facebook checkt, wird eher nicht zur Ruhe kommen", sagt Schabus.

So lässt sich das Gedankenkarussell stoppen

Aber wie lässt sich das nächtliche Gedankenkarussell stoppen, wenn es erst einmal in Fahrt ist? "Wichtig ist, die Gedanken auf etwas anderes zu lenken, das keinen Stress verursacht, und dadurch die negativen Gedanken zu verdrängen", erklärt der Psychologe.

In der Schlafmedizin gebe es dafür verschiedene Entspannungsübungen, darunter progressive Muskelrelaxation, bei der man sich auf gezielte Muskelanspannung und -entspannung konzentriert, oder sogenannte Ruhebilder. "Das kann ein Ort sein, an dem ich mich immer sehr wohlfühle, wie zum Beispiel der Strand im Urlaub", sagt Schabus. Die negativen Gedanken können so von der Vorstellung von Meeresrauschen, salziger Luft und dem Ruf der Seemöwen verdrängt werden.

Auch Hörbücher, Podcasts, Musik oder monotone Rauschgeräusche - white, brown oder pink noise genannt - können beim Einschlafen helfen. "Das geht alles in die gleiche Richtung wie die Entspannungsübungen: Ich konzentriere mich auf einen monotonen Input, lenke mich so von negativen Gedanken ab und entspanne mich", sagt Schabus.

Finger weg von Alkohol als Einschlafhilfe!

Zwar gebe es zu brown noise und Co. keine evidenzbasierten, kontrollierten Studien. Generell könne aber alles, was auf den Einzelnen entspannend wirke, bedenkenlos als Einschlafhilfe benutzt werden, sagt Schabus – mit Ausnahme von Medikamenten und Alkohol. Alkohol betäube zwar das Gehirn und helfe daher beim Einschlafen, sagt Schabus. "Aber die Schlafqualität ist insgesamt viel schlechter."

Wem es hilft, der kann sich also täglich von beruhigender Musik, einem Podcast oder einem Hörbuch in den Schlaf wiegen lassen. Sobald der Schlaf eingekehrt ist, sollte allerdings Ruhe im Raum herrschen. "Alles, was in den Schlaf hineingeht – zum Beispiel ein Hörbuch, das nach dem Einschlafen weiterläuft - ist nicht ideal", sagt Professor Schabus.

"Das Gehirn muss alle Informationen, die über das Gehör hineinkommen, weiter analysieren und bewerten. Das ist nicht gut für einen entspannten Schlaf." Deshalb sollte man unbedingt von Sleep Timern Gebrauch machen, die in den meisten Podcast- oder Hörbuch-Apps integriert sind und die App je nach eingestellter Dauer selbst ausschalten.

Wer 20 bis 30 Minuten schlaflos im Bett liegt, sollte aufstehen

Zehn bis 15 Minuten Einschlafzeit sind normal. Wer nach 20 bis 30 Minuten noch immer nicht eingeschlafen ist, sollte aufstehen und versuchen, an einem anderen Ort bei nicht zu hellem Licht zu entspannen, rät Schabus. "Wenn ich zu lange wach im Bett liege, verbinde ich das Bett irgendwann nicht mehr mit schlafen – und das wollen wir nicht." Das Bett solle ausschließlich für Schlaf und Sex reserviert sein. Auch lesen oder fernsehen sollte besser auf Sofa oder Sessel ausgelagert werden. "Alles, was aktiv ist, findet außerhalb des Bettes statt."

Wer es endlich geschafft hat, einzuschlafen, hat die Nacht allerdings noch nicht überstanden. Nachts gelegentlich aufzuwachen, sei aber normal, sagt Schabus. In der Regel erinnerten wir uns nicht daran, weil das Gehirn die meist sehr kurzen Wachphasen nicht speichert. Im Durchschnitt kämen Erwachsene je nach Alter auf 20 bis 40 Minuten Wachzeit pro Nacht. "Darüber hinaus wird es problematisch", sagt Schabus.

So wichtig ist ausreichend Schlaf für unsere Gesundheit

Generell nähmen Ein- und Durchschlafprobleme in der ersten Welt von Jahr zu Jahr zu, berichtet Schabus. "Die Welt wird immer beschleunigter, der Fokus auf externe Gefahren nimmt zu, die Möglichkeit zur Entspannung wird geringer und das merkt man dann im Schlaf." Klinisch relevant wird es, wenn der Schlaf über mehrere Wochen hinweg in mindestens drei Nächten pro Woche als schlecht bewertet wird.

"Ein weiteres Insomnie-Kriterium ist, ob es Tagesbeeinträchtigungen gibt, wie zum Beispiel schlechte Konzentration, Reizbarkeit oder plötzliches Einschlafen", sagt Schabus. Ob bei Ihnen eine klinisch relevante Schlafstörung vorliegt, können Sie zum Beispiel auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin testen.

Über Leistungsfähigkeit im Alltag hinaus ist Schlaf ganz entscheidend für die Gesundheit. Nach Angaben der AOK erhöht chronischer Schlafmangel das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen und wird mit vielen chronischen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, darunter Herz- und Nierenerkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Schlaganfälle und Übergewicht. "Wenn ich chronisch zu wenig schlafe, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich früher sterbe", sagt Schabus. "Der Raubbau am Schlaf ist mit Kosten verbunden."

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Insomnie

Insomnie: Diese Anzeichen deuten auf eine chronische Schlafstörung hin

Wer unter einer Ein-, oder Durchschlafstörungen leidet, fühlt sich am nächsten Tag oft erschöpft. Schlafstörungen haben nicht nur negative Folgen auf den Körper, sondern können auch die Psyche beeinträchtigen.

Messen Sie, wie viel Schlaf Sie brauchen

Deshalb ist es so wichtig, auf ausreichend Schlaf zu achten und bei Schlafproblemen professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Schabus rät dazu, am Wochenende oder in den Ferien zu messen, wie viel Schlaf man eigentlich braucht und diese Zeit in den Alltag zu integrieren. Wer am Wochenende Schlaf nachholen müsse, habe unter der Woche Schlafentzug. Das gehe den meisten so und ließe sich zu einem geringen Maß auch kompensieren.

Auf Dauer funktioniere das aber nicht. "Ich kann nur an jeden Einzelnen und jede Einzelne appellieren, im Urlaub oder am Wochenende einmal zu messen, wie lange er oder sie schläft. Das ist dann die Zeit, die man eigentlich bräuchte", sagt Schabus. "Schlaf ist einfach der falsche Platz, um zu sparen."

Weitere Tipps für besseres Ein- und Durchschlafen:

  • Keine schweren Mahlzeiten mehr drei Stunden vor dem Schlafengehen.
  • Vermeiden Sie Koffein in den letzten vier bis sechs Stunden des Tages.
  • Achten Sie auf ausreichend Sport und Bewegung. Wie knapp vor dem Schlafengehen man noch Sport treiben kann, ohne den Schlaf zu beeinträchtigen, ist dabei individuell sehr verschieden. Probieren Sie es aus.
  • Bauen Sie sich eine Schlafoase, die möglichst dunkel, ruhig und kühl ist.
Über den Experten:
Universitätsprofessor Dr. Manuel Schabus ist Psychologe, Psychotherapeut und Gehirnforscher und leitet das Labor für Schlaf-, Kognition und Bewusstseinsforschung an der Universität Salzburg. Daneben hat er die App "Nukkuaa" entwickelt, die quasi als virtuelles Schlaflabor den Schlaf misst und maßgeschneidert Schlafempfehlungen gibt, um zu besserem Schlaf zu verhelfen.

Verwendete Quellen:

  • Telefoninterview mit Professor Manuel Schabus
  • AOK: Warum Schlafmangel unterschätzt wird
  • Deutsche Gesellschaft für Schlafmedizin: Tipps für ihr Schlafverhalten, Selbsttest Schlafstörung
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