Ein Handzeichen, das Leben rettet? Immer wieder kursieren Meldungen von Personen, die durch das Zeigen einer heimlichen Geste aus aussichtslosen und mitunter lebensgefährlichen Situationen gerettet werden konnten.
So konnte in den USA ein Mädchen aus den Fängen ihres Entführers befreit werden, weil ein vorbeifahrender Autofahrer die Notsituation durch ein von ihr gezeigtes Zeichen erkannte. In Deutschland entging eine 14-Jährige durch die im Internet bekannt gewordene Notgeste einer mutmaßlichen Vergewaltigung auf einem Spielplatz.
Das gezeigte Zeichen: Hand hoch, den Daumen in die Handinnenfläche klappen und anschließend mit den anderen vier Fingern umfassen (siehe Video oben). Dieses Handzeichen dient dazu, auf eine Notsituation aufmerksam zu machen, ohne ein Wort zu sagen.
Hilferuf per Handzeichen
Ins Leben gerufen wurde das Handzeichen ("Signal for Help") von einer kanadischen Frauenrechtsbewegung, ursprünglich für Frauen, die häusliche Gewalt erleben und Hilfe brauchen. Die einfache Handbewegung verbreitete sich vor allem während der Corona-Pandemie schnell, da sie sich gut eignet, um etwa in Videocalls stumm um Hilfe zu bitten.
Die Geste bedeutet nicht immer automatisch, dass Außenstehende direkt den Notruf wählen müssen. Zunächst sollte die betroffene Person, wenn möglich, in sicherer Umgebung angesprochen werden. Gemeinsam können dann die nächsten Schritte entschieden werden, etwa ein Notruf, erklären die kanadischen Erfinder der Geste auf ihrer Webseite.
Die Frage nach "Luisa"
Neben diesem non-verbalen Hilfezeichen haben sich auch Codewörter für Notsituationen etabliert. So fungiert die Frage "Ist Luisa hier?" als Code, um ohne weitere Erklärung Hilfe zu bekommen. Die Kampagne wurde 2016 vom Münsteraner Frauen-Notruf gestartet und wird mittlerweile in vielen Bars und Clubs deutschlandweit umgesetzt.
Wenn sich Personen beim Ausgehen belästigt, bedrängt oder bedroht fühlen, können sie sich mit der Frage nach "Luisa" an das Personal der Lokalitäten wenden. Dieses soll die betroffene Person daraufhin an einen sicheren Ort bringen, von dem aus zum Beispiel ein Taxi oder die Polizei gerufen werden kann.
Neues Codewort in Corona-Zeiten
Während der Corona-Pandemie etablierte sich in Deutschland ein weiteres Codewort als Hilferuf. Insbesondere Opfer häuslicher Gewalt sollen mit dem Wort "Maske 19" in Apotheken, Arztpraxen und Kliniken unterschwellig nach Hilfe fragen können.
Die von einem Frauennetzwerk initiierte Aktion soll Betroffenen helfen, die in ihrem eigenen Haus keinen Notruf absetzen können. Die Anlaufstellen sollen Hilfesuchende beiseite nehmen und auf Wunsch die Polizei verständigen.
Schutzkonzepte in Stadien
Auch in zahlreichen Fußballstadien gibt es seit einiger Zeit Schutzkonzepte mit Codewörtern. Beim SC Freiburg können sich Fans, die im Stadion sexualisierte Gewalt, Übergriffe oder Diskriminierung erleben, mit dem Codewort "Fuchsbau" an Mitarbeiter wenden.
Das Codewort soll kommunikative Barrieren für Betroffene minimieren, die Hemmschwelle für die Bitte um Hilfe senken und dazu beizutragen, dass sich Betroffene in Extremsituationen nicht erklären müssen.
Stadionbesucher beim VfL Wolfsburg und bei Borussia Dortmund bekommen mit dem Codewort "Panama" oder der Frage "Wo geht's nach Panama?" Hilfe. Beim Hauptstadtclub Hertha BSC fungiert "Wo ist Lotte?" als Codewort, bei Bayer Leverkusen "Luisa".
In Notsituationen die Polizei rufen
"Solche Entwicklungen sind positiv zu bewerten", sagt Martina Plackmann von der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes mit Blick auf "stumme" Hilferufe und Codes. Sie leben aber davon, bekannt zu sein und auch erkannt zu werden.
"Hilf, aber bring dich nicht in Gefahr."
Egal wie auf eine Notsituation aufmerksam gemacht werde, sei aber schnelle Hilfe wichtig. "Im besten Fall ruft man die Polizei", empfiehlt Plackmann für beobachtende Personen. Sehr wichtig sei grundsätzlich die Regel: "Hilf, aber bring dich nicht in Gefahr."
"Wenn Sie Zeuge einer Situation werden, in der Sie nicht eingreifen wollen, weil die Täter sehr aggressiv auftreten, dann achten Sie auf räumliche Distanz zu den Tätern und nehmen lieber Kontakt zum Opfer auf", rät Plackmann.
Insgesamt seien Sensibilität und Zivilcourage in der Gesellschaft zentral für Menschen in Not. "Das beste Zeichen oder der bekannteste Code nutzt nichts, wenn nicht auch geholfen wird."
Stiller Alarm im Taxi
Doch Bekanntheit ist ebenso wichtig. So wissen nur wenige, dass auch Taxifahrer in Not auf sich aufmerksam machen können. Dafür verfügen viele Taxidachschilder über zwei rote LED-Leuchten am Rand des Schildes, erklärt die Innung des Berliner Taxigewerbes.
Ist der Fahrer eines Taxis in Gefahr, etwa wenn er von einem Fahrgast bedroht wird, kann er die LED-Leuchten als stillen Alarm blinken lassen. Für Außenstehende gilt dann: Die Polizei informieren und dabei Kennzeichen, Standort und Fahrtrichtung des Taxis angeben.
Neben dem stillen Alarm muss - gesetzlich vorgeschrieben - in jedem Taxi eine Alarmanlage installiert sein. Beim Auslösen wird die Hupe aktiviert und die Scheinwerfer sowie die Blinker blinken.
Viele Taxis verfügen zudem über Notrufe mit Satelliten-Standortermittlung (GPS). Fahrerinnen oder Fahrer können durch einen verdeckten Schalter ein Notrufsignal an die Zentrale senden, die das Taxi dann orten und Hilfe rufen kann.
Notfallfunktionen für das Smartphone
Für jeden ein wichtiger Helfer kann im Notfall auch das Smartphone sein. Nicht nur, um den Notruf zu wählen, sondern auch dafür, um Hilfe zu bitten, wenn man nicht frei sprechen kann oder still sein muss.
Sowohl die neueren iPhone- als auch Android-Modelle bieten vorinstallierte Notfallassistenten. Nach erfolgreicher Einrichtung in den Einstellungen des Smartphones können durch diese, etwa beim mehrmaligen Drücken einer bestimmten Taste, Angehörige per SMS informiert oder der Notruf gewählt werden.
Bietet das Smartphone keinen Notfallmodus, können Nutzer auf Apps zurückgreifen, die ähnliche Funktionen wie die vorinstallierten Notfallassistenten haben.
Doch hier gilt: "Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Man sollte sich durch keinen Gegenstand, den man bei sich trägt, in falscher Sicherheit wiegen", sagt Plackmann. (dpa/tar)
Wenn Sie selbst von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, wenden Sie sich bitte an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" - 116 016 oder dessen Online-Beratung, das Hilfetelefon "Gewalt an Männern" - 0800/1239900 oder dessen Online-Beratung, oder an das Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" 0800/225 5530 (Deutschland), die Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen, Mädchen und Kinder (Tamar) 01/3340 437 (Österreich) beziehungsweise die Opferhilfe bei sexueller Gewalt (Lantana) 031/3131 400 (Schweiz).
Wenn Sie einen Verdacht oder gar Kenntnis von sexueller Gewalt gegen Dritte haben, wenden Sie sich bitte direkt an jede Polizeidienststelle.
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