Jedes Jahr erhalten Tausende Menschen die Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Er kürzlich ist Bryan Randall, der langjährige Partner von US-Schauspielerin Sandra Bullock, an ALS gestorben. Was es mit der Nervenkrankheit auf sich hat und warum sie so tückisch ist.

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Man stolpert vermehrt, das Glas fällt schon wieder aus der Hand. Viele Krankengeschichten beginnen mit Missgeschicken, die sich häufen. Ursachen dafür kann es viele geben. Bei aktuell ungefähr 8.000 bis 9.000 Menschen in Deutschland sind diese und andere vermeintliche Missgeschicke die typischen ersten Symptome der Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS.

Bei ALS erkranken Nervenzellen im Gehirn und teils auch im Rückenmark, die dafür zuständig sind, die Muskeln zu kontrollieren und Bewegungen auszuführen.

"ALS greift die Willkürmotorik an, die wir brauchen, um zu sprechen, aber auch, um Dinge zu greifen oder etwa Reißverschlüsse zuzumachen", sagt Albert Ludolph. Er ist Ärztlicher Direktor der Ulmer Klinik für Neurologie und Leiter des dortigen Amyotrophe-Lateralsklerose-Zentrums. Im Verlauf der Krankheit kommt es zu Muskellähmungen und schließlich zum Tod.

"Die Krankheit tritt relativ häufig auf", sagt Ludolph. In Deutschland erkranke jede 400. Person an ALS. Männer etwas häufiger als Frauen.

Warum Menschen an ALS erkranken, ist bisher nicht geklärt. Es gibt Fälle mit genetischer Vorbelastung, aber auch Betroffene, in deren Familie die Krankheit bisher nicht aufgetaucht ist, erklärt Ludolph. ALS bricht meist zwischen 60 und 70 Jahren aus, bei jungen Menschen tritt Amyotrophe Lateralsklerose sehr selten auf, auch wenn ALS genetisch vererbt sein kann.

Welche Symptome treten bei ALS auf?

Laut Öffentlichem Gesundheitsportal Österreich können bestimmte Schwierigkeiten bei bisher Alltäglichem und Auffälligkeiten auf ALS hindeuten, zum Beispiel:

  • Dinge fallen aus den Händen
  • Stolpern und Stürzen und Unsicherheit beim Gehen
  • Eine schlechtere Aussprache
  • Im Mund bildet sich viel Speichel
  • Gewichtsverlust

Hier können Muskelschwund, Muskelschwäche und Muskelzuckungen zugrunde liegen - typische erste Merkmale für ALS. Die Erkrankung macht sich oft bei Problemen mit der Feinmotorik bemerkbar, sagt Ludolph.

"Wenn man bestimmte Probleme nur auf einer Seite hat und dabei kein Taubheitsgefühl oder Schmerzen auftreten, ist das auch hochverdächtig."

Albert Ludolph, ALS-Spezialist

Gleiches gilt, wenn man merkt, dass man langsam, aber sicher nicht mehr richtig mit Messer und Gabel essen, Bananen schälen oder Hemden knöpfen kann. "Wenn man bestimmte Probleme nur auf einer Seite hat und dabei kein Taubheitsgefühl oder Schmerzen auftreten, ist das auch hochverdächtig."

Generell gibt es verschiedene Arten von ALS, je nachdem, welche Nervenzellen erkrankt sind. Symptome und Krankheitsverläufe unterscheiden sich also auch von Fall zu Fall.

Natürlich leidet nicht jeder Mensch, der - gerade mit zunehmenden Alter - ungeschickter wird, an ALS. Eine ärztliche Abklärung ist wichtig. Doch das Tückische an ALS ist: Einige typischen Symptome können auch auf andere Erkrankungen hinweisen. Ärztinnen und Ärzten müssen andere Krankheiten für die ALS-Diagnose ausschließen. Für einen Experten sei die Krankheit allerdings gut zu erkennen, sagt Ludolph, der sich seit 45 Jahren mit dem Thema beschäftigt.

Bei der Behandlung von betroffenen Personen geht es darum, ihre Prognose und Lebensqualität zu verbessern. Dafür eignen sich laut Ludolph Medikamente und diätische Maßnahmen. "Es ist zum Beispiel wichtig, dass Patienten ihr Gewicht halten", sagt er. Mit einem angepassten Therapieplan kann man die Symptome lindern und Patientinnen und Patienten bei Selbstständigkeit unterstützen.

Wie ist der Stand der Forschung?

Es laufen mehrere Studien, in denen die Krankheit, die seit rund 150 Jahren bekannt ist, und ihre Behandlung erforscht werden. Der größte Durchbruch bisher: Studien zeigen, dass ein bestimmtes Medikament bei einigen wenigen ALS-Betroffenen wirken und die Krankheit stoppen kann. Allerdings ist das nur bei Trägern der seltenen Mutation SOD1 der Fall, nicht bei anderen ALS-Formen.

Dass es sich mit einer anderen, der sogenannten Fus-Mutation, ähnlich verhalten könnte, wird in einer anderen aktuellen Studie gerade untersucht.

"Das Wichtige bei dieser Erkrankung ist, dass man nicht in Nihilismus verfällt."


Albert Ludolph

Erkrankte Personen haben statistisch gesehen eine Lebenserwartung von etwa drei bis vier Jahren. "Das kann aber erheblich variieren", sagt Ludolph, der im Jahr rund 1.000 Menschen mit ALS betreut. In dem Zusammenhang spricht er auch von Stephen Hawking. Der spätere Nobelpreisträger erhielt im Alter von 25 Jahren, während des Physikstudiums, die Diagnose ALS. Hawking starb 2009 im Alter von 76 Jahren.

"Das Wichtige bei dieser Erkrankung ist, dass man als Betroffener nicht in Nihilismus verfällt", sagt Ludolph. "Die Erfahrung zeigt, dass Patienten dankbar sind, wenn man diesen Reflex nicht hat."

Zur Person: Albert Ludolph ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie der Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm und Leiter des dortigen Amyotrophe-Lateralsklerose-Zentrums.


Verwendete Quellen:

  • Telefonisches Interview mit Albert Ludolph.
  • Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).
  • Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V.: Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).
  • Universitätsspital Zürich: Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).
Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine persönliche Beratung und Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt.
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