- Infizieren sich vollständig Geimpfte mit dem Coronavirus und erkranken an COVID, ist die Rede von einem Impfdurchbruch..
- Wie viele Impfdurchbrüche gibt es bisher in Deutschland?
- So schätzt der Immunologe Rudolf Valenta die Lage ein.
In den vergangenen Wochen häufen sich Meldungen über berühmte Mensche, die mit mit einem schweren COVID-Verlauf kämpfen oder an der Krankheit sterben - und das, obwohl sie vollständig geimpft waren.
Wie der Immunologe Rudolf Valenta Impfdurchbrüche erklärt, wieso sie jetzt vermehrt auftreten und wie viele Impfdurchbrüche bisher in Deutschland gezählt wurden.
Wann ist die Rede von einem Impfdurchbruch?
Das Robert-Koch-Institut (RKI) spricht von einem Impfdurchbruch, wenn folgende Faktoren alle gegeben sind:
- Eine Person ist vollständig geimpft. Das heißt, dass die Grundimmunisierung mindestens zwei Wochen zurückliegt.
- Mittels PCR-Test oder Erregerisolierung wird eine SARS-CoV-2-Infektion diagnostiziert.
- Die Person entwickelt Krankheitssymptome.
Wenn jemand also vollständig geimpft und positiv getestet, aber asymptomatisch ist, zählt das nach dieser Definition nicht als Impfdurchbruch.
Sind Impfdurchbrüche ungewöhnlich?
Rudolf Valenta vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie von der Medizinischen Universität Wien sagt auf Nachfrage unserer Redaktion: "Impfdurchbrüche gibt es gewiss bei vielen Infektionserkrankungen." Dennoch könne man das nicht direkt mit SARS-CoV-2 vergleichen: "Weil es sich ja um eine meldepflichtige Erkrankung handelt, verfolgen wir die Situation gerade bei SARS-CoV-2 besonders genau und suchen durch das Testen nach Infektionen." Auf die leichte Schulter nehmen sollte man die aktuelle Entwicklung aber nicht. "Auf jeden Fall müssen wir die Impfdurchbrüche ernst nehmen", sagt der Immunologe.
Wieso kommt es überhaupt zu einem Impfdurchbruch?
"Zu Impfdurchbrüchen kommt es, wenn nicht ausreichende schützende Antikörper nach der Impfung gegen das Virus produziert werden. Oder wenn sie nach einiger Zeit so weit absinken, dass es wieder zur Infektion kommen kann", sagt Rudolf Valenta.
Studien zeigen, dass die vollständige Impfung den Schutz vor einer COVID-Erkrankung zwar in der großen Mehrheit der Fälle erhöht und einen schweren Verlauf verhindern kann, eine Infektion aber dennoch möglich ist.
Das liegt daran, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann in unserem Alltag mit dem Virus-Erreger in Kontakt kommen. In diesem Moment kommt es auf die Immunantwort des Körpers an: Sogenannte neutralisierende Antikörper kämpfen gegen das Virus an und verhindern, dass das Virus die Zellen befallen kann.
Diese besonderen Antikörper erhalten Menschen meist durch eine vollständige Impfung oder weil sie bereits COVID hatten. Untersuchungen ergaben, dass diese speziellen Antikörper Genesener und Geimpfter im Laufe der Zeit nachlassen – auch wenn etwa bei Genesenen sogenannte Gedächtniszellen ausgebildet werden können, die neue Antikörper bilden können.
Rudolf Valenta gibt jedoch zu bedenken: "Nicht jeder Geimpfte und auch nicht jede, die erkrankt war, baut diese schützenden Antikörper auf." Auch aus diesem Grund komme es zu positiven PCR-Resultaten und schweren Verläufen trotz Impfung.
Wie viele Impfdurchbrüche gibt es bisher in Deutschland?
Das lässt sich nicht genau sagen. Zum einen, weil nicht jede Infektion dem RKI gemeldet wird. Zum anderen, weil die Erfassung bisheriger Impfdurchbrüche nicht eindeutig ist.
Im wöchentlichen Lagebericht (Stand 21.10.21) ist die Rede von insgesamt 95.487 Impfdurchbrüchen seit Beginn der Impfkampagne – bei rund 55 Millionen Impfungen in Deutschland.
Dort heißt es auch, dass nur ein "geringer Anteil der hospitalisierten, auf Intensivstation betreuten bzw. verstorbenen COVID-19-Fälle als Impfdurchbruch zu bewerten" sei. Unter den insgesamt 943 COVID-19-Fällen mit Todesfolge nach Impfdurchbrüchen waren 695 (74 %) 80 Jahre und älter. Das spiegele zwar das höhere Sterberisiko älterer Menschen wider, sage aber nichts über die Wirksamkeit der Impfstoffe aus.
Insgesamt muss auch berücksichtigt werden, dass das RKI Menschen, die wegen COVID im Krankenhaus behandelt wurden und deren Impfstatus unbekannt war, bis zum 22. September 2021 als "ungeimpft" erfasste. "Da für einen Teil der COVID-19-Fälle die Angaben zum Impfstatus unvollständig sind, ist von einer Untererfassung der geimpften COVID-Fälle auszugehen", heißt es im selben Lagebericht des RKI.
Wieso ist die Anzahl der Impfdurchbrüche nicht niedriger?
Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass unter den Menschen, die erkranken, auch Geimpfte sind. "Dass im Laufe der Zeit mehr Impfdurchbrüche verzeichnet werden, ist erwartbar, da generell immer mehr Menschen geimpft sind und sich SARS-CoV-2 derzeit wieder vermehrt ausbreitet" heißt es seitens des RKI.
Virologe Christian Drosten sagte in diesem Zusammenhang im September im Corona-Update des NDR: "Stellen wir uns vor, 100 Prozent der Bevölkerung wären geimpft, dann sind demnächst alle Infektionen Durchbruchsinfektionen."
Hinzu kommt der Zusammenhang zwischen akuten Fällen und Impfdurchbrüchen: Wenn es viele Infektionen gibt, kommt es folglich auch zu mehr Impfdurchbrüchen. Und auch eine vollständige Impfung bietet keinen 100-prozentigen Schutz vor einer Infektion. Nichtsdestotrotz empfiehlt der Virologe Rudolf Valenta eine Schutzimpfung: "Ihre Wirkung ist durch Studien gut belegt, und Impfungen sind unsere einzige Waffe gegen das Virus."
Verwendete Quellen:
- Schriftliches Interview mit Robert Valenta
- Robert-Koch-Institut: Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) 21.10.2021
- Robert-Koch-Institut: Infektionsschutz – Wirksamkeit
- Zusammengegencorona: Impfdashboard
- Ndr.Info: Coronavirus-Update
- Centers for Disease Conotrol and Prevention: Interim Estimates of COVID-19 Vaccine Effectiveness Against COVID-19–Associated Emergency Department or Urgent Care Clinic Encounters and Hospitalizations Among Adults During SARS-CoV-2 B.1.617.2 (Delta) Variant Predominance
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