Mit der Saison für andere Atemwegskrankheiten startet auch die für Covid-19. Wie ungemütlich werden Herbst und Winter? Was Fachleute erwarten.

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Für den Herbst und Winter rechnen deutsche Corona-Fachleute wieder vermehrt mit Ansteckungen und halten wegen Personalmangels auch Engpässe im Gesundheitssystem für möglich. "Ich rechne damit, dass viele von uns die nächsten Monate noch mal eine Corona-Infektion haben werden", sagte die Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt am Mittwoch in einer Videoschalte. Im Krankenhaus werde es sicher wieder anstrengend. Es sei ein "Nervfaktor" für alle, wenn die Erkältungszeit komme – ähnlich wie im Vorjahr. Die meisten Betroffenen fielen schließlich eine Woche aus. Das Kranksein an sich nerve, aber auch die Ausfälle im Kollegenkreis.

Solange Omikron zirkuliere, sei sie aber relativ entspannt, sagte Ciesek. Sie sehe dann keine Gefahr, dass sich die Situation stark verändere oder dass noch einmal staatliche Maßnahmen verhängt würden. Auf die Frage, ob sie wegen zuletzt neu aufgetauchter Virusvarianten besorgt sei, sagte sie: "nicht so richtig". Insbesondere zu der relativ stark mutierten Sublinie BA.2.86, auch Pirola genannt, seien auch noch viele Fragen offen. Einen Nachweis auch in Deutschland wertete sie als Frage der Zeit.

Neuer Biontech-Impfstoff ab Mitte September erwartet

Ab der Woche vom 18. September soll der an aktuelle Omikron-Varianten angepasste Impfstoff von Biontech in den Praxen zu bekommen sein, bestätigte das Bundesgesundheitsministerium am Mittwoch. Im Zentrallager des Bundes gebe es auch noch Moderna-Impfstoff – wenn ein Arzt oder eine Ärztin ihn verordne, werde er geliefert und bezahlt.

Für den angepassten Impfstoff von Moderna gebe es noch keine Zulassung. Wenn sie vorliege und sich Moderna entscheide, ihn im Rahmen der Regelversorgung anzubieten, werde der Impfstoff auch von der Krankenkasse bezahlt, wenn Ärzte ihn im Rahmen der Stiko-Empfehlung verordnen. Das Ministerium wies damit Angaben des Apothekerverbands Nordrhein in der "Rheinischen Post" zurück, nur noch Biontech-Impfstoff werde vom Bund bezahlt.

Leif Sander von der Uniklinik Charité in Berlin rief die Gruppen, die unter die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) fallen, dazu auf, sich im Herbst eine Auffrischimpfung mit dem angepassten Sars-CoV-2-Impfstoff geben zu lassen. Dazu zählen zum Beispiel Menschen ab 60, die nicht erst kürzlich mit Sars-CoV-2 infiziert waren. Die Grippeschutzimpfung könne man sich gleichzeitig abholen.

Krankenhäuser: Drohen wieder Engpässe?

"Es geht nicht nur um Covid dieses Jahr", sagte Leif Sander von der Uniklinik Charité in Berlin. Saisonale Anstiege von Infektionskrankheiten könnten in Kombination mit Personalmangel wie im Vorjahr relativ schnell an Belastungsgrenzen führen. "Das wird, glaube ich, auch diesen Herbst wieder passieren." Insbesondere in der Kindermedizin und den Notaufnahmen drohten relativ schnell Engpässe.

Als größtes Problem der Intensivstationen für den Herbst bezeichnete Stefan Kluge vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) den schon länger bestehenden Personalmangel in Deutschland, hauptsächlich in der Pflege. Rund ein Viertel der Intensivbetten sei deshalb nicht nutzbar. Aktuell sei die Lage aber stabil. Von den gut 180 Corona-Patienten auf Intensivstationen sei ein großer Teil eigentlich wegen anderer medizinischer Probleme in Behandlung.

"Wir sind aus der Pandemie raus, aber die Viren sind noch da."

Leif Sander, Klinikdirektor Infektiologie, Charité

Kluge appellierte an die Menschen, bei Krankheitssymptomen zu Hause zu bleiben. "Man sollte natürlich schon versuchen, sich nicht zu infizieren." Ciesek sagte, individuell könne man sich mit einer FFP2-Maske sehr gut schützen, zum Beispiel wenn man vor einer Transplantation oder vor einer geplanten Reise nicht krank werden wolle. "Wir sind aus der Pandemie raus, aber die Viren sind noch da", sagte Sander. (dpa/tar)

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