Die Luftqualität an der US-Ostküste ist so schlecht wie seit Jahren nicht mehr. Grund dafür ist der Rauch von Waldbränden in Kanada. Wie gefährlich der Smog für die Gesundheit ist, wie man sich schützt und ob man nahe des Waldbrands in Jütebog eine Maske tragen sollte, erklärt der Pneumologe Torsten Bauer im Interview.
Die Bilder gehen derzeit um die Welt: New York ist bedeckt von einem grau-gelben Schleier. Die Aufnahmen aus der Metropole wecken Assoziationen mit apokalyptischen Filmen. Waldbrände in Kanada sind die Ursache für den Smog, der sich an der US-Ostküste ausbreitet.
In New York war die Luftqualität so schlecht wie seit Jahren nicht mehr. Es galt die höchste Luftqualität-Warnstufe. Menschen sollten, wenn möglich, daheimbleiben und im Freien Masken tragen.
Wie die American Lung Association warnt, kann der Rauch von Waldbränden extrem schädlich für die Lunge sein, insbesondere für Kinder, ältere Erwachsene und Menschen mit Asthma, COPD und Bronchitis, chronischen Herzerkrankungen oder Diabetes. Das bestätigt auch Torsten Bauer, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und ehemaliger Präsident der Fachgesellschaft, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Gefahr durch Rußstoffe, Gase und Kohlenmonoxid
Waldbrände haben von Kanada aus viel Smog in die USA getragen. Die Luftqualität ist so schlecht wie seit Jahren nicht mehr und die Partikel in der Luft gelten als gesundheitsschädigend. Wie wirkt sich der Rauch von Bränden auf unsere Gesundheit aus?
Torsten Bauer: Ein Waldbrand ist ein unkontrollierter Brand. Dabei entstehen immer Schadstoffe, weil bestimmte Temperaturen nicht eingehalten werden oder etwas verbrennt, das nicht wirklich brennbar ist und dann nur unvollständig verbrennt.
Bei einem Waldbrand können drei Faktoren schädlich sein. Das sind einmal die Rußpartikel, also filterbare Stoffe. Durch die unvollständige Verbrennung werden Teile des Verbrennungsgutes abgelöst und diese können Schadstoffe enthalten, wie zum Beispiel Kohlenwasserstoffe und Giftstoffe. Diese Rußstoffe sind das „geringere Problem“, weil sie filterbar sind.
Das heißt, man kann ihnen leicht vorbeugen?
Genau. Wenn Sie zum Beispiel im Freien eine Corona-Schutz-Maske tragen, können Sie damit 99,9 Prozent aller filterbaren Rußstoffe herausfiltern, wenn die Maske dicht über Mund und Nase sitzt. Die sind schließlich deutlich größer als Viren.
Welcher ist der zweite Faktor?
Man hat ja das Gefühl, so ein Waldbrand ist einfach nur ein großes Lagerfeuer. Aber das ist er eben nicht. Es riecht auch ganz anders als ein Lagerfeuer. Das liegt unter anderem daran, dass am Boden in diesen Glutnestern viel Sauerstoff fehlt, der aber zur perfekten Verbrennung von Holz notwendig ist.
Ein größeres Problem als der Gestank sind Schadstoffe, die durch die unvollständige Verbrennung entstehen und nicht filterbar sind: Es entstehen schädliche Gase. Wenn diese in höheren Konzentrationen auftreten, können sie bei Menschen, die dafür empfänglich sind, etwa weil sie bereits Atemwegserkrankungen haben, zu einem Asthmaanfall führen.
Das Problem: Selbst wenn man die Fenster schließt, ist man vor Gasen nicht sicher. Denn trotz geschlossenem Fenster findet noch ein Austausch statt. Das heißt: Wenn Sie bereits lungenkrank sind und dann in eine solche Rußwolke kommen, kann es durchaus sein, dass Sie einen Asthmaanfall erleiden.
Rußstoffe, Gase – und welcher ist der dritte schädliche Faktor?
Bei Bränden in geschlossenen Räumen spielt die Kohlenmonoxid-Entwicklung eine große Rolle. Kohlenmonoxid-Vergiftungen passieren schleichend. Das ist kein Problem bei Waldbränden – mit einer Ausnahme: Menschen, die direkt in der Brandbekämpfung zu tun haben. Aber in der Regel sind sie dafür geschult und haben einen entsprechenden Atemschutz.
So kann man der Gefahr durch Rauch vorbeugen
Im Falle eines heftigen Waldbrands in unserem Land: Was würden Sie raten?
Es gibt Stoffe, denen wir relativ gut entgehen können, indem wir zu Hause bleiben bei geschlossenem Fenster. Wenn man unbedingt raus muss, empfehle ich, eine FFP2-Maske zu tragen. Was nicht filterbar ist, sind die Giftstoffe, die bei unvollständiger Verbrennung entstehen. Das werden rund 2.000 Stück sein und die können bei empfindlichen Personen zu einer Verschlechterung ihrer Lungenerkrankung führen.
Wer Rauch von Waldbränden einatmet, könnte also auch mit längerfristigen Folgen zu kämpfen haben?
Ja, das kann durchaus längerfristig sein. Wenn bei jemandem ein Asthmaanfall ausgelöst wurde, wird derjenige damit schon zwei Wochen zu tun haben. Ob es chronische Schäden über Jahre hinaus gibt, hängt von der Menge des aufgenommenen Rauchgases ab, ähnlich wie bei der Feinstaub-Diskussion.
Waldbrand in Jütebog: Sollte man im Umkreis eine Maske tragen?
Ab wann sind Gase denn schädlich für uns?
Das ist bei einem Waldbrand schwer zu sagen. Bei einem gewöhnlichen Wohnungsbrand zum Beispiel kommt es zu einer typischen Rauchgasinhalation durch Kohlenmonoxid. Aber bei einer unvollständigen Verbrennung im Wald - nehmen wir mal den Brand in Jüterbog - wissen wir nicht, was im Waldboden drin ist. Das könnte altes Militärmaterial sein oder elektrische Leitungen. Da könnten Giftstoffe entstehen, die man einatmet. Ob die allerdings eine Rolle spielen, wenn wir den Waldbrand nur riechen, aber nicht sehen? Da würde ich sagen: eher nicht, da braucht es höhere Konzentrationen.
Sie haben gerade schon den aktuellen Waldbrand in Jüterbog in Deutschland angesprochen. Die Waldbrandgefahr in Deutschland gilt derzeit als hoch. Empfehlen Sie, persönliche Vorsichtsmaßnahmen zu treffen?
Das kommt ganz drauf an, ob man krank ist oder nicht. Allgemein ist es immer gut, eine FFP2-Maske zu Hause haben. Wer trotz starker Rauchentwicklung ins Freie gehen muss, sollte sich damit schützen.
Würden Sie nahe Jüterbog vorsichtshalber eine Maske tragen – auch wenn der Dunst nicht so extrem ist wie in den USA?
Nein, das würde ich nicht. Solange man nichts sieht, halte ich das nicht für nötig. Wer sichergehen möchte, kann den Fensterbank-Test machen: Einfach mit dem Finger drüber streichen und schauen, ob schwarze Stoffe darauf sind. Ich wohne im Südwesten von Berlin, nahe Jüterbog. Wenn ich das Fenster öffne, und der Wind aus Richtung Jüterbog kommt, rieche ich den Waldbrand. Für eine Gesundheitsgefahr halte ich das allerdings nicht.
Kann es, abgesehen von den Atemwegen, zu weiteren gesundheitlichen Folgen durch Rauch kommen, etwa bei der Haut oder den Augen?
Alles sicherlich in dem Maße, in dem man sich dem Brandherd nähert. Ich glaube, dass für die Normalbevölkerung, außer für die Atemwege, keinerlei Gefahr besteht. Es sei denn, man ist sehr nahe dran am Brand. Natürlich kann der Rauch aber die Augen oder die Haut reizen. Das größte Risiko durch Waldbrände ist aber das Einatmen und die damit einhergehenden Folgen für die Atemwege.
Lagerfeuer und Grillen: Experte sieht geringe Gefahr
Wir haben bereits darüber gesprochen, dass Waldbrände etwas anderes sind als etwa Wohnungsbrände. Im Sommer ist die typische Grillzeit und Zeit für Lagerfeuer. Kann es dabei schon zu gesundheitlichen Schäden kommen?
Die Risiken sind natürlich da, wenn man sich sehr lange nahe einem schlecht brennenden Lagerfeuer aufhält. Aber die Menschen sitzen meistens nicht direkt im Rauch, weil er beißend und unangenehm ist. Und meistens sorgt man durch Umschichtung des Holzes für eine bessere Sauerstoffzufuhr und damit eine bessere, vollständigere Verbrennung. Das halte ich nicht für ein Gesundheitsrisiko.
Was man aber sagen muss: Außerhalb von Deutschland, in Ländern, die weniger weit entwickelt sind, haben Menschen zum Beispiel COPD, chronisch obstruktive Lungenkrankheiten. Auch wenn sie nie geraucht haben. Die häufigste Ursache ist, dass sie Speisen über offenem Feuer zubereiten, etwa in Afrika oder Indien. Dann entwickeln diese Menschen über viele Jahre eben genau dieselbe Erkrankung, als würden sie Zigarettenrauch einatmen.
Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine persönliche Beratung und Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt.
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