Für jeden der 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland wird bald eine eigene elektronische Patientenakte angelegt. Wir erklären, wie Patientinnen und Patienten sie nutzen können – und wie es um die Sicherheit der Daten steht.

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In Deutschland ist eine kleine Revolution im Gange: Die elektronische Patientenakte (kurz: ePA) soll der Digitalisierung des Gesundheitswesens einen Schub verleihen – und gleichzeitig die Qualität der Behandlungen verbessern. Viele Versicherte bekommen aktuell Post von ihrer gesetzlichen Krankenkasse, die auf die Neuerung hinweist. In den nächsten Wochen ist es daher sinnvoll, sich Gedanken zu machen, wie man mit der eigenen Akte umgehen will.

Alles an einem Ort statt Zettelwirtschaft

Die elektronische Patientenakte enthält Informationen, die für die Behandlung wichtig sind. Jeder und jede Versicherte findet dort zunächst die Abrechnungen für Arztbesuche und eine Liste der verschriebenen Medikamente.

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Nach und nach soll sich die Akte füllen: Ärztinnen und Ärzte müssen dort Befunde, Entlassbriefe und Laborberichte ablegen. Versicherte können aber auch selbst Dokumente in die Akte hochladen – zum Beispiel den Impfpass oder Organspendeausweis, eine Patientenverfügung, Röntgenbilder oder ältere Arztbriefe.

"Alle Daten, die man braucht, liegen bei der Behandlung vor. Das ist bisher noch die absolute Ausnahme."

Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister

Die Akte soll jedem und jeder Versicherten sowie den behandelnden Ärztinnen und Ärzten einen Überblick über die Kranken- und Behandlungsgeschichte bieten: alle Informationen an einem virtuellen Ort anstatt vieler loser Blätter oder hier und da gespeicherter Daten, die man sich erst mühsam zusammensuchen muss.

Wenn zum Beispiel ein Unfallopfer ins Krankenhaus kommt, kann das dortige Personal in der ePA nachschauen, welche Vorerkrankungen der Patient oder die Patientin hat, welche Operationen schon gemacht wurden, welche Medikamente er oder sie nimmt, welche Impfungen vorliegen. "Alle Daten, die man braucht, liegen dann bei der Behandlung vor. Das ist bisher noch die absolute Ausnahme", sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Einführung der ePA: Schrittweise ab 15. Januar

Die Einführung der ePA läuft jetzt an. Ab dem 15. Januar 2025 wird für alle gesetzlich Versicherten, die dem Schritt nicht widersprochen haben, eine eigene Akte angelegt. Zunächst passiert das nur in zwei Modellregionen: Hamburg und Franken. Wenn die Einführung dort reibungslos funktioniert, folgt innerhalb von zwei bis vier Wochen die Ausweitung auf das ganze Bundesgebiet.

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen ihren Versicherten eine App zur Verfügung stellen. Damit können diese die eigene Patientenakte einsehen und wenn gewünscht selbst befüllen. Menschen, die kein Smartphone oder keinen Computer besitzen, können einem Angehörigen den Zugriff auf ihre ePA erlauben oder sie in manchen Apotheken einsehen. Jugendliche können die eigene Akte ab 16 Jahren selbst verwalten, bis dahin sind dafür ihre Eltern zuständig.

Bisher haben die gesetzlichen Kassen eine ePA auf freiwilliger Basis angeboten – diese bestehenden Akten überführen sie dann in das neue System. Auch private Krankenversicherungen planen eine Einführung oder haben bereits ein entsprechendes Angebot.

Patienten können Zugriff einschränken – oder die Akte ganz löschen lassen

Wichtig ist: Zugriff auf die Inhalte haben neben den Versicherten auch Ärztinnen und Ärzte oder das Personal von Krankenhäusern und Apotheken - unter Verwendung der Versichertenkarte. Krankenkassen dagegen können dort zwar Informationen einstellen, sie können die anderen Dokumente aber nicht einsehen.

Bei sensiblen Erkrankungen oder Therapien (zum Beispiel Befunde über sexuell übertragbare Krankheiten oder eine verordnete Psychotherapie) kann der Patient oder die Patientin selbst entscheiden, ob diese Informationen in die ePA kommen oder nicht. Zudem kann man in der App festlegen, ob man bestimmte Dokumente nur selbst anschauen darf.

Angelegt werden die Patientenakten automatisch. Allerdings betont das Bundesgesundheitsministerium: Die ePA ist kein Zwang. Schon jetzt können Versicherte bei ihrer Krankenkasse widersprechen. Wie genau das passiert, erfragen sie am besten direkt bei ihrer Kasse. Dann wird die Akte gar nicht erst angelegt. Aber auch wenn sie bereits besteht, ist jederzeit ein Widerspruch möglich: in der App oder gegenüber der Krankenkasse. Die ePA wird dann gelöscht.

Ein Widerspruch ist auch gegen die Verwendung der Daten für die Forschung möglich. Ab Mitte 2025 soll das Forschungsdatenzentrum im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Daten aus den Patientenakten nämlich nutzen dürfen; allerdings bekommt es sie nur in anonymisierter Form, also ohne Angabe von Namen und Adressen. In der ePA-App oder bei den Krankenkassen können Versicherte die Übertragung ihrer eigenen Daten jederzeit verbieten.

Wie sicher ist die elektronische Patientenakte?

Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zufolge werden die elektronischen Patientenakten auf unterschiedlichen Servern in Deutschland gespeichert. Eine mittlerweile gängige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung soll dafür sorgen, dass Unbefugte keinen Zugriff bekommen.

Die ePA sei so sicher wie irgendwie möglich, sagt Claudia Plattner, Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik. Allerdings gibt es in diesem Bereich keine 100-prozentige Sicherheit. Denkbar ist, dass Kriminelle versuchen, an sensible Gesundheitsdaten zu gelangen, um sie zu verkaufen oder Versicherte sowie Server-Betreiber zu erpressen.

Plattner rechnet auch mit entsprechenden Angriffen. Ihr Bundesamt stehe dem Gesundheitsministerium "wöchentlich auf den Füßen", sagte sie im Juni dieses Jahres. "Wir machen uns mehr Mühe als der Durchschnitt."

Verwendete Quellen

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