Viele möchten sich inzwischen nicht mehr mit Corona befassen. Doch am Ende des Sommers ist ein Blick auf den Herbst wichtig: Wie ist der aktuelle Stand, wie könnte es mit neuen Virusvarianten weitergehen und was ist eigentlich mit den Auffrischungsimpfungen?

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Vor allem zwei neue Abkömmlinge von Omikron sind gerade besonders im Blick. Eine davon ist die Omikron-Mutante EG.5 (PDF der WHO zum Herunterladen), auch Eris genannt. Sie wurde kürzlich in die Kategorie "Virusvarianten von Interesse" hochgestuft, weil sie sich weltweit ausbreitet. So führt sie zum Beispiel in den USA zu mehr Krankenhausaufenthalten, besonders in New York. Das müsse man im Auge behalten, twitterte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am 12. August. Unser Frühwarnsystem in Deutschland stehe. Die Gefahr für die öffentliche Gesundheit durch EG.5 schätzt die WHO gering ein, da die Variante anderen Omikron-Varianten sehr ähnelt.

Deutlich stärker mutiert ist die neue Variante BA.2.86. Die WHO stufte sie vorige Woche als eine von derzeit sieben "Virusvarianten von Interesse" ein. BA.2.86 weise im Vergleich zu den nächsten Verwandten knapp 30 Veränderungen im Spike-Protein auf, sagt der Spezialist für Corona-Varianten Richard Neher (Basel). Bisher lägen erst wenige Sequenzen vor, jedoch aus verschiedenen Ländern. Das deute auf eine bereits weite Verbreitung hin. In Deutschland ist BA.2.86 laut Robert-Koch-Institut (RKI) noch nicht nachgewiesen.

Manche fühlen sich bei BA.2.86 an die Anfangszeit von Omikron erinnert. Omikron bedeutete einen großen Sprung in der Virusevolution und verbreitete sich extrem schnell weltweit. Doch das muss sich nicht wiederholen. "Solche stark mutierten Virusvarianten werden sporadisch gemeldet, aber es handelt sich typischerweise um isolierte Beobachtungen, die sich nicht weiter ausbreiten", sagt der Spezialist für Corona-Varianten Richard Neher. Ob und wie schnell sich BA.2.86 ausbreite, bleibe noch abzuwarten.

Sommerwelle, Winterwelle?

Wenn neue Varianten teilweise der Immunantwort der Infizierten entgehen, können neue Infektionswellen entstehen. "Die erlangte Grundimmunität führt aber dazu, dass wir in der Regel nicht mehr schwer erkranken, es bleibt bei Infektionen mit milderen Krankheitssymptomen", sagt Ulf Dittmer, Leiter der Virologie am Universitätsklinikum Essen. "In einer solchen Sommerwelle befinden wir uns gerade und im Winter wird es sicher auch wieder eine Welle geben."

Wer Erkältungssymptome hat, einen Rückgang seines Geruchs- oder Geschmackssinnes bemerkt oder an Magen-Darm-Beschwerden leidet, kann und sollte auch jetzt einen Selbsttest machen und bei positivem Ergebnis den Kontakt zu anderen meiden und bei dringenden Erledigungen eine Maske in der Öffentlichkeit tragen. Die Tests sind nach wie vor im Einzelhandel verfügbar. Und wenn noch welche zu Hause in der Schublade liegen: Unbedingt auf das Haltbarkeitsdatum achten. Ist dieses abgelaufen, kann das Ergebnis verfälscht sein.

Wer braucht die Auffrischungsimpfung im Herbst?

"Risikogruppen sollten nach der Empfehlung der Ständigen Impfkommission STIKO eine Auffrischungsimpfung vor diesem Winter erhalten", sagt Ulf Dittmer. Das gilt auch für Personen, die über 60 Jahre alt sind. "Es gibt gute Daten, dass das für diese Personen zu einem wieder verbesserten Schutz vor Covid-19 führt. Dafür gibt es ab September Impfstoffe, die an neue Subvarianten von Omikron angepasst sind." Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech kündigte an, bereits dann seinen veränderten Impfstoff auszuliefern.

Karl Lauterbach twitterte am 21. August, der Impfstoff sei voraussichtlich am 18. September in den Arztpraxen verfügbar. Er ist an die Omikron-Variante XBB.1.5 angepasst – auch Eris stammt von dieser Variante ab. Ebenfalls angepasste Impfstoffe wollen Moderna und Novavax im Herbst ausliefern.

Wie gut diese Auffrischungsimpfung dann wirkt, ist allerdings nicht ganz klar: "Es ist leider so, dass wir mit der schnellen Veränderung des Virus mit der Veränderung der Impfstoffe immer ein bisschen hinterherhinken. Ist die Impfung gerade um eine Variante ergänzt, ist eigentlich schon die nächste da. Das kann die Wirkung einer Auffrischung beeinträchtigen", sagt Dittmer.

"Es gibt jetzt auch Studien, in denen ein viel breiterer Impfstoff angewandt wird. Er enthält nicht nur das Spike-Protein als Informationsschnipsel für das Immunsystem, sondern führt zu einer Immunantwort auf verschiedene Corona-Bestandteile, Proteine", weiß der Virologe. "Solche Impfstoffe könnten für Risikogruppen interessant werden. Derzeit sieht es aber nicht danach aus, dass sich jeder vor diesem Winter noch einmal impfen lassen sollte."

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Virologe: Neue gefährliche Varianten unwahrscheinlich

Kann es aber auch zu einer neuen Virusvariante kommen, die so verändert ist, dass sie die Impfungen unterwandert und deshalb gefährlich für Infizierte werden kann? "Das ist ziemlich unwahrscheinlich", betont Dittmer. "Vor allem, weil viele Menschen inzwischen geimpft sind und dann infiziert waren oder umgekehrt. Sie haben eine sehr breite Immunantwort gegen viele Komponenten des Coronavirus, welche von Antikörpern und sogenannten T-Zellen vermittelt wird. Das kann Sars-CoV-2 nicht alles ändern und wieder schwere Verläufe verursachen."

Zur Person: Professor Dr. Ulf Dittmer ist Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Essen und Präsident der Gesellschaft für Virologie e.V.. Während der Pandemie hat er die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und die Immunantwort gegen das Virus im menschlichen Körper untersucht.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Prof. Dr. Ulf Dittmer April 2023/Die Zitate wurden am 23.08.2023 von ihm geprüft und aktualisiert
  • Pandemieradar des Bundesgesundheitsministeriums: COVID-19 Pandemieradar
  • Weltgesundheitsorganisation WHO: EG.5 Initial Risk Evaluation, 9 August 2023 (PDF zum Herunterladen)
  • Robert-Koch-Institut: Implementierung der COVID-19-Impfung in die allgemeinen Empfehlungen der STIKO 2023 (Aktualisierung Epid Bull 4/2023)
  • Karl Lauterbach bei X (ehemals Twitter)
  • Material der dpa
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